INTERVIEWS
In Kürze
Vesselina Kasarova Kammersängerin
Die aus Bulgarien stammende Mezzosopranistin Vesselina Kasarova und die deutsche Sopranistin Ricarda Merbeth sind in der Wiener Staatsoper mit dem Berufstitel «Österreichische Kammersängerin» ausgezeichnet worden. Vesselina Kasarov sang fast ein Dutzend Partien im Haus am Ring. Im Mai wird sie allerdings wieder am Opernhaus Zürich auftreten.
„Eine erotische und revolutionäre Frau"
Carmen - Vesselina Kasarova gibt im April die Titelpartie in Bizets Meisterwerk - Die bulgarische Mezzosopranistin von Weltrang begann ihre Karriere am Piano
„Sie ist nicht das Luder, als das sie so oft dargestellt wurde", erklärt Vesselina Kasarova. Carmen ist für sie eine der Rollen, über die die grössten Missverständnisse herrschen. „Sie ist eine erotische, starke, besonders selbstbewusste, eigentlich revolutionäre Frau. Daran liegt es, dass ihr die Männer zu Füssen liegen.
Carmen ist für sie unerreichbar! So - und nicht anders - wird sie im Libretto und durch die Musik Bizets gezeichnet. In diesem Sinne steckt ein bisschen Carmen in uns allen."
Vesselina Kasarova freut sich darauf, als Carmen an der Seite von Roberto Alagna auf der Bühne der Deutschen Oper Berlin zu stehen. Unter der Leitung von Yves Abel singt sie am 3., 6. und 10. April die Partie, die sie als eine der wichtigsten Herausforderungen bezeichnet. Schliesslich ist es die spektakulärste Rolle, die das Opernrepertoire für Mezzosoprane zu bieten hat. „Für mich ist es aber nicht die Traumpartie schlechthin, sondern eine von vielen", überlegt die Sängerin. Die Titelpartie aus „Samson et Dalila", Marguerite in „La damnation de Faust", Charlotte in „Werther" und Sesto in „La clemenza di Tito" sind ihr ebenso wichtig. Anfang 2011 wird sie ihre erste Venus im „Tannhäuser" singen. Auch darauf ist sie schon sehr gespannt.
Viel Zeit hat sie sich gelassen, bis sie sich reif für die Heldin in Bizets Meisterwerk fühlte. „Stimmlich stellt die Carmen eigentlich keine grossen Ansprüche. Die Schwierigkeit besteht darin, den sehr speziellen Charakter dieser Figur zu verkörpern, das erfordert doch viel Erfahrung." Im vorletzten Sommer, mit 42 Jahren, hat sie ihr Rollendebüt in Zürich gegeben. In der Inszenierung von Matthias Hartmann, der ihre Sicht auf Carmen teilte, fühlte sie sich besonders wohl. Seitdem hat sie die Spanierin an der Wiener Staatsoper und in Köln verkörpert. In Deutschland singt die Bulgarin am liebsten - „wegen des fachkundigen, gebildeten Publikums". Besonders intensive Abende hat sie an der Deutschen Oper Berlin erlebt, etwa in den konzertanten Vorstellungen von „Werther" mit Alfredo Kraus.
Eigentlich wollte Vesselina Kasarova Pianistin werden. Sie hat das Instrument bis zum Konzertdiplom studiert. Am Ende ihrer Ausbildung hat sie oft Sängerinnen und Sänger begleitet. Die Stimme begann sie mehr und mehr zu faszinieren. Sie wechselte das Fach. „Ich wollte herausfinden, ob ich meine Vorstellung vom Musizieren auch als Sängerin verwirklichen könnte", erinnert sie sich. Der Erfolg kam schnell. Schon während des Gesangsstudiums wurde das Mädchen aus Stara Zagora an die Nationaloper in Sofia engagiert. 1989 ging sie ans Opernhaus Zürich und avancierte zum Publikumsliebling. Nun standen ihr die Türen zur Opernwelt zwischen New York, Mailand und Salzburg weit offen. Den „Umweg" bereute sie nie: „Das theoretische Wissen darf man nicht unterschätzen. Deshalb hat mir meine Ausbildung als Pianistin enorm geholfen."
Mit Ehemann und Sohn lebt Vesselina Kasarova in Zürich. Viel zu selten hat sie Zeit, nach Bulgarien zu fahren. „Bulgarien ist und bleibt meine Heimat", sagt sie. „Im letzten Sommer haben wir wundervolle Ferien am Schwarzen Meer verbracht." Mit wachem Interesse verfolgt sie die Entwicklung des reichen bulgarischen Kulturlebens, das unter der Wirtschaftskrise gelitten hat. „Es freut mich aber sehr, dass mit Vesselin Stoykov ein junger, moderner Intendant am Opernhaus meiner Heimatstadt Stara Zagora tätig ist und sehr viel bewirkt hat."
Singen ist für die Sängerin wie Hochleistungssport. Um sich in absoluter Top-Form zu halten, achtet sie auf ein diszipliniertes Leben, gesundes Essen und viel Schlaf. „Man muss auf einiges verzichten", erklärt die erfolgsverwöhnte Sängerin. Zuhause in Zürich ist die Oper nicht die Alleinherrscherin. Ihr Sohn war mit ihrem Mann kürzlich in seinem ersten Punkrock-Konzert mit The Toy Dolls. Seit drei Jahren spielt er Gitarre, und er hat keine Scheu, vor Publikum aufzutreten. Vesselina Kasarova ist als gefragter Weltstar viel unterwegs. Jüngst war sie als Idamante in Paris, in Konzerten in Bern, Wien, Barcelona, Valencia, als Rosina in München und Charlotte in Mannheim zu erleben. Aber wenn sie gerade nicht mit Musik beschäftigt ist, gibt es für sie nur eins: „Dann bin ich bei meiner Familie, das ist das Schönste!"
Opernstar aus Bulgarien
Liebling der Götter und der Kritiker
Die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova begeistert ihr Publikum mit ihrer Präsenz, ihrer Herzenswärme und ihrer zurückhaltenden Eleganz
Von Helmut Mauró
So anrührend und klanglich gleichermassen authentisch und veredelt sie die Volkslieder ihrer bulgarischen Heimat vorbringt, so leidenschaftlich wirft sie sich in die Belcanto-Arien von Cilea, Verdi Tschaikowsky, Mascagni, Bizet und Saint-Saëns. Vesselina Kasarova ist derzeit eine der begehrtesten Mezzosopranistinnen, beliebt bei Veranstaltern, Opern-Intendanten und vor allem: beim Publikum. Noch bevor die Netrebko auf den Plan trat, hatte die Kasarova längst die Herzen vieler Musikfans erobert, hat sogar viele an klassischer Musik weniger Interessierte in ihre Konzerte und die Oper gelockt. Wie bei allen wirklich grossen Sängerinnen kommt bei Vesselina Kasarova mit jedem technisch perfekten und farbenreichen Ton auch gleich ein gutes Stück Persönlichkeit mit, ein Quantum Herzenswärme gar, die den Hörer sofort einnimmt und sicher umfasst. Selbst auf CD, wie auf der jüngst erschienenen Arien-CD „Passionate Arias" (RCA Red Seal) ist davon noch ein Gutteil zu spüren.
Noch vor dem Ende ihres Studiums in Sofia engagierte man die 1965 in Stara Zagora geborene Sängerin als Solistin an die Nationaloper von Sofia. Dort sang sie zunächst die Rollen der Rosina („Il barbiere di Siviglia"), Dorabella („Così fan tutte") und Preziosilla („La forza del destino"). Bereits im Alter von vier Jahren hatte sie mit dem Klavierunterricht begonnen, besuchte ein Musikgymnasium, das sie 1984 mit dem Diplom einer Konzertpianistin abschloss. Darauf folgte bis1989 eine fünfjährige Gesangsausbildung bei Ressa Koleva an der Musikakademie in Sofia. Neben verschiedenen Konzertauftritten erlebte sie nach ihrem Engagement an der Oper von Sofia auch ihr Schallplattendebüt in der von Emil Tchakarov geleiteten Produktion von Tschaikowskys „Pique Dame". 1989 lockte sie das Opernhaus Zürich mit einem Zweijahresvertrag, den sie annahm. Etwa zur gleichen Zeit wurde sie beim deutschen Gesangswettbewerb „Neue Stimmen" in Gütersloh mit dem ersten Preis ausgezeichnet. In Zürich avancierte sie unterdessen innerhalb kürzester Zeit zum Publikumsliebling und zu einer von der internationalen Fachwelt gefeierten Sopranistin, die problemlos an der Seite von grossen Kolleginnen wie Edita Gruberová oder Anne Murray bestehen konnte. Im Mozartjahr 1991 gastierte Vesselina Kasarova erstmals bei den Salzburger Festspielen, und zwar als Annio in der von Sir Colin Davis geleiteten Wiederaufnahme von „La clemenza di Tito".
Die Sängerin hat ein Faible für gebrochene Gestalten wie etwa den Sesto
In der Rolle der Rosina, die später ihre Paraderolle werden sollte, debütierte sie 1991 unter Donald Runnicles unter grossem Beifall an der Wiener Staatsoper, deren Ensemble sie für zwei Jahre angehörte. Im gleichen Jahr gab sie ebenfalls ihr Debüt als Liedsängerin mit einem Programm von Prokofjew an der Mailänder Scala. Was man sich heute kaum noch vorstellen kann: Damals musste der Veranstalter eines Münchner Liederabends sich geradezu dafür entschuldigen, als zweiten Ersatz eine unbekannte Sängerin eingeladen zu haben. Der Veranstalter tröstete die Wartenden: Die Sängerin sei direkt mit dem Taxi aus Wien gekommen, wo sie gerade in Rossinis „Barbier" an der Staatsoper gesungen hatte. Konnte also nicht ganz schlecht sein. Nun würde sie noch schnell mit einem ihr unbekannten Pianisten üben. Dann kam sie, und ihre Stimme klang, nach anfänglicher Nervosität, auf einmal völlig befreit, die Töne begannen förmlich zu glühen. Nach einer halben Stunde wusste jeder, dass es sich bei Vesselina Kasarova keineswegs um eine Verlegenheitslösung handelte, sondern - ganz im Gegenteil - um einen Glücksfall: eine künftig ganz Grosse am Beginn ihrer Karriere.
Auch ihr Salzburg-Debüt war im Grunde ein Einspringer: 1992 überraschte sie das Festspielpublikum, als sie neben der Rolle des Annio kurzfristig die Titelpartie in zwei konzertanten Aufführungen von Rossinis „Tancredi" für die erkrankte Marilyn Horne übernahm. Zwölf Jahre später war sie wieder in Salzburg in Mozarts „Titus" zu hören, diesmal in der Hosenrolle des Sesto, die sich zwischen Frauen- und Freundesliebe aufreibt. Ein weiterer Höhepunkt ihrer Karriere: Publikum wie Kritiker feierten die Kasarova als Glücksfall der Festspiele 2003.
Und wieder merkte man, auf welch stabiler Basis die Kasarova ihre Glanzleistungen aufbaut. Bei der einst in ganz Osteuropa hochqualifizierten Sängerausbildung legte man zudem Wert auf das Bühnenspiel, und die Kasarova, als elegante schlanke Erscheinung, fiel schon zu Beginn durch ihre überragende Bühnenpräsenz auf. In der Salzburger Generalprobe zu Berlioz‘ „Faust" sang sie keinen Ton - ein übliches Verfahren, um die Stimme zu schonen. Dirigent Sylvain Cambreling brummte stattdessen ihre Partie im Orchestergraben - aber allein das stumme Spiel der Sängerin entschädigte vollauf. Vesselina Kasarova verkörpert bei all ihrer zurückhaltenden Elegant einen modernen Sängerinnentypus. Nichts an ihr erinnert an die Eitelkeiten der Diven früherer Generationen. Stattdessen bevorzugt sie gebrochen vielschichtige Gestalten wie den Sesto, der schon in London und München eine ihrer grössten Glanzrollen war.
Die Kasarova, die mit ihrem Mann ...und Sohn Yves Lucien heute als Schweizer Staatsbürgerin bei Zürich lebt, hat ihre Karriere sorgfältig geplant. So hat sie sich bis heute davor gehütet, Carmen und Eboli auf einer Bühne zu singen - die grossen Wunschpartien jeder Mezzosopranistin, mit der jedoch jede Sängerin aufgrund des dramatischen und emotionalen Anspruchs und der sängerischen Wucht der Partie leicht ihre Stimme überanstrengen kann. Doch Vesselina Kasarova kalkuliert klug, was ihre - gleichwohl enormen - stimmlichen Möglichkeiten angeht. Schliesslich hat sie Verpflichtungen an den grössten Häusern weltweit. Doch sie nimmt nur 50 Termine pro Jahr an.
Nicht allein mit ihrer Stimme, sondern auch mit ihrer Ausstrahlung lockt die Kasarova auch an klassischer Musik weniger Interessierte in die Konzerthäuser. Die Bühnenszene zeigt die wandlungsfähige Mezzosopranistin in der Rolle der Margarethe in Berlioz‘ „La Damnation de Faust".
Zu Gast beim SHMF
„Jede leise Stelle ist wichtig"
Die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova im Gespräch über die Kultur des Singens
Die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova ist längst eine der gefragtesten Sängerinnen der Welt. Mit Arien aus den Opern „Alcina" und „Ariodante" von Georg Friedrich Händel gastiert sie am Montag zum krönenden Abschluss der Rendsburger Festivalsaison.
Interview: Christian Strehk
Frau Kasarova, die Arien, die Sie in Rendsburg singen werden, sind für den Kastraten Carestini geschrieben worden. Spürt man bei der Einstudierung diesen Zuschnitt auf eine ganz spezielle Stimme?
Das ist eine interessante Frage ... doch, ja. Und wenn ich jetzt spontan darüber nachdenke, habe ich das Gefühl, dass man als Mezzosopran diesem Zuschnitt besonders gut nahekommen kann. Zumal ein Kastrat vom Rang Carestinis spürbar einen weiten Stimmumfang und gleichzeitig eine voluminöse Stimme hatte. Aber damit ich hier nicht missverstanden werde: Es gibt heute wunderbare Countertenöre, die das ganz hervorragend singen. Aber die meisten sind naturgemäss etwas begrenzter in den stimmlichen Mitteln. Zumal, wenn man bedenkt, dass heute die Räume, in denen gesungen wird, sehr viel grösser sind als früher.
Händel war ein besonders ausdrucksstarker Komponist. Es gibt da diese starken Kontraste zwischen den langsamen Arien, die ich besonders liebe, und den effektvollen Koloraturen. Den Ausdruck dieser Musik kann man meiner Meinung nach nicht völlig ohne Vibrato gerecht werden.
Sie haben „Ariodante" zuletzt an der Bayerischen Staatsoper gesungen. Ist das Opernhaus in Zürich trotzdem immer noch so etwas wie eine künstlerische Heimat für Sie?
Nicht unbedingt. Ich habe hier 1989 begonnen. Und es ist ein Haus, das sehr wichtig für mich bleibt. Ich wohne nach wie vor hier in Zürich mit meiner Familie. Aber ich bin eigentlich seit nun bald zwanzig Jahren sehr, sehr viel unterwegs und deshalb nur noch Gast. Trotzdem ist die Zürcher Oper wegen ihrer Grösse sehr gut geeignet, um sich in bestimmten Partien auszuprobieren.
Sie sind offenbar eine sehr vorsichtige Sängerin in der Auswahl Ihrer Opernpartien ...
Oh ja. Ich bin ein Künstler, der sehr genau plant. Was singe ich jetzt? Was singe ich in zehn Jahren? Ich sage nicht sehr leicht ja, wenn mir Angebote gemacht werden. Und für Absagen braucht man dann viel diplomatisches Geschick ...
Sie haben die Carmen in Ihr Repertoire aufgenommen, singen den Oktavian, französische Opern und ansonsten Belcanto von Barock über Mozart bis Donizetti. Hoffen wir auf eine Kasarova-Eboli vergebens?
Nein, nein, das kommt! Aber ich staune: Ich bin nach wie vor im lyrischen Fach gefragt, obwohl die junge Generation längst auf der Bühne steht. Ich singe beispielsweise ... Deshalb gibt es aus meiner Sicht noch nicht genug Gründe, stärker ins Dramatische zu wechseln. Aber die Frage kommt. Ich bin 43 und achte sehr genau darauf, was ich noch singen und glaubhaft verkörpern kann. Und noch etwas ist sehr, sehr wichtig: Wenn man dramatische Partien angeht, muss man behutsam planen, dass man zwischendurch auch zurückschalten kann, nicht die Fähigkeit verliert, leicht und leise zu singen. Die leise Stelle ist wichtig, nicht die laute. Nach der Eboli gibt es kein zurück, dann kommen die Charakterrollen. Für den richtigen Zeitpunkt gibt es eine gute Kontrollfrage: Kann ich die Partie auch dann singen, wenn ich indisponiert bin? Bin ich bereit dazu, ohne das Niveau zu gefährden?
Bei Ihrer Carmen haben Sie diese Frage also mit einem Ja beantwortet?
Genau. Ich kann diese Partie jetzt singen, ohne ein Risiko einzugehen. Trotzdem bin ich auch hier vorsichtig: Dreimal in Zürich, viermal an der Wiener Staatsoper, dann im Sommer noch drei. Nicht mehr. Allerdings akzentuiere ich die Carmen auch anders. Ich habe nämlich lange über sie nachgedacht. Ich kann sie nun mal nicht als billige Frau singen. Die Rolle ist inzwischen viel zu sehr im Klischee versackt: Fächer, Kastagnetten, ein bisschen Hüfte. Aber in dieser Geschichte geht es gar nicht darum. Es geht um menschliche Beziehungen, um Erotik sehr wohl, aber ganz besonders auch um eine emanzipierte Frau. Sie bestimmt, was sie machen möchte. Sie ist für mich der weibliche Don Giovanni.
Pflegen Sie noch Kontakte in die bulgarische Sänger-Szene? Beim SMHF hält Anna Tomowa-Sintow gerade einen Meisterkurs ab ...
Ah! Anna Tomowo-Sintow ging mit meinem Vater zur Schule. Eine wunderbare Frau ... Ansonsten: Ich habe alle möglichen Zeitschriften abonniert. Manche Kollegen sagen ja, sie lesen das nicht. Ich lese sie alle! (lacht) So weiss ich immer genau, wer was singt. Wir sind ein kleines Land. Nur sieben Millionen Menschen leben dort. Vergleichen Sie das mal mit Russland. Und trotzdem ist Bulgarien in der Sänger-Szene präsent. Obwohl wir alle Melancholiker sind, ist uns das Singen eben wichtig.
CD-Tipp: Händel - Sento brillar. Arias for Carestini. Vesselina Kasarova, Il Complesso Barocco, Alan Curtis. RCA Red Seal / Sony.
Konzert: Montag, 25. August, 20 Uhr, Christkirche Rendsburg.
Aber das Singen ist sauschwer
Zur konzertanten "Italienerin in Algier": Gespräch mit Vesselina Kasarova
Als Sextus im Staatsopern-"Titus" feiert sie Triumphe, an diesem Sonntag, 19 Uhr, schlüpft Vesselina Kasarova in die Rolle der widerspenstigen Isabella. Der Mezzo-Star aus Bulgarien ist Mittelpunkt der konzertanten Aufführung von Rossinis "Italienerin in Algier" (Münchner Gasteig). Marcello Viotti dirigiert das Münchner Rundfunkorchester.
So, wie Sie eben bei der Probe Ihre Arie gesungen haben, scheinen Sie gern zutanzen.
Kasarova: Es macht einfach Spass. Musik ist für mich etwas, das ich nach vierzehn Jahren Karriere noch unglaublich geniessen kann. Gerade eine konzertante Aufführung darf nicht steril sein. Aber wenn ich singe, denke ich nicht daran, wie ich wirke. Ich muss nur für mich glaubwürdig sein, dann stimmt auch die Wirkung.
Wie kritisch sind Sie sich selbst gegenüber?
Kasarova: Sehr. Ich glaube, deshalb habe ich vor einiger Zeit auch eine Krise durchlitten. Es kommt selten vor, dass ich nach einer Aufführung sage: Das war alles wunderbar. Mittlerweile habe ich gelernt, meine Fehler und Ausrutscher zu akzeptieren.
Ist die Isabella eine Figur, die Ihnen nahe steht?
Kasarova: Schon. Sie ist eine emanzipierte Frau. Eine Vorstufe zur Carmen. Ich glaube, dass man die "Italienerin" modern inszenieren kann. Ein dankbares Stück für Regisseure - wenn sie nicht zu dumm mit der Musik umgehen.
Das heisst?
Kasarova: Es darf nie gegen die Musik und ihren Rhythmus gehen. Ich singe gern in unkonventionellen Inszenierungen - so lange nicht verlangt wird, dass ich nackt bin. Die Anforderungen an uns Sänger sind gewachsen, wir müssen immer mehr auch Schauspieler sein. Zum Glück haben wir von der jüngeren Generation das auch geschafft.
Wie ist das bei Hosenrollen? Spielen Sie bewusst einen Mann?
Kasarova: Nein, es muss ja zu mir passen. Sicherlich beobachte ich männliche Gesten, wandle sie aber für meine Person um. Es darf nicht wie ein Tick aussehen. Ein englischer Kritiker schrieb einmal, ich würde mir Einiges von Arnold Schwarzenegger abschauen. Stimmt nicht. Wenn schon kopieren, dann Woody Allen.
Manchmal müssen sich Sänger furchtbare Kostüme gefallen lassen ...
Kasarova: Es ist oft schlimm. Aber wir sehen viele Dinge zu spät, kurz vor der Premiere. Da kann man nichts mehr ändern. Ich bin eine Diplomatin und versuche, mit den Leuten zu reden. Oft liegt es daran, dass ein Regisseur oder Ausstatter uns zwar dem Namen nach kennt, aber nicht persönlich, den Typ. Zehn Mezzos in derselben Rolle: Eigentlich bräuchte jede ein eigenes Kostüm. Am wichtigsten am Theater ist doch, dass man aus dem jeweiligen Individuum das Beste herausholt und es nicht in ein Konzept zwängt. Im schlimmsten Fall verursachen sie beim Sänger Unbequemlichkeiten bis zum Komplex. Viele glauben, wir singen halt nur. Aber das ist sauschwer (lacht).
Sie haben einen kleinen Sohn. Was bedeutet das für Ihre Karriereplanung?
Kasarova: Bei längeren Gastspielen versuche ich, ihn mitzunehmen, reise auch viel mit meinem Mann. Viele Leute haben Kinder, lassen sie mal hier, mal dort, und irgendwie funktioniert das. Ich will das nicht, will jetzt eine intensive Beziehung zu meinem Sohn pflegen. In drei Jahren kommt er in die Schule, dann wird's erst richtig kompliziert.
Und was sagt er, wenn Mama singt?
Kasarova: Das war früher komisch, da hat er geweint. Ich glaube, er hat damals gedacht, wenn ich mit meiner Opernstimme singe, weine ich auch. Und heute mag er das Singen noch immer nicht, weil er weiss, dass ich weg gehe. Gott sei Dank wird ihm auch immer mehr bewusst, dass ich auch zurückkomme.
Und wenn er einmal Sänger werden möchte?
Kasarova: Ganz ehrlich, ohne Koketterie: Ich fände es furchtbar. Das ist ein so schwerer Beruf, der viele Kompromisse und Einschränkungen bedeutet. Und wenn man Erfolg hat, wird es noch viel schwerer. Man braucht ausreichend Schlaf, darf kaum ausgehen, nicht einmal in einem zu kühlen Zimmer sitzen. Und man muss den richtigen Partner finden, der das alles versteht. Das ist das Schlimmste bei uns Sängern: Wir sind alle Romantiker, sind auch unpraktisch, haben aber so viel Phantasie. Und das Leben, das wir uns ausmalen, können wir oft gar nicht leben.
Immerhin bietet die Bühne die Chance, Emotionen auszuleben.
Kasarova: Ja, schon. Aber das ist eine unrealistische Welt. Bühne ist wie ein Kinderspiel - und ermöglicht dadurch sicherlich eine Art absolute Freiheit. Das Schönste an meinem Beruf ist: Jeder Abend ist anders. Es gibt keine Routine - was im Leben ja durchaus passieren kann.
Das Gespräch führte Markus Thiel.
Umsteigen ja - aber langsam
Mozart, Belcanto: vor allem auf dieses Repertoire baut Vesselina Kasarova auch in den kommenden Jahren. Mit kleinen „Ausflügen" in andere Gebiete, etwas ins Französische. Wann kommt der lang erwartete Umstieg ins dramatische Fach? „Auch Mozart ist sehr dramatisch", sagt sie. „Man muss warten können." Ein Portrait von Gerhard Persché.
Voyeure, Voyeure. Schwarzvermummte Gestalten umkreisen die Akteure mit ihren Kameras. Der Opernglasverleiher macht kein Geschäft an diesem Abend, denn die auf den bühnenfüllenden Bildschirm projizierten Gesichter sind den Zuschauern näher, als jedes Fernglas sie heranholen könnte. Zugleich decouvriert Martin Duncans Inszenierung von Mozarts „La clemenza di Tito" an der Bayerischen Staatsoper erbarmungslos jede Pose, jede aufgesetzte Mimik. Für Vesselina Kasarova freilich scheint dies wie geschaffen: Deutlicher noch als in normaler Bühnendistanz nimmt man die kleinsten darstellerischen Nuancen wahr, ihren qualvollen Ausdruck der Augen etwa bei Sestos „Deh, per questo istante solo ti ricordo il primo amor ...". Es scheint, als sei sie emotional von der Situation überwältigt.
Vor sechs Jahren, bei Bellinis „I Capuleti e i Montecchi" an der Opéra Bastille in Paris, war Ähnliches passiert, als Romeo/Kasarova Abschied nahm von der totgeglaubten Julia, ein plötzliches Anhalten, überrumpelt von der Traurigkeit des Augenblicks. Als ich sie am nächsten Tag darauf ansprach, gab sie zu: „Ich hätte fast nicht weitersingen können, es war fast unkonrollierbar." Sie habe die ganze Nacht darüber gegrübelt. Natürlich seien unmittelbare Emotionen wichtig, sie geben einer Figur die feine Lasur, den Firnis. Doch dürfe man auf der Bühne nicht zu privat werden; die Kunst sei ja, Gefühle in einen Rahmen zu setzen, wie ein Bild. Und nun bei Sesto? Bei „Deh, per questo ..."? Mittlerweile habe sie gelernt, Herz und Kopf in Balance zu halten, sagt sie. Natürlich berühre sie die Figur des Sesto tief, gerade in jener Szene - „Wenn er Titus beschwört, ‚ti ricordo il primo amor', an ihre Liebe zu denken, meint er das sicher nicht nur platonisch; ich glaube, dass die beiden auch eine erotische Beziehung hatten. Sesto ist ein so gespaltener Charakter, völlig verunsichert in seinem Gefühlsleben. Und wie viel Tragik trägt er in sich! Überhaupt ist die ‚Clemenza' ein sehr bitteres Stück ...".
Wir sitzen am Morgen nach der Vorstellung in einem stillen Nebenraum des Hotel-Foyers. „Ohne Allüre" ist bei Vesselina Kasarova überhaupt kein Klischee; wie immer ist sie herzlich, etwas scheu, so sanft sprechend, dass ich später beim Abhören der Aufnahme den Regler hochdrehen muss. Von „elfenhafter Sprechstimme" schrieb eine Journalistin einmal, wohl im Zweifel, ob da nicht Pose dahinterstünde. Doch die Kasarova hasst Posen, privat und beruflich. „Wer im Leben unecht ist, ist es auch auf der Bühne", sagt sie. Nein, sie redet, wie sie ist; das Singen und auch die Bühnensprechstimme seien etwas ganz anderes.
Wer ihr zum ersten Mal begegnet, erlebt so etwas wie einen Jeckyll-und-Hyde-Effekt. Ich denke an mein Interview mit ihr 1994 in Zürich, nach einer Aufführung von „Adriana Lecouvreur", in der sie Prinzessin Bouillon war, Giftmörderin, erfüllt vom kalten Feuer aggressiver Leidenschaft. Woher sie die Erfahrung dafür genommen habe? Jeder Mensch habe eine Mörderseele, sagte sie damals, den Pakt mit dem Teufel habe man unbewusst schon geschlossen, bevor man Mephisto spiele. Nun in München ergänzt sie: Vielleicht seien es die Erfahrungen aus früheren Leben. Sie hänge zwar keiner esoterischen Mode an, könne sich aber durchaus vorstellen, dass es Wiedergeburt gebe. Und sie erzählt eine Anekdote: „Als ich noch Studentin war, in einem der frühen Semester, kam einmal ein Mann zu mir und sagte mir eine grosse Karriere voraus. Ich sei, meinte er, schon in zwei früheren Leben Sänger gewesen, einmal als Frau, einmal als Mann. Damals habe ich gelacht. Doch heute fange ich an, daran zu glauben."
Mich an die Principessa di Bouillon erinnernd, frage ich sie, wie es nunmehr mit einer Facherweiterung aussehe. Gerade ist ja ihre CD „Nuit resplendissante" erschienen, auf der sie mit grosser Überzeugungskraft ein (französisches) Repertoire mit fliessenden Grenzen vom Sopran zum Alt präsentiert, unter anderem das „Amour, viens aider ma faiblesse" der Dalila, das „Je vais mourir" der Didon aus Berlioz' „Les Troyens", aber auch eine Arie der Margared aus Lalos „Le Roy d'Ys" oder gar die Chimène aus Massenets „Le Cid". Dramatische Partien also. Doch auf der Bühne singt sie noch immer vor allem Mozart und Belcanto. Angebote fürs schwere Fach hat sie bislang sorgsam geprüft und meist abgelehnt. „Ich muss immer wissen, wo meine Grenzen sind. Die Stimme darf nicht leiden; ich muss nach einer Vorstellung weitersingen können." Und: „Der entscheidende Punkt ist, warten zu können und langsam umzusteigen." Im Übrigen ist für sie alles eine Frage der inneren Einstellung: „Der Begriff ‚dramatisch' bedeutet für mich nicht, wie viel Stimme ich in einer Partie geben muss, sondern beschreibt die Emotion, die ich dafür aufwende. In dem Sinne ist beispielsweise auch der Sesto für mich höchst dramatisch." Oder manche Partien im Belcantofach. Wobei sie Koloraturen nicht als blosse Ornamente sehe, sondern, in der eigentlichen Bedeutung des Worts, als Seelenfarben.
Apropos: „Belcanto ist hohe Kunst. Man muss sehr flexibel sein, auf hohem musikalischem Niveau." Viele Dirigenten, hatte der Tenor Juan Diego Florez - mit dem sie eben an der Met in einer Serie von Rossinis „Barbiere" sang - vor einiger Zeit in einem Interview beklagt, seien gerade dies um Belcantorepertoire nicht: flexibel. Hat er Recht? „Ja. Weil mancher es unter seiner Würde findet, Belcanto zu dirigieren. Für viele Dirigenten ist das doch nur ‚Begleitung', hm-ta-ta. Auch ich habe Erfahrungen mit solchen Leuten gemacht, sogar mit ganz grossen ‚Namen'." Nicht nur das Belcantorepertoire, sondern das ganze lyrische Fach werde generell unterschätzt, auch von vielen Sängern. Für manche sei es nur eine Etappe auf dem Schritt nach „oben", zu schwereren Partien. Welche Fehleinschätzung! „Ausserdem heisst es oft, das lyrische Repertoire mache die Stimmen eng. Doch ich bin im Gegenteil davon überzeugt, dass man dadurch an Flexibilität auch für die schwereren Partien gewinnt."
So ist sie mit Bedacht im Grossen, Ganzen bei Mozart und dem Belcanto geblieben, immer mit kleinen Ausflügen ins dramatischere Fach wie beispielsweise der Bouillon, der Marguerite in Berlioz' „Damnation", der Charlotte in Massenets „Werther". In weiterer Zukunft sieht sie auch die Didon in „Les Troyens", die Carmen - so um 2006 vielleicht", dann auch die Eboli, man wird sehen. Also: umsteigen ja, aber eben langsam. Doch das „Geschäft", die Agenten, Manager, Direktoren, Dirigenten: Stimmen sie Vesselina Kasarovas Vorsicht zu? „Wenn sie künstlerisch denken, müssen sie einsehen, dass es für einen Sänger unsinnig ist, sozusagen von unten an einer Rolle zu kratzen." Was hätte man denn gewonnen, wenn man immer mit Angst auf die Bühne ginge? Ein innerlich zitternder Sänger könne doch niemals glaubwürdig wirken. „Natürlich muss man diplomatisch sein. Aber ich habe insgesamt in dieser Hinsicht Glück gehabt. Mit ganz wenigen Ausnahmen hat niemand etwas von mir verlangt, das nicht meiner Stimme entsprach. Das gilt auch, und besonders, für die Schallplatte. Ich bin dankbar, dass ich viel im Studio arbeiten durfte. Am Anfang hatte ich Mühe, meine Stimme zu hören, ich war erschreckt - wie wahrscheinlich jeder Mensch, wenn er sich zum ersten Mal hört. Mittlerweile habe ich eingesehen, dass man durch Aufnahmen unendlich viel lernen kann - wie man beispielsweise durch eine ganz kleine Veränderung, eine winzige Nuance, einen ganz neuen Ausdruck erzielt."
Eine ihrer unverwechselbaren Stärken, entgegne ich, sei freilich die völlige Übereinstimmung von körperlicher und musikalischer Gestik, wie man sie nur auf der Bühne verwirklichen könne. Wie verhalte sie sich in dieser Hinsicht vor dem Mikrophon? „Ich versuche immer, hundertprozentig da zu sein, stelle mir die Bühnensituation vor; ich bewege mich, als spielte ich. Das Problem bei Aufnahmen ist, die Figur immer glaubwürdig klingen zu lassen, die Phantasie des Hörers in diese Richtung zu lenken. Es kostet unwahrscheinlich viel Kraft - mehr als auf der Bühne -, um so echt wie möglich zu klingen. Ich bin danach erschöpft, nicht stimmlich, aber emotional."
Solchermassen gelingt der Kasarova auf der erwähnten Platte mit französischen Arien freilich quasi die Quadratur des Kreises: Sie bündelt eine Vielfalt von Charakteren auf die für sie charakteristische Weise, gibt aber jeder Arie und jeder Figur ihr eigenes Gesicht, ihren eigenen Stil und bleibt dabei auch vom Text her völlig idiomatisch, was auf ihre sorgsame textliche Vorbereitungsarbeit verweist (sie dankt im Booklet denn auch ihrem französischen Repetitor und Coach).
In Zürich sang sie kürzlich wieder Alte Musik: die Penelope in Monteverdis „Il ritorno d'Ulisse in patria" unter Nikolaus Harnoncourt. Letzterer ist ja dafür bekannt, dass er im Unterschied zu anderen Dirigenten dieses Stils immer auf Sänger mit stimmlicher Persönlichkeit und individuellem Timbre zurückgreift. Ob sie denn auch jenen Puristen begegnet sei, die von Sängern „Entpersönlichung" verlangen, ein Singen möglichst ohne Vibrato und Eigenfarbe? „Nein, ich hab solch' extreme Erfahrungen nicht gemacht. Man darf den vibratolosen Ton natürlich dramaturgisch einsetzen, etwa als Ausdruck von Hilflosigkeit, aber die persönliche Stimmfarbe zu verleugnen wäre - für mich zumindest - falsch. Wie kann man etwas ehrlich und stimmig ausdrücken, wenn man hinsichtlich seiner Stimmpersönlichkeit ständig sozusagen auf die Bremse steigen muss?" Durch Zufall weiss ich, dass die Kasarova vor Jahren einmal einem bekannten Dirigenten mit grosser Reputation im „Period Movement" vorgesungen habe. Und zwar für Verdis „Messa da requiem". Sie hätte zu viel Vibrato. „Er meinte auch, meine Stimme wäre ‚zu slawisch' für seinen Geschmack. Ob er dies auch herausgehört hätte, wenn er nicht gewusst hätte, dass ich aus Sofia komme?"
Vesselina Kasarova ist seit etwas mehr als drei Jahren Mutter eines Sohnes, Yves. Voller Stolz zeigt sie Fotos. Ob ihre Stimme sich nach der Geburt verändert habe, frage ich. „Nein, nicht wirklich. Aber die Erfahrung hat mich freier und selbstbewusster gemacht. Man glaubt mehr an sich. Perspektiven verschieben sich. Es ist ja etwas Unwahrscheinliches, das da passiert." Aber sie habe nach der Geburt auch eine schwere Krise erlebt, habe aufhören wollen. Oder zumindest nicht mehr reisen, nur mehr in Zürich singen: „Für mich war Familie immer ganz wichtig, war mein eigentliches Lebensziel. Aber Roger, mein Mann, konnte mich davon überzeugen, dass das Singen ebenfalls ein ganz wichtiger Teil meines Lebens ist. So muss ich versuchen, beides, so gut es eben geht, zu vereinen. Denn ein Kind braucht wirklich Aufmerksamkeit. Man glaubt, die sind so klein, die verstehen noch nichts. Die verstehen alles, bekommen alles mit. Man muss sehr vorsichtig sein." Mehr Konzerte, weniger Produktionen mit lang dauernden Proben - das wäre die Lösung für die nächste Zukunft. Und Aufnahmen. Unter anderem ist Rossinis „Italiana" geplant, in drei Jahren auch eine „Norma" mit Edita Gruberova, mit konzertanter Aufführung in Wien. Auch etwas ganz anderes will Vesselina Kasarova aufnehmen: Jazz - während ihres Studiums als Pianistin (bis zur Konzertreife!) liebte sie ihn sehr.
Doch die nächste Einspielung ist Promotion für die Musik ihrer Heimat: Sie spielt eine CD bulgarischer Volksmusik ein, mit Chor, a cappella. „Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich mir das erlauben kann. Wir haben eine Folklore voller Eigenart, etwas so ganz anderes, als man es von der europäischen Musik hinsichtlich Harmonik, Form, Tonarten gewohnt ist." Es ist Musik von hohem Reiz, wuchtig und energiegeladen; typisch sind asymmetrische Taktarten, aus deren Wechselspannung sich die Melodie ergibt. „Ein bulgarischer Komponist hat die Musik für mich erarbeitet; aber alles ist wirklich authentisch, die pure Volksmusik." Das Mysterium der bulgarischen Stimme reicht ja zurück bis in die Zeit der griechischen Legende: Ein Teil des heutigen Bulgarien hiess damals Thrakien. Und der berühmteste aller Thraker war bekanntlich Orpheus, der mythische Sänger.
Biographie
Während ihrer Ausbildung zur Pianistin am Konservatorium in Sofia begleitete Vesselina Kasarova auch Sänger; auf diese Weise wurde ihre eigene Stimme entdeckt. Es folgte ein Gesangsstudium bei Ressa Koleva; bereits als Studentin sang sie an der Sofioter Oper, unter anderem die Rosina in Rossinis „Barbiere", eine Partie, die sie auf ihrer weiteren Karriere begleiten sollte. Im Jahr 1989 wurde sie ans Zürcher Opernhaus engagiert und dort sofort zum Publikumsliebling. 1991 holte das auf ein junges Ensemble bauende Team Eberhard Wächter/Ioan Holender sie nach Wien an die Staatsoper, 1992 sprang sie bei den Salzburger Festspielen für Marilyn Horne in der Titelpartie von Rossinis „Tancredi" ein und hatte damit sensationellen Erfolg. Seit damals ist das Belcantofach eine ihrer Domänen geblieben, daneben stellen Mozart-Partien wie vor allem der Sesto in „La clemenza di Tito", aber auch der Idamante in „Idomeneo" oder der Farnace in „Mitridate, rè di Ponto" einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit dar. Aber nicht nur in Hosenrollen brillierte sie; in Hans Neuenfels' umstrittener Inszenierung von „Così fan tutte" bei den Salzburger Festspielen ersang sie sich mit der Dorabella einen Triumph. Salzburg war auch Schauplatz ihres Erfolges als Marguerite in Berlioz' „Damnation de Faust"; neben Mozart und dem Belcanto widmet sie dem französischen Repertoire besondere Aufmerksamkeit. So sang sie neben der Marguerite die Charlotte in Massenets „Werther" (auch auf Platte); ausserdem reüssierte sie in Zürich als Offenbachs „Belle Hélène" und „La Périchole". Einen Teil ihrer Tätigkeit widmet sie auch dem Liedgesang, wobei sie zur Zeit Werke bevorzugt, die sie aus einem gewissen naiv-romantischen Gefühlsausdruck heraus gestalten kann. In diesem Sinne kreierte sie ihre CD mit Schubert-, Schumann- und Brahms-Liedern; in ihrem diesjährigen Programm, das sie unter anderem auch bei den Salzburger Festspielen sowie beim Edinburgh Festival singen wird, kommen zu Werken der erwähnten Komponisten noch Lieder von Zemlinsky hinzu.
Laufend in Versuchung
Ein München-Spaziergang mit der gefeierten Mezzosopranistin Vesselina Kasarova
Schwer vorstellbar, dass diese engelsgleiche Stimme, die sanft ist und doch von tief unten kommt, zu banalen Sätzen anhebt wie: „Einmal Schweinsbraten, mit ordentlich Kruste!" Oder: „Noch eine Portion Kaiserschmarrn!" Nein, die Stimmbänder der Vesselina Kasarova sind dazu da, überirdische Töne zu produzieren, glockenhelle und samtige, dunkle. Und vor allem wollen sie vor Kälte geschützt sein. Kasarova, gefeierte Mezzosopranistin und Star der Opernfestspiele, zieht also mit dem Rechten den Jackenkragen zusammen, damit kein Lüftchen den Kehlkopf verkühle, und linst im Vorübergehen auf die Teller der Menschen, die vor dem Spatenhaus an der Oper im Freien sitzen und essen. „Wie heisst das, diese hausgemachten Hackfleischbälle, wunderbar" - sie bleibt stehen - „diese kleinen, dunklen ..." Fleischpflanzerl? Stürmisches Nicken. Wer hätt's gedacht. La Kasarova liebt Hausmannskost.
Und sie liebt Gucci und Parfum von Chanel und ihren Sohn Yves. Und will überhaupt nicht immer nur über Oper reden auf dem kleinen München-Spaziergang an diesem sonnigen (und windigen! Hals schützen!) Vormittag. Jeans, Bluse, spitze Prada-Pumps, die 37-jährige gebürtige Bulgarin sieht nicht aus wie eine Operndiva. „Es gibt soviel Kitsch in meinem Beruf, soviel Opulenz bei den Kostümen", erzählt sie beim Schlendern über die Maximilianstrasse, „ich mag es lieber schlicht." Auf der Bühne Maquillage, auf der Strasse dezent - Vesselina Kasarova trennt strikt zwischen Beruf und Leben. „Beruf und Leben", so sagt sie das. Der Beruf sind die grossen internationalen Häuser, die Erfolge, Auszeichnungen und, ja, der Ehrgeiz. Das Leben ist Zürich, wo sie wohnt mit ihrem Mann und Yves, der dreieinhalb ist, und ihrer Mutter. „Zürich ist wie München", sagt sie mit einem Hauch slawischem Akzent und die Residenzstrasse hinunter, die lebhaft ist und doch nicht hektisch. „Das ist so überschaubar." Paris? „Zu viele Leute!" New York? „Was ist das für eine Stadt? Du schaust sie dir zwei Tage an, dann willst du nur weg."
Also München - was sie hier mag? Inzwischen sind wir im Hofgarten (wo Madame Kasarova besorgt ist wegen den spitzen Steinchen auf den Wegen, die ihre Stilettos ruinieren könnten), prächtig leuchtet die Theatinerkirche vorm blauen Himmel, natürlich gefalle ihr die Schönheit der Architektur. Feldherrnhalle, Frauenkirche, auch im Englischen Garten sei sie gewesen. Sie zählt das artig auf, und aus ihren grünen, ein wenig schrägen Augen blitzt Belustigung. Immerhin ist sie zum Arbeiten hier, schwere Arbeit, drei Stunden Mozarts „Clemenza di Tito", da erholt man sich nicht mit dem Touristen-Programm. Um zu entspannen liest sie, schlendert, guckt den Leuten zu. „Ich glaube, hier kannst du gut leben." Freilich darf sie das nicht so, wie sie gern würde. Bier, Vesselina Kasarova stemmt einen imaginären Masskrug, „ich liebe Bier!" Geht aber nicht, kein Alkohol in die zarte Sing-Kehle. Und die dauernde Verlockung der Pflanzerl, Knödel etcetera? Nichts da, macht zuviel Magensäure, die den Bändern schaden könnte. „Aber wissen Sie, was ich manchmal gerne würde?" Lachen aus den Schräg-Augen. „Essen, fettes Essen, so viel ich mag. Und herumlaufen ohne Schal, im Wind, im Regen. Einfach so."
Die Schweiz der Schweizer - welcher Schweizer?
Sonderbeilage zur Landesausstellung 2002
Zürcher Luft ist Sängerluft
Als ich 1989 als junge Anfängerin aus Bulgarien nach Zürich kam und mein Engagement am Opernhaus antrat, erlebte ich einen totalen Schock. Ich war allein, kam aus einem kommunistischen Staat, kannte niemanden, sprach nur sehr wenig Italienisch, kein Deutsch, und meine Russischkenntnisse halfen mir wenig. Es war mir auch bewusst, dass ich Bulgarien für lange Zeit verlassen hatte - wenn auch aus freier Entscheidung, weil sich mir hier die Möglichkeit bot, eine Karriere zu beginnen.
Der damalige Opernhausdirektor Christoph Groszer, der mich direkt vom Konservatorium weg engagiert hatte, hat mich wirklich sehr gefördert: Ich konnte viel proben, in einem ausgezeichneten Ensemble arbeiten und erhielt Gelegenheit, zu zeigen, was ich konnte. Alle im Haus haben mir geholfen, durch Vermittlung des Künstlerischen Betriebsbüros lernte ich eine ehemalige Tänzerin kennen, die Russisch sprach und für mich übersetzte - sie ist dann eine gute Freundin geworden -, und so fühlte ich mich bald sicherer. Der gute Start in Zürich war eigentlich die Basis für meine spätere Laufbahn, und ich werde das nie vergessen. Ich fühlte mich hier geborgen. Sicher braucht es in einem künstlerischen Beruf Talent, aber Talent braucht die richtige Umgebung, um sich entfalten zu können. Wenn man sich unsicher fühlt, kann man nicht sein Bestes geben.
Als ich zwei Jahre später Zürich verliess, um ein Engagement an der Wiener Staatsoper anzutreten, merkte ich, dass ich bereits Wurzeln geschlagen hatte. Obwohl es für meine Karriere ein entscheidender Schritt war, wäre ich lieber hier geblieben und fragte mich: Wozu gehst du eigentlich nach Wien? Ich kam nun beruflich in eine völlig neue Umgebung - an der Wiener Staatsoper gibt es für Repertoireaufführungen viel weniger Proben - und war wieder auf mich allein gestellt, ohne meine Übersetzerin und Freundin (was meine Deutschkenntnisse jedoch förderte). Ich glaube nicht, dass ich psychisch den Sprung nach Wien direkt von Sofia aus verkraftet hätte, es brauchte die zwei Zürcher Jahre dazwischen.
Als ich 1993 nach Zürich zurückkehrte, hatte ich das Gefühl, nach Hause zu kommen. Die Atmosphäre hier, die Art zu leben, wie die Menschen miteinander umgehen, die Überschaubarkeit der Stadt, das viele Grün, das alles gefällt mir. Hier fühle ich mich sicher, auch abends auf der Strasse. Das Wichtigste aber sind die Freunde. Ein Ort, wo man Ruhe findet und sich auskennt, Vertrauen hat: das bedeutet für mich Heimat. Und dieses Heimatgefühl empfinde ich heute in keinem Land so stark wie in der Schweiz. Natürlich ist Bulgarien auch Heimat für mich, meine Eltern leben dort, auch einige Freunde, aber heute fühle ich mich in der Schweiz ruhiger. In Bulgarien sehe ich, dass die Menschen grosse Probleme haben und dass ich nicht helfen kann, das macht mich traurig. Manchmal denke ich, dass viele Schweizer gar nicht wissen, was sie erreicht haben und wie gut es ihnen geht, vielleicht weil sie nicht vergleichen können mit den Verhältnissen anderswo. Sonst würden sie wohl positiver denken über ihr Land.
Schon vor meiner Rückkehr nach Zürich hatte ich einen Schweizer geheiratet, und das hat es mir natürlich sehr erleichtert, Kontakt zu finden. Wenn ich im Ausland bin, hilft mir mein Beruf, mich zurechtzufinden: der Ablauf der Proben und Vorstellungen, die Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich auf der ganzen Welt immer wieder zusammentreffe, die Werke und Rollen, die mir vertraut sind. Aber wenn ich dazwischen einkaufen gehe, spüre ich das Fremdsein. Nach der Geburt unseres Sohnes habe ich mir überlegt, ob ich nur noch in Zürich auftreten sollte. Ich bin ein Familienmensch und liebe mein Zuhause. Aber mein wunderbarer Beruf verlangt, dass ich reise und etwa zwei Drittel des Jahres von zu Hause weg bin. Es gibt in jedem Beruf Nachteile, ich akzeptiere das und mach Kompromisse. Aber es gab schon eine Zeit, wo ich dachte: Warum darfst du nicht immer in Zürich sein? Inzwischen ist das Reisen dank meinem Schweizer Pass wenigstens einfacher geworden. Früher musste mein Mann oder ich oft stunden- und taglang für ein Visum anstehen, und wir waren nie sicher, ob es rechtzeitig eintreffen würde. Eine erschreckende Erfahrung war allerdings für mich, wie sich die Physiognomie der Beamten ändert, je nachdem, ob man einen bulgarischen oder einen Schweizer Pass zeigt. Auf jeden Fall ist die einfachste Art zu reisen, den Schweizer Pass zu besitzen.
Ich kenne natürlich auch die Klischeevorstellungen über die Schweizer, zum Beispiel, sie seinen humorlos und ernst. Die Schweizer, die ich kenne, sind eigentlich alle fröhlich und lustig. Und umgekehrt gibt es in Bulgarien sehr ernste Leute. Man darf nie verallgemeinern. Die schweizerische Sauberkeit allerdings ist für mich kein Klischee. Selbst meine Stimmbänder spüren es, wenn ich nach Hause komme. Wir Sänger reagieren sehr empfindlich auf Luftverschmutzung, die Atemwege werden sofort gereizt, das habe ich gerade jetzt wieder erlebt, als ich ein paar Wochen in New York war. In der Schweiz habe ich da viel weniger Probleme, vielleicht weil fast alle Autos mit Katalysatoren ausgerüstet sind. Ich atme wirklich sehr gerne in Zürich.
Vesselina Kasarova, Mezzosopranistin, geboren 1965 in Stara Zagora, Bulgarien. Ausbildung zur Konzertpianistin, anschliessend Gesangsstudium, 1989 erstes Engagement am Opernhaus Zürich, seither Auftritte auf den wichtigsten Bühnen Europas, der USA und Japans sowie zahlreiche Schallplattenaufnahmen.
Seit Beginn gehört sie zur «Snow and Symphony»-Festival-Familie: die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova
Freude und Frische
Sie ist nicht nur ein weltweit bejubeltes Stimmwunder, sondern eine Sängerin, deren persönliche Ausstrahlung auf den Opernbühnen und im Konzertsaal sie zu einer Ausnahmeerscheinung macht. Wenn Vesselina Kasarova singt, werden Gesang und Gefühle hautnah erlebbar.
Eigentlich begann alles am Klavier. Vesselina Kasarova, im südbulgarischen Stara Zagora geboren, wollte Pianistin werden und verfolgte diese Absicht auch erfolgreich bis zum Konzertdiplom. Klavierspielen ist für sie auch heute nach wie vor wichtig: «Wenn ich eine Partie studiere, überlege ich mir stets: Wie würde ich das auf dem Klavier spielen? Genau so möchte ich es auch singen. Das Klavierspiel hilft mir auch heute enorm viel.»
Dass sie als junge Pianistin häufig mit Sängern zusammengearbeitet hat, brachte sie indirekt dazu, ihre eigene Stimme zu entdecken. Fünf Jahre studierte sie anschliessend Gesang am Konservatorium bei Ressa Koleva, und noch vor ihrem eigentlichen Abschluss war sie in Mozart-Partien am Opernhaus in Sofia zu hören. 1989 wurde zum entscheidenden Jahr für die junge Sängerin: Mit einem zweijährigen Festvertrag kam sie ans Zürcher Opernhaus. «Eine sehr schwierige Zeit», wie sie rückblickend sagt - sie konnte kaum ein Wort Deutsch. «Und es gibt nichts Schlimmeres auf der Welt, als wenn man sich nicht ausdrücken kann; ich werde diese Zeit nie vergessen. Dennoch, Zürich war meine grosse Chance. Denn das Opernhaus bot mir damals die Gelegenheit, eine Karriere mit kleinen Partien aufzubauen.»
Vesselina Kasarovas Ausnahmetalent wurde sofort erkannt. Bereits 1991 debütierte die Sängerin an den Salzburger Festspielen unter Colin Davis als Annio (in Mozarts «La clemenza di Tito») sowie in zwei Matineen; ein Jahr später sprang sie, ebenfalls in Salzburg, in Rossinis «Tancredi» kurzfristig für die indisponierte Marilyn Horne ein. Dieser Einsatz, eine neue Partie innerhalb von nur zwanzig Tagen zu lernen, hatte sich gelohnt: Nun standen die Türen zu einer Weltkarriere offen. Aber Vesselina Kasarova war klug genug, sich nicht gleichsam mit Überschallgeschwindigkeit in eine Weltkarriere hinein katapultieren zu lassen. Vor allem wollte sie sich nicht jetzt schon ins dramatische Fach drängen lassen. «Eine Sängerin muss stets an die Zukunft denken; für mich ist es wichtig, dass ich eine Entwicklung vor mir habe.»
Gegen das Image einer slawischen Sängerin hat sie sich bewusst gewehrt, denn sie wollte unbedingt eine Mozart-Sängerin werden. Und ist es geworden - und was für eine! Wichtig ist ihr zudem das Lied, Brahms, Schumann und Schubert. Und wichtig sind ihr, auf der Opernbühne nach wie vor Mozart und Rossini. Beide garantieren ihrer Stimme die stupende Beweglichkeit. «Rossini phrasiert quasi mit den Koloraturen, sie sind direkter Bestandteil des musikalischen Ausdrucks.»
Mittlerweile hat sich Vesselina Kasarova ein bemerkenswert breites Rollenspektrum erarbeitet, das von Offenbachs keck verführerischer «La belle Hélène» über Bellinis heroische Adalgisa (in «Norma») bis zur fragilen Charlotte in Massenets «Werther» reicht. Und selbst Monteverdi singt sie soeben neu am Zürcher Opernhaus - die Penelope in «Il ritorno d'Ulisse in patria». «Für mich gehörte die Penelope schon immer zu den grossen tragischen Frauenfiguren, die mich interessierten.»
In St. Moritz ist Vesselina Kasarova seit dem traumhaften Festivalstart von «Snow and Symphony» im Frühling 1998 mit dabei, gehört hier gleichsam zur Festival-Familie. Sie singt generell sehr gern in der Schweiz - «weil das Publikum hier die Musik wirklich liebt. In einem positiven Sinne erlebe ich hier ein eher intellektuelles Publikum.» Diese mentale Offenheit ist ihr sehr wichtig - auch für ihren eigenen Umgang mit Musik: «Nur wenn man offen ist, können die verschiedenen Gefühle in all ihren Dimensionen erfahren und erlebt werden.» Und das nicht nur auf der Opernbühne, im Gegenteil: «Ein Konzert zu singen ist viel schwieriger. Man steht einer Meter vor der ersten Zuschauerreihe entfernt, und das ohne Maske. Da kann man sich nicht verstecken, man kann sich kaum entspannen; in einem Konzert spüre ich die Verantwortung, die auf einem lastet, stärker.»
Verantwortung ist ein zentrales Stichwort - Verantwortung der Musik, der Kunst, aber auch der eigenen Stimme gegenüber. Rossini und Mozart - «kein anderer Komponist kannte die menschliche Seele besser als Mozart» - bilden nach wie vor einen Schwerpunkt im Repertoire, daneben französische und deutsche Opern. Auf ein bestimmtes Fach festlegen will sie sich nicht; eine Sängerin brauche Vielfalt und Abwechslung, um sich die Frische und die Freude am Singen zu erhalten.
Vesselina Kasarova tritt in der Opern-Gala auf: am 23. März 2002, 19.00 Uhr, im Kulm Hotel St. Moritz. Und am 24. März 2002, 17.45 Uhr im Rondo, Pontresina. Beide Konzerte begleitet das Orchester der Tiroler Festspiele Erl unter Gustav Kuhn. Als weitere Solistin tritt Alina Pogostkin, Violine, auf. Zur Aufführung gelangen Arien und Orchesterstücke von Gioacchino Rossini, Giuseppe Verdi, Pietro Mascagni, Johann Strauss, Pablo de Sarasate und Georges Bizet.
Auf sich gestellt
Mezzostar Vesselina Kasarova im KKL
Die bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova singt heute im KKL. Wir unterhielten uns mit dem Weltstar.
Singen Sie erstmals in Luzern?
Es wird mein erster Auftritt im KKL sein, und ich bin sehr gespannt auf diesen aussergewöhnlichen Saal!
Möchten Sie auch mal am Lucerne Festival singen?
Natürlich, das Luzerner Festival ist eines der angesehensten der Welt! Ich wurde auch schon angefragt. Nur war es bis heute leider nie möglich, da ich praktisch jedes Jahr bei den Salzburger Festspielen auftrete.
Was ist für Sie der grösste Unterschied zwischen Auftritten auf der Opernbühne und im Konzert?
Musik will den Menschen etwas mitteilen. In einer Opernvorstellung helfen Bühnenbild, Kostüm und Schauspiel, das Werk dem Publikum näher zu bringen. Im Konzert dagegen ist man auf sich allein gestellt. Und man ist dem Publikum sehr viel näher, weshalb man auf eine ganz andere Art kommunizieren sollte. Es herrscht eine intimere Atmosphäre, bei der das Musizieren und die eigene Persönlichkeit stärker zum Vorschein kommen können.
Wo sind Sie an Weihnachten?
Zu Hause, natürlich. Mein Sohn ist vor kurzem drei Jahre alt geworden, und wir wagen es jetzt, einen schönen Christbaum zu schmücken - vielleicht doch noch mit elektrischem Licht.
Wie bringen Sie Sängerkarriere und Privatleben unter einen Hut?
Ich glaube, es wäre ein Fehler nur an die eigene Karriere zu denken. Meine Familie ist mir das Wichtigste überhaupt.
Gibt es weitere CD-Projekte mit dem Tenor Ramon Vargas?
Bei RCA/BMG sind einige Aufnahmen vorgesehen, die Werke sind aber noch nicht festgelegt worden. Vargas ist nicht nur einer der grössten Sänger unserer Zeit, sondern auch ein sehr guter Freund.
Finden Sie Zeit, um mit Fans über Ihre Website zu kommunizieren?
Manchmal müssen sich die Fans vielleicht schon etwas gedulden, bis ich dazu komme, ihnen zu antworten.
Donnerstag, 20. Dezember, 19.30
KKL Konzertsaal, Luzern
Questions à Vesselina Kasarova, mezzo bulgare, est ce soir à Genève
« J'adore chanter des rôles de méchants »
Le Temps : Le chant vous a-t-il toujours accompagné ?
Oui, mais j'ai d'abord étudié le piano. J'ai d'ailleurs obtenu un diplôme de concertiste au Conservatoire de Stara Zagora, ma ville natale. Je répétais souvent avec des chanteurs. Et c'est en les accompagnant que la voix, en tant qu'instrument, m'a interpellée.
Le Temps : Préférez-vous chanter à l'opéra ou en récital ?
Ce n'est pas comparable. A l'opéra, le chanteur fait partie d'une équipe, il s'intègre dans un concept. Dès lors, il est moins exposé. La scène et les costumes peuvent induire une distanciation avec le public. Certains chanteurs s'en servent comme paravent. Le récital permet davantage d'autonomie.
Le Temps : Pour vous, c'est quoi le bel canto ?
Toute musique est liée à l'émotion. Prenez Mozart : il est le champion dans ce domaine. La grande trouvaille du bel canto, c'est d'avoir forgé un style qui livre les émotions d'une manière plus directe, plus naturelle.
Vous identifiez-vous aux rôles sur scène ?
Paradoxement, ce sont les rôles les plus éloignés de ma personnalité - et donc les plus exigeants - qui m'attirent. J'adore les rôles de «méchants» : ils me poussent jusque dans mes derniers retranchements. Mais il faut savoir les incarner de manière réaliste. Parmi mes rôles favoris, je citerais Sextus (La Clémence de Titus), Charlotte (Werther) et Isabella (L'Italienne à Alger).
Vesselina Kasarova chante ce soir à 20 h 30 au Victoria Hall de Genève.
Vesselina Kasarova caresse le public de sa voix de satin
Le mezzo Bulgare donne un concert de Gala au Victoria Hall de Genève
Elle est belle comme une diva, mais elle a conquis son public par son chant. Ce n'est pas tous les jours qu'on tombe sur une mezzo dont la voix enveloppe les oreilles comme un vison. Vesselina Kasarova est née en Bulgarie. A 4 ans, elle commence le piano. Elle était partie pour devenir concertiste - elle obtient son diplôme en 1984 - puis voilà qu'elle se découvre une voix. Cette voix, elle va l'élargir et la dompter. Pendant cinq ans, elle travaille d'arrache-pied. L'Opéra national de Sofia l'engage avant qu'elle ait terminé sa formation, elle chante déjà des rôles qui resteront les plus importants de sa carrière, notamment Dorabella dans Così fan tutte (qu'elle a interprété cette année au Festival de Salzbourg) ou Rosine dans Le Barbier de Séville. En 1989, sa carrière prend un tournant décisif. L'Opéra de Zurich l'engage pour un contrat fixe de deux ans. Depuis, elle chante à Vienne, au Covent Garden, à l'Opéra Bastille, à Salzbourg ... Elle donne aussi des récitals où elle décline ses rôles favoris (Sextus dans La Clémence de Titus, Isabella dans L'Italienne à Alger ...). A Genève, Vesselina Kasarova sera accompagnée par Friedrich Haider et l'Orchestre philharmonique du Wurtemberg.
Victoria Hall, rue Général-Dufour 10 à Genève. Ve 14 déc. A 20h30.
Just Asking
Vesselina Kasarova, Opera Singer
Mezzo-soprano Kasarova appears in the trouser role of Romeo at the Lyric Opera's "I Capuleti e i Montecchi," through Dec. 1.
What's your favorite opera to perform?
"La clemenza di Tito" from Mozart and Bellini's "I Capuleti e i Montecchi." They are both masterpieces, and the roles of Sesto ["Clemenza"] and Romeo offer everything one can show with voice and acting. Both characters ‘ faith is very sad, expressed in a very lyrical and intimate way.
What was your first stage performance?
As a pianist in 1981 in my hometown, Stara Zagora [Bulgaria], with Sonatas from Mozart. I was 16. As a singer my first concert performance was in 1983, also in Stara Zagora. I sang Carmen's Habanera.
If you were to take someone to their first opera, what would you choose?
Rossini's "Barber of Seville." The music is naturally beautiful and easy to follow, and the story offers a lot of fun. It's very important that the opera is done in a nice production. Mozart's "Zauberflöte" also is a possibility.
What do you listen at home?
Mostly recordings of works I'm studying - for example, a compilation with songs from Zemlinsky, and Monteverdi's "Il ritorno d'Ulisse in patria." My husband [Roger Kaufmann], on the other hand, is buying a lot of CDs at the moment, including [punk rockers] the Toy Dolls. If you like Offspring or Blink-182, you will love the Toy Dolls.
Lifestyle
Vesselina Kasarova
Interview Express
Quel est votre parfum préféré ?
Actuellement, j'adore «Allure» de Chanel.
Avez-vous un exemple de vie ?
Pas vraiment, mais j'ai de l'admiration pour beaucoup de personnes.
Quel film vous a le plus marqué ?
«Le temps des Gitanes» de Emir Kusturica, et «Amadeus» de Milos Forman.
Quel est votre vœu le plus cher ?
L'Opéra de ma ville natale a été complètement détruit par les flammes il y a dix ans, et j'aimerais beaucoup pouvoir contribuer à sa reconstruction.
Quel est le rôle de vos rêves ?
Eboli dans «Don Carlos» de Verdi.
A quoi ressemble votre garde-robe ?
J'adore le classique et la sobriété, et m'habille de préférence en noir. Par exemple Armani et Tom Fords Gucci.
Que ne voudriez-vous jamais porter sur scène ?
Le plus difficile serait de devoir porter le costume d'Eve !
Attachez-vous une grande importance aux accessoires ?
Ça correspond moins à mon style.
Avez-vous un objet qui ne vous quitte jamais ?
Une croix.
Vous maquillez-vous toujours ou seulement lors de vos concerts?
En privé un peu moins.
Quelles sont vos adresses préférées pour faire du shopping ?
Milan, entre la Via della Spiga et la Via Monte Napoleone, la rue Sainte-Honoré à Paris, et Zürich entre la Bahnhofstrasse et la Limmat.
Avez-vous le trac ?
A vrai dire à peine, je me sens très à l'aise sur scène et devant le public.
Qui serait votre partenaire de rêve sur scène ?
J'ai un merveilleux souvenir, c'était à Berlin au côté d'Alfredo Kraus, où je chantais le rôle de Charlotte dans «Werther» de Massenet.
Que pensez-vous des opéras modernes ?
J'ai eu l'occasion de chanter une seule fois dans un opéra moderne : «Europeras» de John Cage. Ce qui compte pour moi, c'est avant tout la qualité de l'œuvre.
Pourriez-vous vous imaginer dans un rôle d'homme ?
J'ai beaucoup de rôles dans mon répertoire qui s'y prêtent. Mais je suis très heureuse d'être moi-même !
Une fois, elle brille dans une Dorabella en furie - tourbillonnante, puis de nouveau dans une Charlotte souffrante, ou encore dans une méchante Bube Farnace : Vesselina Kasarova dispose d'une large palette de moyens d'expression suffisamment large pour tenir les grands rôles de mezzo-soprano. Une artiste investie d'une telle capacité de métamorphoses suscite donc doulement l'intérêt tout naturel de savoir comment elle se présente en privé.
Nous nous rencontrons à l'Opernhaus de Zurich, sa «patrie artistique» comme elle le précise immédiatement, où elle se sent toujours à l'aise. C'est ici, il y a douze ans qu'a commencé son ascension vertigineuse dans Lucia di Lammermoor au côté d'Edita Gruberova. Aujourd'hui, elle compte parmi les interprètes les plus recherchées pour les grands rôles de Mozart, Bellini, Rossini. Son énorme capacité de différenciation, le timbre unique de sa voix et son interprétation peu commune des rôles de caractère, sont les traits caractéristiques de cette chanteuse étonnante.
Bien que star mondiale, public à ses pieds, Vesselina Kasarova apparaît légère, sans prétention, en blouse blanche et jeans. Dans sa conversation, il émane d'elle une impression de fraîcheur, de sincérité et de sérieux. Elle tient à tout prix à séparer le professionnel du privé, c'est très important pour son âme. Ce souhait est parfois difficile à réaliser car «comme artiste, il faut non seulement apprendre à évoluer sur scéne» mais aussi «à se présenter personellement sans sacrifier à sa vie privée». Le mot «apprendre» prend une dimension centrale dans le vocabulaire de cette chanteuse bulgare. Toujours à la recherche d'émotions nouvelles, elle veut évoluer, aussi bien sur le plan professionnel que privé. Sur ce point, il n'y a plus de différences, une seule chose compte : l'authenticité.
Sur l'altération des jeunes voix : «Ce n'est pas un péché que de faire des erreurs comme jeune chanteuse, mais il faut savoir apprendre de ses fautes et trouver sa propre ligne.» Puis, après une brève réflexion, elle ajoute : «Je crois que chacun sent au plus profond de son être où sont ses limites.» Pour Kasarova, mère d'un fils de bientôt trois ans, cela veut dire s'organiser afin que les deux vocations, mère d'un fils et chanteuse, soient vécues au mieux. «Des deux, je ne veux rien sacrifier ; pour cela je dois les concilier et réduire les représentations». Selon Kasarova, là aussi, dans ces deux domaines, l'influence est réciproque. Le développement psychologique expérimenté comme femme face au miracle de l'enfantement se reflète également dans son chant : «comme interprète, je suis devenue plus réfléchie, plus posée et forte.» C'est un fait, ses représentations se distinguent par une grande musicalité, et un art dans les rôles de caractère.
Sa franche amabilité et son rayonnement ne peuvent en aucun cas s'identifier aux rôles sombres comme celui d'Adriana Lecouvreur qu'elle joue sur scène avec grand succès. «Il n'y a rien de plus facile que d'interpréter des rôles de méchantes - puisque je ne le suis pas.» Kasarova en rit aimablement et continue : «Rosine est bien plus difficile à interpréter, car je n'aimerais pas la jouer comme je suis moi-même.» Par contre, pour les manifestations concertantes telles que la Yellow Classic Night-Tournée, cela devient nettement plus difficile. Le programme est émaillé d'arias d'importance comme celles de Rosina, Marguerite ou Dalila, et il n'y a pas de décors. Ici, la chanteuse est livrée à elle-même, elle doit miser sur ses atouts tels que la voix, la couleur, le timbre. Le moment est alors venu de mettre en pratique un de ses principes : «L'individualité est très importante pour moi. Il faut toujours faire ce qu'on juge authentique pour soi-même.
Lifestyle
Vesselina Kasarova
Express Interview
Welches ist Ihr Lieblingsparfum?
Im Moment «Allure» von Chanel.
Wer ist Ihr Vorbild?
Ich habe nicht wirklich Vorbilder, aber ich bewundere viele Menschen.
Welcher Film hat Sie am meisten beeindruckt?
«Die Zeit der Zigeuner» von Emir Kusturica und «Amadeus» von Milos Forman.
Welches ist Ihre Traumrolle?
Die Eboli in Verdis «Don Carlos».
Welchen Wunsch würden Sie gerne realisieren?
Das Opernhaus in meiner Heimatstadt Stara Zagora wurde vor über zehn Jahren durch einen Brand zerstört. Ich hoffe sehr dazu beitragen zu können, dass es wieder aufgebaut wird.
Wie sieht Ihre Ausgangsgarderobe aus?
Ich liebe schlichte, elegante Kleidung ... am liebsten in Schwarz, z.B. Armani und Tom Fords Gucci.
Legen Sie grossen Wert auf Accessoires?
Zu meinem Stil passen diese eher weniger.
Welcher Gegenstand ist Ihr ständiger Begleiter?
Ein Kreuz.
Könnten Sie sich vorstellen in eine Männerrolle zu schlüpfen?
Als Mezzosopranistin habe ich viele Rollen in meinem Repertoire, wo dies auf der Bühne möglich wäre. Im richtigen Leben bin ich aber sehr glücklich, nur ich selbst zu sein.
Schminken Sie sich immer oder nur auf für die Bühne?
Privat weniger.
Welches sind Ihre Lieblingsadressen fürs Shopping?
Mailand, überall zwischen der Via delle Spiga und der Via Monte Napoleone, die Rue Sainte-Honoré in Paris und in Zürich zwischen Bahnhofstrasse und Limmat.
Was halten Sie von moderner Oper?
Ich bin erst einmal in einer modernen Oper aufgetreten, in John Cages «Europeras». Für mich zählt einzig die Qualität eines Werkes.
Wer wäre Ihr Traumpartner auf der Bühne?
Ein besonderes Erlebnis für mich war, als ich in Berlin neben Alfredo Kraus die Charlotte in Massenets «Werther» sang.
Was würden Sie auf keinen Fall auf der Bühne anziehen?
Schwieriger wäre, wenn man «Nichts» zum Anziehen bekäme ...
Haben Sie Lampenfieber?
Eigentlich kaum. Ich fühle mich sehr wohl auf der Bühne und vor dem Publikum.
Einmal brilliert sie als quirlig-wütende Dorabella, dann wieder als leidende Charlotte oder dann als böser Bube Farnace: Vesselina Kasarova verfügt über eine breite Palette von Ausdrucksmitteln, um stimmlich und mimisch die grossen Rollen ihres Mezzosopran-Faches auszufüllen. Bei so viel bühnenwirksamer Wandlungsfähigkeit einer Künstlerin ist man natürlich doppelt gespannt, wie sie als Privatperson erscheint.
Wir treffen uns im Opernhaus Zürich, ihrer «künstlerischen Heimat», wie sie sofort erklärt und wo sie sich nach wie vor besonders wohl fühlt. Hier hat vor zwölf Jahren in «Lucia di Lammermoor» an der Seite von Edita Gruberova ihr kometenhafter Aufstieg begonnen. Heute zählt sie zu den gesuchtesten Interpretinnen der grossen Mezzo-Rollen von Mozart, Bellini, Rossini ... Ihr grosses Differenzierungsvermögen, das unverwechselbare Stimmtimbre und ihre ungewöhnlichen Charakterdarstellungen, das sind die Markenzeichen dieser aussergewöhnlichen Sängerin.
Von einem Weltstar, dem das Publikum zu Füssen liegt, ist bei der locker in weisser Bluse und Jeans erscheinenden Vesselina Kasarova allerdings nichts zu spüren. Im Gespräch wirkt sie erfrischend offen und ernsthaft. Beruf und Privat wolle sie streng voneinander trennen, das sei für ihre Seele ganz wichtig. Ein Wunsch, der allerdings nicht immer einfach umzusetzen ist, denn als «Künstlerin muss man nicht nur lernen, sich auf der Bühne zu bewegen», sondern auch «sich privat zu präsentieren, ohne das Privatleben preiszugeben». Das Wort «Lernen» nimmt im Vokabular der bulgarischen Sängerin einen zentralen Platz ein. Immer ist sie auf der Suche nach Neuem, will sie sich weiterentwickeln, ob im Beruf oder Privat.
In diesem Punkt gibt es keine Unterscheidung mehr, sondern nur noch eins, Wahrhaftigkeit. So meint sie zur Frage nach dem häufigen Verschleiss von jungen Stimmen: «Es ist keine Sünde, wenn man als junge Sängerin Fehler macht, aber man muss daraus lernen und seine eigene Linie finden». Und nach kurzem Nachdenken fügt sie an: «Ich glaube, dass jeder Mensch spürt, wo seine Grenzen sind». Für Kasarova, die seit bald drei Jahren einen Sohn hat, heisst das, genau zu planen, um die beiden Berufungen Mutter-Sein und Sängerin unter einen Hut zu bringen. «Ich will auf beides nicht verzichten, daher muss ich balancieren und die Vorstellungen reduzieren».
Auch hier durchdringen sich laut Kasarova beide Bereiche. Die psychologische Entwicklung, die sie als Frau durch das Wunder eines neuen Lebens erfahren habe, wirke sich auf ihr Singen aus: «Als Interpretin bin ich überlegener, ruhiger und kraftvoller geworden». In der Tat sind ihre Auftritte durchglüht von hoher Musikalität und Charakterkunst. Ihre liebenswerte und offene private Ausstrahlung will da aber gar nicht zu den schwarzen Rollen wie Adriana Lecouvreur passen, die sie auf der Bühne mit grossem Erfolg verkörpert. «Böse Rollen zu spielen, das ist am Einfachsten, weil ich nicht so bin». Kasarova lacht herzlich und fügt an: «Rosina ist viel schwieriger, weil ich sie nicht so darstellen möchte, wie ich bin.»
Bei konzertanten Auftritten wie der Yellow Classic Night-Tournee wird das allerdings noch schwieriger. Das Programm ist gespickt mit gewichtigen Arien der Rosina, der Marguerite oder der Dalila, es gibt keine Szenerie. Hier ist die Sängerin näher bei sich, kann ihre Stärken wie Stimme, Farbe und Timbre ausspielen. Und genau da kommt einer ihrer Leitsprüche zum Tragen: «Individualität ist für mich ganz wichtig. Man muss immer das machen, was für einen persönlich richtig ist».
Vesselina Kasarova über Verdi und Bellini, über Emotion und Kontrolle
„Was kommt dann noch?"
Sie hat das Festival «Snow and Symphony» zusammen mit Gustav Kuhn aus der Taufe gehoben - und sie hält St. Moritz auch im vierten Jahr die Treue: Die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova ist einer der ganz wenigen wirklichen Weltstars der Oper, deren Gesang dem digitalisierten Einerlei zu trotzen und tiefe Erlebnisse zu vermitteln versteht.
M&T: Ist Ihre Stimme die gleiche wie vor einem Jahr, oder hat sie sich in eine bestimmte Richtung verändert und entwickelt?
Das Gefühl sagt mir, dass meine Stimme etwas an Wärme gewonnen hat, auch ein bisschen reifer geworden ist. Vielleicht ist sie aber auch gleich geblieben ... Jedenfalls hat meine Stimme nichts von ihrer Beweglichkeit verloren - das freut mich. Das ist mir viel wichtiger, dass meine Koloraturen nach wie vor da sind - das ist das Leben einer Stimme!
M&T: Fürchten Sie sich davor, eines Tages die Beweglichkeit, die Agilität der Koloraturen für einen Mozart oder Rossini zu verlieren?
Wenn man sorgsam mit der Stimme umgeht, ist das wohl nicht nötig. Daher habe ich auch keine Angst. Nach der Geburt eines Kindes verlieren manche Stimme diese Beweglichkeit und werden schwerer - mir ist das zum Glück nicht geschehen.
M&T: Ihr diesjähriges Programm bei «Snow and Symphony» umfasst eine ungeheure Spannweite, von Mozart bis Tschaikowsky, von Bellini bis zu Verdis Eboli ...
Genau. Da ich schon mehrmals in St. Moritz aufgetreten bin, wollte ich etwas Neues singen. Daher die Eboli - allerdings habe ich die Arie im Konzert schon gesungen.
M&T: Die unausweichliche Frage: Ist das ein erster Schritt in Richtung dramatischer Partien?
Nein, ganz bestimmt nicht. Es ist auch keine Gefahr, wenn ich das in einem so kleinen Saal und mit einem Dirigenten wie Gustav Kuhn, der Sänger wirklich liebt, machen kann. An irgendeinem Ort würde ich Eboli nicht singen!
M&T: Ganz konkret gefragt: Sind die dramatischen Attacken einer Eboli - gerade in ihrer Arie «O don fatale» - nicht eine Bedrohung für den lyrischen Kern einer Stimme?
Wenn man zu früh mit solchen Dingen beginnt, ist die Gefahr zweifellos gross. Für mich heute glaube ich das nicht mehr, denn ich kann auf eine gewisse Erfahrung bauen. Der Anfang der Arie ist ohne Orchester, da muss man schon klug und mit Technik singen, ohne zu forcieren - dann bedeutet es keine Gefahr. Und auf der Bühne werde ich Eboli die nächsten Jahre bestimmt nicht singen. Es ist wohl ein meiner Wunschpartien und kommt irgendwann sicher - aber nicht heute! Jetzt käme die Partie bestimmt zu früh. Den richtigen Moment, den richtigen Ort und die richtigen Partner für so ein Rollendebüt zu finden, ist mir sehr wichtig. Konzertant habe ich ja auch die Arien aus «Carmen» bereits gesungen. Trotzdem hat das auf der Bühne noch Zeit. Ich bin heute an einem Punkt, wo ich - mit guten Argumenten - nein sagen kann.
M&T: Wie treffen Sie Ihre Entscheidungen für oder gegen eine Partie oder ein Engagement?
Ich höre auf meine Intuition, ich beziehe mich auf meine Erfahrungen, und ich diskutiere oft zu Hause mit meinem Mann darüber. Seine offene, ehrliche Haltung bedeutet mir unglaublich viel. Ich bin ja sehr vorsichtig geworden - vor zehn Jahren war ich es noch nicht. Abgesehen davon sollte man auch nicht vergessen: Sänge ich bereits heute alles, was überhaupt möglich wäre - was kommt dann noch?
M&T: ... immer das Gleiche, allenfalls irgendwann mit einem gewissen Spannungsabfall wäre wohl das Resultat.
Natürlich. Daher will ich neue Partien ganz vorsichtig und Schritt für Schritt erkunden.
M&T: Beeinflusst die Angst davor, Mozart aus der Stimme zu verlieren, Ihre Entscheidungen?
Das mag extrem formuliert sein: Aber Mozart möchte ich nie lassen! Mozart will ich wirklich möglichst lange singen, er ist mir so unendlich wichtig. Und er ist stets ein Ausgangspunkt, egal ob man Verdi, Massenet oder was immer singt. Mozart leitet mich auch in der Phrasierung des ganzen Belcanto-Repertoires. Nicht nur, weil es mir gefällt und weil es schön ist - ich schütze und pflege so auch meine Stimme.
M&T: Was reizt Sie an Verdi?
Verdi ist genauso farbenreich wie andere Komponisten, auch wenn viele Sängerinnen und Sänger bei Verdi nur an etwas Dramatisches, Voluminöses denken - fast wie bei Wagner. Verdi kann jedoch sehr lyrisch, ja kammermusikalisch sein. Ein Blick in die Partituren zeigt, dass Verdi seine Gesangspartien vom ppp bis zum fff notierte, heute hört man das aber meist auf einem Mittelwert zwischen mf und f eingependelt, dazu noch in derselben Farbe. Auf alten Aufnahmen spürt man den Farbenreichtum von Verdis Musik weit mehr als heute, wo alles schärfer und und dynamisch gleichförmiger gespielt und gesungen wird. Das betrifft zwar alle Komponisten - aber Verdi im besonderen.
M&T: Was macht den besonderen Klang von Verdis Musik aus?
Verdi erfordert nicht nur Dramatik, sondern genauso eine gewisse Wärme. Gustav Kuhn zum Beispiel ist ein sehr intelligenter Musiker, der das versteht und so dirigiert; viele denken jedoch nicht daran. Man fragt mich oft auch nach Sopranpartien - aber ich habe konsequent abgelehnt. Wahrscheinlich könnte ich die eine oder andere Partie singen - aber wozu? Um zu beweisen, wozu ich technisch fähig wäre? Das Repertoire für einen Mezzosopran ist genügend gross und reich! Ich bin froh, ein Mezzosopran zu sein! Von all den Hosenrollen bis zu Charlotte und so weiter - was will ich mehr?
M&T: Mezzo-Partien sind oft die interessanteren Figuren ...
... richtig. Und ein Mezzosopran kann sich besser schützen. Als Sopranistin wird man viel früher in bestimmte Partien hineingedrängt, zu gewissen Risiken beinahe genötigt.
M&T: Sie singen derzeit am Opernhaus Zürich Rosina aus dem «Barbiere», gleichzeitig in diesem Konzert in St. Moritz Eboli oder Johanna aus Tschaikowskys «Jeanne d'Arc». Wie kann man da so schnell umstellen?
Wenn man es versteht, die richtigen Stimmfarben einzusetzen. Der Charakter einer Stimme definiert sich über ihre Farben. Damit meine ich, dass Dramatik und Lyrik beide nach bestimmten Farben, nach einer feinen Differenzierung verlangen. Dramatik resultiert nicht bloss aus einer hochgepeitschten Dynamik. Heute denke ich daran, wenn ich singe. Ansonsten könnte ich auch keine Giovanna Seymour singen. Es ist mir sehr wichtig, dass ich nicht an das Limit meiner Stimme denken muss. Sondern an die Gefühle einer Figur, die ich verkörpere - und diese Gefühle bringen dann die Farben einer Stimme.
M&T: ... eine innere Dramatik sozusagen?
Richtig. Ich muss eine Partie fühlen - aber ich muss nicht schreien. Wenn Sie zum Beispiel Edita Gruberova beobachten, dann wissen Sie, was ich meine. Von solchen Persönlichkeiten kann man lernen - und es gibt nur ganz wenige davon! Wir haben nur zwei Muskeln, die vibrieren, das ist alles - die Stimme ist ein sehr feines und auch verletzliches Instrument. Vergisst man das, kommt bestimmt irgendwann die Krise, egal wie gross die Stimme ist.
M&T: Was bedeutet Ihnen die Musik Bellinis, dessen 200. Geburtstag auch in diesem Jahr z feiern ist?
Bellini ist für mich der anforderungsreichste Komponist, den es überhaupt gibt. Und das Schwierigste, was ich bisher gesungen habe.
M&T: Tatsächlich ...?
Ja, ganz klar. Seine Partien erfordern eine noch genauere Kontrolle der Stimme als üblicherweise. Romeo zum Beispiel hat am Ende der Oper, wenn er die tote Giulietta sieht, eine kurze Arie - die ist unwahrscheinlich schwierig zu singen. Es gibt etwas, was mich sehr berührt bei Bellini. Und genau das muss ich stets kontrollieren, denn bei zu viel Emotion verliert man unweigerlich die Kontrolle. Und das darf es nicht sein - bei Bellini schon gar nicht.
Vesselina Kasarova singt im Galakonzert III am 25. März 2001, 21.00 Uhr, im Hotel Kulm. Werke von Verdi («Don Carlo»), Tschaikowsky («Jeanne d'Arc»), Mozart («La clemenza di Tito») und Bellini («I Capuleti e i Montecchi»). Gustav Kuhn leitet das Orchestra Filarmonica Marchigiana.
The eyes have it ...
The Bulgarian mezzo Vesselina Kasarova has emerged as one of the most fascinating singers of our time, a supremely theatrical creature with a rich and intensely coloured voice. Antony Peattie meets one of our Artists of the Year 2000.
Vesselina Kasarova as Sesto in La clemenza di Tito at Covent Garden gave a performance so intense, so moving and so theatrical that it leapt out of the self-indulgent, design-led production. When BMG launched her new recording of Lieder with a reception, I was not the only hard-bitten music journo who expected to meet a pantherine diva. Instead, here was an intensely focused individual with big eyes and small hair. She spoke quietly, with a surprisingly high, slightly girlish voice. Though she wore no wig on stage as Sesto, she was hard to recognise. I mentioned this to her, and she laughed. ‘That's a compliment. Some years ago, my mother told me, "When I see you on stage, I don't believe that it's you". On stage I want to go a long way away from what I am. On stage I want to say exactly what I mean, and be what I'd like to be.' She added wistfully. ‘There, I don't ask questions, as I do in life, when I worry about things. There, on stage, I'm much more at home.'
Kasarova's career outside her native Bulgaria began when she joined Zurich's operatic ensemble in 1989. Two years later, she joined the Staatsoper in Vienna. A major breakthrough came when she stepped in for the indisposed Marilyn Horne in a concert performance of Tancredi in Salzburg. Since then she has become a regular fixture on the schedules of opera houses in Munich, New York, Chicago, San Francisco and so on. Zurich is where Vesselina Kasarova has made her home. Now married to a Swiss macroeconomist, she generally sings in one new production there each year. This year she sang Giovanna in Donizetti's Anna Bolena. It's not exactly a starring role, but then starring is not her major priority. The great incentive, she told me the next morning, was the prospect of working with Edita Gruberova again. I had been very struck by seeing them perform together, playing rivals for the love of Enrico (Henry VIII). They seemed to embody such contrary styles, even philosophies of performance.
Anna Bolena is rarely performed nowadays, and Gian Carlo del Monaco's sabotage production did it no favours. At the beginning of the opera, the Queen (Anne Boleyn) has no idea that her husband Enrico (King Henry VIII) has fallen in love with her favourite lady-in-waiting Giovanna (Jane Seymour), and she with him. The revelation of their treachery comes in Act II. This production was set loosely in the 1950s. From the beginning of Act I, all the other ladies of the court wore tasteful shades of ecru, beige, cream, while Giovanna posed and pranced in scarlet, from head to toe, twirling a matching parasol ... Bang went the drama.
The production threw up remarkably disparate styles of acting and singing in the leading female roles. Edita Gruberova as Anna sang brilliantly, but she seemed wholly disengaged. She wore a tailored costume that changed colour for each scene, and trailed an mordinately long, dyed-to-match, feather boa. When it came to her mad scene in prison, Gruberova executed the dizzying, upwardly spiralling vocal line with sovereign ease but, as the Germans say, she sang 'konzertant'. Some hearers intuited that this time Ms Gruberova plumbed the depths of her role. But it was not simply a question of a light voice: here was pure vocalism, flavoured, seed-free, white vanilla, as moving as ... ice-skating. Madness, or any real emotion, had to be intuited from a notable costume change: in prison, 'in abito negletto', Anna Bolena carried no boa ... It made me wish I had heard her Zerbinetta in London, which famously stopped the show.
Kasarova as Giovanna Seymour, on the other hand, gave as full-blooded a vocal and theatrical performance as the ludicrous frocks allowed her. The contrast between their performances could not have been more marked and the Bulgarian mezzo-soprano has absolutely no wish to invade the Czech soprano's territory. Furthermore Kasarova is a great admirer and friend of Gruberova.
Their partnership began in 1989, when Gruberova sang the title role in Lucia di Lammermoor in Zurich and the newly engaged Kasarova sang the small role of her confidente Alisa. ‘I had never heard singing like that', Kasarova told Marianne Zelger-Vogt in the Neue Zürcher Zeitung, ‘it was phenomenal, and yet it sounded so easy. That was art of the highest kind, not just the production of notes'. Gruberova herself remembered the encounter very clearly: ‘First of all, Vesselina could really be heard. But above all she didn't treat Alisa as a marginal role; she was wholly present in it.' They met again in Vienna in 1992, when Gruberova sang the title role in concert performances of Bellini's Beatrice di Tenda and in 1995, in Munich, where they appeared together in Jonathan Miller's production of Anna Bolena. ‘Ever since I sang my first Lucia in 1978, ' Gruberova reflected, ‘I have been hoping for a tenor with whom I could develop a long-term artistic partnership, like Sutherland with Pavarotti. Sadly, I've never found that tenor, but I have found Kasarova. She is like a mirror, in that she takes up every expressive nuance, every dynamic accent and gives them back to me. Even when she isn't singing, just looking - but the way that she looks - she is wholly there with her feelings. When I sing Anna Bolena with another partner, I feel there are brakes on my performance, it cramps my style.' Kasarova returns the compliment: ‘In Edita's singing I sense an enormous intensity of feeling, an inner tension. I still continue to learn from her.'
At school in her native Stara Zagora, Kasarova studied to become a concert pianist, before moving to Sofia to study singing. She still uses her training as a pianist: ‘I always ask myself, how would I play that? That helps enormously with the phrasing. I was always interested in voices, from working as an accompanist and was fascinated by this instrument. To make it work, one needs enormous personality. The voice alone is the least thing one has, it's almost nothing. That's why it's hard to make a recording interesting: the eyes are so important. My teacher told me, you have a voice, but you must work on it. I had a top and a bottom, but less in the middle. I worked hard - Rossini helped a lot and I studied five days a week for five years, with only July and August off. After the third year, I understood the process involved, how to use my voice, what I should do with it. But that was under communism,' she reflects, with characeristic deliberation. ‘For sport and for music, it was a positive time. From what I've seen here [in the West], how can one learn to sing? Here, you must have money to pay even for lessons two or three times a month. That's no way to learn. Talent must be supported, because young people often have no money, and good teaching costs a lot.'
I asked about her formidable vocal technique. ‘I have the feeling that my whole body is involved in singing and that I draw strength from the earth. As I sing, I control the amount of breath I release very economically. I have the impression that I still have more strength left. It's like driving: some use the clutch badly after 20 years. Performing is like Formula One driving: you can't say, excuse me, I can do better - can I do it again? I often remember that you only have one chance. Every second is important. I can drive well with my voice.'
Kasarova is equally clear-sighted about her career. ‘My first manager told me that I had no chance to make a major career with Mozart; he wanted me to sing dramatic roles, Tchaikovsky's Joan of Arc and Verdi's Eboli. I refused; I told him I was happy to stay in the Zurich ensemble. The problem with such roles is not when you sing them once or twice, but that once you do, everybody wants you to sing them. I also limit myself altogether to 50 evenings a year. I must rest and live well in order to sing well.'
Kasarova's art is inherently dramatic: she disposes of an unusually wide range of vocal colours and uses them unabashedly. As Charlotte in Werther, for example, her voice traces every step on the way from demure innocence to knowledge, using timbre to chart the growth of a soul. She sounds as convincing celebrating feminine guile as Isabella in L'italiana in Algeri as she is ballsily filling heroic trouser roles, like Tancredi or even Otello - she sings an extract from the version rewritten for Maria Malibran on CD and manages to make it plausible. In Lieder, she is unafraid to colour the line with a wealth of detail, and draw out every nuance of meaning within a single song.
Her voice is naturally dark. In fact she can do 'dunkel' like no one else, as her Brahms reveals on her CD of Lieder. This does not inhibit her in comedy, but it contributes towards a three-dimensional quality. Singing 'Smaie implacabile' on a Mozart recital CD, for example, she brings out not merely Dorabella's hysteria, but the emotional weight of her overreaction.
For the moment, her career will take her to New York (for Oktavian at the Met, between 16 November and 9 December) and to Chicago for Rosina in Il barbiere di Siviglia, from 24 January to 24 February. She'll sing Sesto at the Palais Garnier between 30 May and 20 June. But one of the engagements which looks most interesting is her return to Covent Garden in 2003 to sing the title role in Rossini's Cenerentola.
Der Ritt auf dem Atem
Violeta Urmana und Vesselina Kasarova waren die herausragenden Sängerinnen der Festspielzeit
Sangeskunst ist ein altmodisches Wort. Eines, das man nicht gern in den Mund nimmt, weil es so staksig klingt - und irgendwie viel zu schön. Wer dächte da nicht an edle frouwen und schmachtende Barden, an Junker Beckmessers kreischende Schiefertafel, an das Knistern und Knirschen historischer Aufnahmen und überhaupt: dass früher alles menschlicher war, der Kunst des Singens gewogener. Die Callas - über die Ingeborg Bachmann 1960 schrieb, sie sei „das letzte Märchen" - war einzigartig und in ihrer stimmlichen Exzentrik ein Phänomen. Aber ihre Konkurrentinnen, die Tebaldi, die Scotto und Freni, sangen kaum schlechter. Sollten ausgerechnet jene fünfziger und sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, in denen sich Europa die letzte Asche des Krieges aus den Kleidern schüttelte und wirtschaftswunderlich erstarkte, auf der Bühne derart offen und im besten Sinne bedürftig gewesen sein, dass sich die unterschiedlichen Temperamente nicht nur duldeten, sondern förmlich anzogen? Und beklagen wir, wenn wir die Sängerstars des diesjährigen Festspielsommers Revue passieren lassen, nicht insgeheim immer nur das Eine: nämlich das eklatante Fehlen solchen Hungers, solcher Gier, solcher erotischen Fährnisse? Persönlichkeit kommt nun einmal nicht von Publicity.
Umso härter trifft es einen, wenn sich das Ausserordentliche doch ereignet. Die Sangeskunst - sie lebt allen Unkenrufen zum Trotz. Man muss die alten Tugenden nur zu erkennen und zu schätzen wissen. Wenn Violeta Urmana, die aktuelle Kundry in Bayreuth, ein einziges „Parsifal" singt (mit jenen verschiedentlich abschattierten a, die den ganzen Himmel und die ganze Hölle bedeuten), wenn sie den Fluch, welcher jenes wunderbar weltdämonische Weib „endlos durch das Dasein quält", gleichsam nur spricht, ja tonlos aus sich herausbröckeln lässt und das berüchtigte Lachen, die Verhöhnung Christi am Kreuz, als Spitzenton zwischen gellender Verzweiflung und seligstem Sangesglück ansiedelt, dann rinnt es einem gespenstig über den Rücken. Dann macht das die bleierne Pein von Wolfgang Wagners Inszenierung im Nu vergessen. Urmana beherrscht, was selten geworden ist und als Visitenkarte der grossen Belcantistin galt, die perfekte Balance zwischen Intensität und Distanz, zwischen Ausdruck und Kontrolle.
Denn alle schwelgerische Schönheit, sagt die Lehre, will zunächst von einer makellosen Technik getragen sein: Ein perfektes Legato gehört ebenso dazu wie das „Reiten" des Sängers auf dem Atem und jene imaginäre Glocke über dem Ton, die von Transzendenz kündet und davon, dass die Kunst letztlich nur Zeugnis gibt von einem Anderen, das immer das Eigene ist, von der „realen Gegenwart" des Göttlichen in dieser Welt - um mit George Steiner zu sprechen.
Violeta Urmana, die darstellerisch seltsam befangen und linkisch-naiv wirken kann, hat zunächst in ihrer litauischen Heimat studiert, dann bei Josef Loibl in München. Die grosse Karriere gelang ihr in einem schier halsbrecherischen Tempo: 1993 noch in St. Gallen, zwei Jahre später bereits Mailand, Paris, Wien, Berlin, Bayreuth: erst Rosina, dann Eboli, Azucena, Fricka. Ihre ersten Schritte in Richtung Isolde unternahm sie vor anderthalb Jahren an der Hand von Nikolaus Harnoncourt. Dass sie stimmlich bei so viel Rasanz keinen Schaden genommen hat und bislang weder physisch noch mental über ihre Kräfte wirtschaftet, dafür bürgte ihr Auftreten im neuen Bayreuther Ring: Niemals forcierend, ihr nahtloses Einheitsregister seelenruhig auskostend, präsentierte sie die Waltrauten-Erzählung im ersten Akt der Götterdämmerung als sängerischen Karfunkelstein der Tetralogie: „Höre mit Sinn, was ich sage" - und Erich Wonders artiges Gletscherglühen im Bühnenhintergrund sank stehenden Auges in Vergessenheit. Ein Mezzotimbre, das die Jahrhunderte „durchhörbar" macht; und eine Frau, eine Persönlichkeit, die, fast altmodisch, nur zu gern hinter ihrer Kunst verschwindet.
Solche Bescheidenheit wird Vesselina Kasarova, der Mozart-Spezialistin und Urmanas Schwester im Geiste, längst nicht mehr zugebilligt. Zwar spricht sie - Bulgarin, Osteuropäerin, die sie ist - bis heute mit einem elfenhaften Sprechstimmchen, das Schüchternheit verheisst. Gleichwohl kennt man die Begehrlichkeiten ihrer Plattenfirma, ihr, die in jedem Bühnenkostüm eine fabelhafte Figur macht, eine modisch magazintaugliche PR zu verpassen. Dass sie solchen Imagekampagnen skeptisch gegenübersteht, tröstet - und lässt hoffen, dass die Sangeskunst letzlich doch nicht so leicht korrumpierbar ist.
Vesselina Kasarova und Violeta Urmana sind die beiden herausragenden Sängerinnen des Festspielsommers mit Künstlerinnenprofilen, die kaum gegensätzlicher sein könnten. Während Violeta Urmana sich einen Mantel aus ängstlich grossartiger Objektivität hüllt und ihre Stimme strömen lässt, sucht Vesselina Kasarova mit weit ausspreizenden, gewissermassen exaltierten Gesten, mit jugendlich orgelndem Brustregister und gertenschlanker, fast keuscher Höhe nach Grenzüberschreitung, nach einer Heimat in dieser (Bühnen-)Welt, in der nichts ist, wie es scheint, und die Täuschung stets obsiegt. Bei den Salzburger Festspielen hat sie den Idamante in Mozarts Idomeneo gesungen und die Dorabella in der Così fan tutte-Inszenierung von Hans Neuenfels. Und es ist, als müsse sie sich darin sängerisch immer wieder zur Räson bringen, als weiche sie vor der Ausdruckstiefe und den brodelnden Farben ihres Mezzos mitunter erschrocken zurück. Die kopfige Tonlosigkeit etwa, die Trance, in der sie das Rezitativ „Ah, scostati!" vor der grossen Dorabella-Arie im ersten Akt beschliesst, ihr verzücktes Nachlauschen von Phrase zu Phrase, die Schieflage des Kopfes dabei, als überprüfe sie das Echo, den ganzen Widerhall der Wut und des Schmerzes - wen gemahnt diese Mischung aus Seinsvergessenheit und Virtuosität nicht an die alten Tugenden? An ein schönes, lichtes, im wahrsten Wortsinn resonantes und also menschliches, tragisches Singen?
Die Callas, schreibt Ingeborg Bachmann in ihrer Fragment gebliebenen Hommage, sei „die einzige Person, die rechtmässig die Bühne in diesen Jahrzehnten betreten hat", - „der Hebel, der eine Welt umgedreht hat, hin zu dem Hörenden". Fast ein halbes Jahrhundert ist darüber vergangen. Ein Vergleich zu Vesselina Kasarova und Violeta Urmana mag hoch gegriffen sein, aber wer die beiden hört, weiss, dass Sangeskunst ein sehr gegenwärtiges Wort sein kann.
Gut singen, gut spielen, gut aussehen
Vesselina Kasarova, die fleissigste Mozart-Sängerin in Salzburg, über alte Opern, moderne Regisseure und die Anforderungen an einen Sänger.
„Mozart ist der einzige Komponist, den man immer modern inszenieren kann", sagt die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova. „Er ist mein Lieblingskomponist. Er passt so gut in unsere Zeit, dass junge Leute sogar dazu tanzen können. Manchmal habe ich das Gefühl, die Musik wurde heute komponiert."
Wie gut, dass es die Salzburger Festspiele gibt. Da kann Kasarova heuer ihre Leidenschaft für Mozart voll ausleben. Sie war bereits die Dorabella in „Così fan tutte". Und sie wird der Idamante in der seltener gespielten Mozart-Oper „Idomeneo" sein, die am Mittwoch im Kleinen Festspielhaus Premiere hat.
Jerry Hadley singt die Titelrolle - den König von Kreta, der laut Versprechen an Poseidon seinen Sohn Idamante opfern soll. Ursel und Karl-Ernst Herrmann inszenieren, womit Kasarova wieder mit persönlichen Favoriten konfrontiert ist.
„Sie sind meine Lieblingsregisseure", sagt sie und dass die beiden viel Wert auf schauspielerische Aspekte legten. „Heute ist es viel schwieriger als früher, Sänger zu sein. Heute muss man gut aussehen, gut spielen können, gut singen, sich viel bewegen, flexibel und intuitiv sein."
Der Salzburger „Idomeneo" hätte ursprünglich bei den Pfingstfestspielen/Barock Premiere haben sollen, wurde aber aus finanziellen Gründen gestrichen. So kam es zu einer Koproduktion mit Baden-Baden, das auch das Recht der ersten Opernnacht hatte. Kasarova: „Ich habe damals schon alles geprobt, konnte aber in Baden-Baden aus gesundheitlichen Gründen nicht singen." Sie musste sich einer Mandeloperation unterziehen.
Dass sie wieder bestens bei Stimme ist, konnte man bei „Così fan tutte" hören. Sie bekam gute Kritiken, während die Regie von Hans Neuenfels umstritten war. Sie sagt jedoch: „Für mich war die Arbeit mit Neuenfels positiv. Er liebt die Sänger und arbeitet sehr chreografisch."
Sie halte nichts von öffentlich ausgetragenen Konflikten. „Ich mische mich bei den Proben schon ein, wenn irgendetwas seltsam ist. Aber es kommt immer darauf an, wie man etwas sagt. Wir wissen heute längst, wir kommen ohne die Regisseure ebenso wenig aus wie sie ohne uns."
Krächzen beginnt im Kopf.
Kasarovas musikalische Laufbahn begann als Pianistin. „Ich habe sehr oft Mozart gespielt. Er hat genau das komponiert, was wir fühlen. Bei vielen anderen ist Tragik automatisch forte. Bei ihm ist alles intimer." Und sie begleitete regelmässig Sänger. „Singen hat mich immer fasziniert. Es ist das Schwierigste überhaupt. Es spielt sich so viel im Kopf ab. Denken Sie nur, wenn Sie ein privates Problem haben. Sie verlieren sofort die Stimme und beginnen zu krächzen."
Kasarova debütierte in Sofia als Sängerin, wurde in Zürich engagiert, ehe ihr Ioan Holender eine Chance an der Wiener Staatsoper gab, wo sie 1991 die Rosina sang. Seither spielt sie auch eine zentrale Rolle bei den Salzburger Festspielen, wo sie 2003 unter Peter Ruzicka in einer Neuinszenierung von „La Clemenza di Tito" den Sesto singen wird. „Ich habe fast überall gesungen, aber ich fühle mich in Salzburg besonders wohl. Ich sage das nicht aus politischen Überlegungen, sondern aus voller Überzeugung."
Zur Person
Vesselina Kasarova, 35, wurde in Stara Zagora/Bulgarien geboren. Sie wollte ursprünglich Pianistin werden, gab auch zahlreiche Konzerte, sattelte aber nach zwölfjährigem Klavierstudium um. Sie sang zwei Jahre in Zürich und debütiert 1991 an der Wiener Staatsoper als Rosina in Rossinis „Der Barbier von Sevilla". Im selben Jahr sang sie bei den Salzburger Festspielen in Mozarts „La Clemenza di Tito" - der Start für eine Weltkarriere, die sie an die bedeutendsten Häuser führte. Bei den Festspielen 2000 ist die Mutter eines 18 Monate alten Sohnes die Mozart-Königin. Sie sang die Dorabella in „Così fan tutte" und ab Mittwoch den Idamante in „Idomeneo". Michael Gielen dirigiert die Camerata Academica Salzburg im Kleinen Festspielhaus, die Regie stammt von Ursel und Karl-Ernst Herrmann, der auch für das Bühnenbild und Kostüme verantwortlich ist. „Idomeneo", die Geschichte des König von Kreta, der seinen Sohn opfern muss, am Ende aber dem Thron entsagt und Idamante zum Herrscher macht, ist Teil des Troja-Schwerpunktes 2000.
Prominenten Promenade
Nach 18 Opern-Vorführungen kam die Magie der Liebe
Ein Fest für „Vessi": Nach der dritten von sechs „Così fan tutte"-Vorstellungen (die nächsten folgen am 10., 14. und 17. August) luden BMG Classics und Music Media zu einem Empfang für Mezzosopranistin Vesselina Kasarova ins Schloss Klessheim. „Vessi" war mit ihrem Schweizer Ehemann Roger Kaufmann gekommen. Der Herr Gemahl, mit 34 ein Jahr jünger als seine Frau, legt Wert darauf, nicht als Manager bezeichnet zu werden: „Ich bin nur der Sekretär. ‚Vessi' ist bei Manager Germinal Hilbert sicher in besseren Händen. Er ist unter den Managern, die ich kenne, der Einzige, der wirklich etwas von Stimmen versteht und hat grossen Anteil daran, dass sie sich als Osteuropäerin, die man üblicherweise ja mehr ins Dramatische einordnet, im lyrischen Fach bei Mozart und Rossini durchsetzen konnte."
Volkswirtschaftsstudent Roger Kaufmann hatte die Bulgarin kennen gelernt, als sie in Zürich sang. Dass er sich wegen ihr 16 „Eugen Onegin"-Vorstellungen anschaute, dementiert er: „Es waren 18!" Entflammt ist er aber für sie nicht während einer Oper, sondern bei einem Konzert, das sie mit Simon Estes am 4. Jänner 1991 bestritt: „Ich wollte erst gar nicht hingehen, dann sah ich sie auf dem Plakat und wusste: Ich muss hin! Der Rest war wie Macht des Schicksals, Magie, Voodoo: Zufällig lernte ich einen Menschen kennen, der mich näher zu ihr führte."
Geheiratet wurde in Wien. „Das war," erzählt die Kasarova, „gar nicht so einfach, weil wir beide Ausländer sind. Ich wollte, ganz traditionell, auch Kaufmann heissen, doch das war nicht möglich. So behielten wir beide unsere Namen. Mein Mann ist auch mein bester Freund, weil er mir immer die Wahrheit sagt. Erfolg, heisst es, macht Menschen manchmal ‚ungesund', aber ich glaube, ich habe mich in diesem Sinne nicht verändert. Der Erfolg hat mich höchstens nachdenklicher und unsicherer gemacht, weil ich mir alles x-mal überlege."
Das Paar hat einen Sohn namens Yves Lucien, der am 16. November 1998 zur Welt kam und natürlich mit in Salzburg ist: „Er ist das Schönste, was ich bisher im Leben hatte. Heute passen meine Eltern auf ihn auf. Wir haben uns ein hübsches Haus am Nonnberg gemietet. Ob er musikalisch ist, kann ich noch nicht einschätzen, aber immerhin hat er bereits mit sechs Monaten begonnen, auf das Klavier zu hauen. An ein zweites Baby denke ich nicht. Für ein Kind sollte man Zeit haben, und Zeit wird in meinem Beruf zum Problem. Daher: Lieber die ganze Freizeit für das eine Kind. Aber wie hat's schon bei James Bond geheissen? Sag niemals nie!"
Die nächste Aufgabe, auf die sich Vesselina Kasarova derzeit vorbereitet, ist „Der Rosenkavalier" im November an der Met mit Cheryl Studer als Marschallin: „Weil ich so grossen Respekt vor dieser Musik habe, hab' ich lange gewartet und erst zugesagt, als ich mich für reif genug hielt, den ‚Rosenkavalier' zu singen." Nach Salzburg wird sie auch in den nächsten Jahren wieder kommen: 2001 für die Wiederaufnahme von „Così fan tutte", 2002 für zwei Konzerte und einen Liederabend, 2003 für eine Neuinszenierung von „La clemenza di Tito" unter Harnoncourt. Den liebt sie besonders: „Er ist aussergewöhnlich, eine grosse Persönlichkeit, und er liebt die Sänger, baut nicht, wie manche seiner Kollegen, eine Mauer um sich auf."
Seit einigen Tagen hat „Vessi" auch eine eigene Website: www.kasarova.com
Das Privileg ein Mezzo zu sein
Salzburg konnte den zurückhaltenden Star gleich für zwei Neuproduktionen gewinnen. Doch trotz triumphaler Erfolge ist Vesselina Kasarova auf dem Boden geblieben. Stefan Mauss traf sie in Zürich.
Wenn wir heute hier zusammen in Zürich sitzen, wo Ihre Karriere vor elf Jahren auch ihren Anfang genommen hat, welche Gedanken gingen Ihnen damals, welche gehen Ihnen heute durch den Kopf?
Ich bin als Künstlerin inzwischen bestimmt sicherer geworden, aber mein Respekt vor dem Haus in Zürich ist der gleiche geblieben. Und was mir spontan einfällt: Ich habe hier enorm viel gelernt in dieser Zeit, habe mit grossen Künstlern zusammengearbeitet und konnte so langsam meine Persönlichkeit als Sängerin entwickeln. Ich habe mir hier die Freiheit erarbeitet, auf der Bühne zu zeigen, was ich denke, denn Singen ist für mich Kommunikation, und ich habe hier gelernt, individuell zu sein.
Ihre Karriere entwickelte sich auch für den schnelllebigen Opernbetrieb sehr rasch. Gleich nach dem Examen erhielten Sie den Zürcher Vertrag, dann einen an der Wiener Staatsoper, gewannen den Bertelsmann-Wettbewerb und wurden zu den Salzburger Festspielen eingeladen. Hat Ihnen selbst diese Geschwindigkeit auch ein wenig Angst gemacht?
Schnelligkeit ist relativ. Es ist wichtig, wie man mit Sachen umgehen kann. Bei einer unsicheren Psyche kann Erfolg auch unsicher machen. Als kritischer Künstler stellt man sich natürlich viele Fragen. Und gute Künstler sind sehr kritisch, und deswegen sind sie auch so gut. Sie hinterfragen ständig ihre Leistungen und arbeiten immer weiter daran.
Es ist die eine Sache, wenn man etwas schnell, aber richtig macht, und die andere, wenn mann etwas schnell, aber unvorbereitet tut. Es war auch wichtig, dass ich mit 18 Jahren mit dem Singen begonnen habe. Als ich dann fünf Jahre später auf der Bühne stand, hatte sich schon einiges gefestigt. Ich sehe diese schnelle Karriere eher positiv für mich selbst. Und ich würde sie auch nur deshalb als „schnell" bezeichnen, weil ich nicht den typischn Weg über das slawische Repertoire gegangen bin, da ich Rossini und Mozart singen wollte. Deren Musik lag mir näher, und ich hatte sie schon als Pianistin gern gespielt. Und es ist wirklich nicht einfach, sich als Bulgarin mit Mozart und Rossini durchzusetzen. Es gibt leider auch in der Musik so etwas wie „Rassismus". Dieses „Schubladendenken" ist ein Phänomen unserer Zeit, auch was die Rollenauswahl angeht. Früher war es nichts Besonderes, wenn eine Sängerin an einem Abend den Cherubino und am nächsten die Eboli sang. Und die Künstler waren nicht schlechter als die heutigen - aber auch nicht besser. Man darf das nicht übermässig verklären.
Es gibt einen weiteren sehr interessanten und ungewöhnlichen Aspekt in Ihrem Karriereverlauf. Nach einer Ausbildung zur Konzertpianistin entschlossen Sie sich, das Klavier an den Nagel zu hängen und eine Gesangskarriere zu machen. Gab es da ein Schlüsselerlebnis?
Es war die Zusammenarbeit als Pianistin mit den Sängern, die mich neugierig machte. Ich wollte wissen, wie dieser Prozess „Singen" eigentlich funktioniert. Und ich habe mich als Instrumentalistin mitunter gewundert, warum die Töne bei den Sängern teils zu tief, teils zu hoch kamen, warum die Intonation nicht immer korrekt war. Erst als ich selbst zu singen anfing, merkte ich, dass das alles nicht so leicht ist. Ich wollte das erst nur als Hobby lernen, aber daraus entwickelte sich bald etwas Ernsteres, zumal ich merkte, dass es nichts Schwierigeres als das „Instrument Stimme" gibt. Das kann man nicht anfassen, das kann man nicht sehen, das ist man einfach selbst. Man kann so viele Unwägbarkeiten dabei nicht kontrollieren. Zum Beispiel das Verhalten auf der Bühne. Es gibt Sänger, die können mit dem Lehrer im Probezimmer wunderbar singen, aber wenn sie dann auf der Bühne stehen, können sie nicht einmal fünfzig Prozent dieser Leistung bringen. Es gibt auch Künstler, die brauchen ständig Unterstützung und Aufmunterung und können keinen Schritt allein machen. Auf der Bühne ist man eben ganz auf sich allein gestellt und kann darauf nicht bauen. Man braucht ein gewisses Selbstbewusstsein und die Freude, dem Publikum etwas erzählen zu wollen. Die Bühne ist wie eine Arena: jetzt oder nie! Man hat zudem die Freiheit, etwas machen zu können, was im wirklichen Leben nicht geht.
Für Sie ist die Bühnenatmosphäre also eine Chance und keine Bedrohung?
Ja, ich habe natürlich auch etwas Lampenfieber, aber die Lust aufs Kommunizieren ist weitaus grösser.
Auch Herbert von Karajan wurde auf Sie aufmerksam und sie sangen ihm das „Agnus Dei" aus Bachs »h-Moll-Messe« vor, die er mit Ihnen aufführen wollte. Sein Tod verhinderte dieses Projekt und so haben Sie nur mit ihm geprobt. Wie sind die Erinnerungen einer jungen Sängerin an einen grossen Dirigenten, der mitunter auch als „Stimmen-Killer" verschrien war? Hat er Ihnen auch Rollen angeboten, die Ihnen hätten gefährlich werden können?
Nein, er war schon sehr krank und wir haben nur an der »h-Moll-Messe« gearbeitet. Aber jeder grosse Dirigent hat einen gewissen Egoismus, das ist aber meist ein gesunder Egoismus. Dirigenten wollen Sensationen und brauchen dazu gute Sänger. Das Problem ist natürlich, wenn beispielsweise eine junge Sopranistin »Aida« oder »Ballo« singt und dazu noch mehr als etwa fünfzig Vorstellungen im Jahr mit solchen Partien bestreitet. Dann kann sich die Stimme nicht mehr richtig erholen. Nicht ein einmaliger Ausflug ist schädlich, sondern die regelmässige Fehlbelastung. Mann muss eben auch Nein sagen können. Man hat natürlich die Angst: „Fragt er dann wieder an?" Er ruft wieder an, aber nicht, wenn mit der Stimme etwas passiert ist. Es ist ja anders als bei anderen Instrumenten, man kann leider nicht in ein Geschäft gehen und sich eine neue Stimme kaufen.
Wo wir gerade bei dem Thema Dirigenten sind: Welche anderen Maestri haben Sie gefördert und weitergebracht?
Zum Beispiel Sir Colin Davis. Er ist ein grosser Gentleman, der enorm viel weiss, das aber die jüngeren Musiker nicht überheblich spüren lässt. Er geht mit einer grossen Liebe an eine Produktion heran und sagt mit wenigen Worten mehr als diejenigen, die viel sprechen, aber am Ende wenig bewirken. Das ist bei Regisseuren eigentlich ähnlich. Nikolaus Harnoncourt war als Dirigent auch sehr wichtig für mich. Er macht immer etwas Aussergewöhnliches. Und ob es nun etwa um Veränderungen im Tempo oder in der Artikulation geht, er weiss es immer logisch zu begründen, und das ist enorm wichtig.
Auch bei den Regisseuren haben Sie schnell mit der Elite zusammenarbeiten können. Darunter war bei der Salzburger »Don Giovanni«-Produktion, in der Sie Zerlina sangen, auch Patrice Chéreau. Nach seinem Bayreuther „Jahrhundert-Ring" von 1976 umgibt ihn eine legendäre Aura wie wohl keinen anderen Regisseur im Musiktheaterbereich. Haben Sie auch in der Zusammenarbeit mit ihm Unterschiede zur Vorgehensweise seiner Kollegen gespürt?
Chéreau ist ein ganz spezieller Mensch! Das Schwierige bei ihm ist, dass er verlangt, dass die Sänger bereits seine Gedanken ahnen, bevor er sie ausgesprochen hat. Er ist ein Genie, er war immer unzufrieden mit seiner Arbeit. Er ist ausgesprochen selbstkritisch, akribisch genau vorbereitet und probiert exzessiv. Wenn er morgens auf die Probe kam, hatte ich immer das Gefühl, dass er die Nacht davor aus lauter Gedanken darüber überhaupt nicht geschlafen hatte. Diese Symbiose aus Tanz und Gestik, die gleichzeitig leicht und natürlich wirken sollte, war im »Don Giovanni« faszinierend, aber sehr schwer umzusetzen.
Haben Sie schon einmal eine Produktion abgesagt, weil Ihnen das Regiekonzept unschlüssig schien?
Nein, aber ich habe auch bei den Regisseuren ein Phänomen beobachtet, dass man sonst immer nur den Sängern nachsagt. Wenn ein Regisseur eine gute Produktion gemacht hat, wird er verstärkt nachgefragt, und er macht zu viel, ohne das Niveau halten zu können, weil auch er einfach nicht genug Zeit für die Vorbereitung hat. Gute Sachen brauchen nun einmal Zeit. Meine Obergrenze sind etwa fünfzig Vorstellungen im Jahr, das versuche ich nun seit drei oder vier Jahren auch einzuhalten.
Bis jetzt haben Sie sich in der Rollenauswahl immer sehr vorsichtig verhalten, wenn es um die für das Publikum ganz besonders spektakulären Partien Ihres Stimmfaches ging: Carmen, Dalila, Azucena oder Amneris sucht man auch in nächster Zeit in Ihrem Auftrittskalender vergeblich.
In zehn Jahren kommen sicher auch diese Partien, Carmen vielleicht schon früher. Wo ist das Problem bei Carmen? Sie ist eine emanzipierte, selbstbewusste junge Frau. Ich habe bislang nur ein brutales und etwas primitives Bild von ihr in den meisten Produktionen gesehen. Carmen ist Psychologie auf dem Theater. Auch unsere Zeit hat sich geändert: Heute geben schon einmal Frauen ihren Männern den Laufpass und werden deswegen von ihnen erschossen, das hört man doch regelmässig in den Nachrichten. Glücklicherweise ist es auch heute noch nicht der Regelfall! Aber es ist nicht mehr so ungewöhnlich wie vor über hundert Jahren.
Ich wünsche mir auch eine dementsprechende Produktion. Carmens Erotik machen nicht die Grösse ihres Dekolletés und die Kastagnetten aus. Hier braucht man vor allem Farben, das ist feine und sehr elegante französische Musik. Es ist fast wie bei »La clemenza di Tito«: Schmerz ist leise! Die Intimität ist wichtig, gerade bei Carmen!
Aber ich kann mich nun wirklich nicht über ein kleines Repertoire beklagen. Eboli wird sicher auch kommen, bei Dalila bin ich mir noch nicht ganz so sicher. Jetzt singe ich an der Met erst einmal meinen ersten Octavian im »Rosenkavalier«. Ich möchte meinem Publikum auch in zehn Jahren noch neue Partien anbieten können.
Wie registrieren Sie die stimmliche Entwicklung Ihrer Stimmfachkolleginnen? Übt deren Partienauswahl vielleicht im Unterbewusstsein doch Einfluss auf die eigene Rollenauswahl aus?
Nein, wir sind doch alle sehr verschieden in unserem Repertoire. Ich sehe das eher als positive Ergänzung untereinander an. Aber es ist nicht so, dass man unbedingt die gleichen Partien wie die Kolleginnen singen will. Es würde mich natürlich sehr interessieren, wenn Cecilia Bartoli, Jennifer Larmore oder Susan Graham zum Beispiel eine Carmen singen, weil ich sie sehr schätze, aber ich hätte nicht unbedingt den Wunsch, gleich nachzuziehen, denn ich habe meinen Plan im Kopf.
Finden Sie denn überhaupt die Zeit, sich Vorstellungen aus dem Zuschauerraum anzusehen?
Wenn ich ehrlich bin: nein. Ich bin seit siebzehn Monaten Mutter eines kleinen Sohnes, und da haben sich die Prioritäten schon verlagert, da möchte ich einfach bei meiner Familie sein. Ich brauche auch Ruhe, um mich zu erholen. Man kann es sich in diesem Beruf nicht erlauben, bis zwei oder drei Uhr nachts unterwegs zu sein. Auch nicht ein einziges Mal, denn das merkt man sofort in der Stimme. Und genügend Schlaf ist absolut unersetzlich für mich. Ich kann hungrig oder durstig singen, aber nicht müde.
Sie überzeugen auf der Bühne in komischen Rollen wie etwa Périchole oder Rosina genauso wie in den ernsten wie Romeo oder Charlotte im »Werther«. Gibt es dennoch eine Rolle, die Ihnen besonders nahe steht?
Ein bisschen die Charlotte und der Sesto vielleicht. Aber ich will auf der Bühne auch gar nicht wie im wirklichen Leben sein. Das sind zwei komplett verschiedene Welten, was manche Sänger manchmal verkennen.
Wie bereiten Sie sich auf eine Partie vor? Erarbeiten Sie ihr Rollenbild allein aus dem Klavierauszug oder lesen Sie parallel die literarische Vorlage? Hören Sie sich CDs des Werkes an?
Ich lerne gerne allein für mich. Der Klavierauszug und die Partitur sind dabei natürlich die wichtigsten Hilfsmittel. Die literarische Vorlage eines Werkes hilft oft nicht so viel, da sie sich vom Libretto doch häufig stark unterscheidet. In der Anfangsphase höre ich auch Aufnahmen, allerdings vor allem, um ein Bild vom Orchesterklang zu bekommen. Ich lasse aber bei der Vorbereitung auch bewusst einige Aspekte der Partie „frei", weil diese sich häufig erst während der Inszenierung endgültig ergeben. Denn es kommen dort viele Komponenten hinzu, die man bei der eigenen Vorbereitung noch nicht absehen kann.
Gibt es auch Rollen, die Sie sich für sich überhaupt nicht vorstellen können?
Eigentlich nicht. Das würde ich auch erst auf der Bühne sehen, denn nur dort kann man eine Partie in ihrer Gesamtheit beurteilen. Es ändert sich auch der Zugang zu einzelnen Partien, die man vielleicht einaml nicht so spannend fand. Dann kommt eine Produktion mit tollen Kollegen oder einem grossen Dirigenten, und alles kann schon wieder ganz anders aussehen. Meine Lieblingspartie ist deswegen eigentlich immer diejenige, an der ich gerade arbeite. Die Mezzosopranstimme ist eine privilegierte Stimme, denn es gibt so unendlich schöne und vielseitige Rollen in diesem Fach: böse Partien, Hosenrollen, frauliche Charaktere. Ich bin sehr froh, dass ich Mezzosopran bin. Ich bin allerdings manchmal traurig, wenn ich sehe, dass sich Sopranistinnen im Mezzo-Fach versuchen und bei einigen Partien den Publikumsgeschmack verändern. Sie haben nicht das natürliche tiefe Register und müssen da markieren. Das ist schlimmer, als wenn Mezzos im Sopran-Revier „wildern".
Ich selbst würde allerdings keine Sopranpartien ansteuern, weil mich das Mezzosopran-Fach absolut befriedigt. Es gibt natürlich auch Momente, wo die anderen grössere Erfolge haben als man selbst. Damit muss man leben können.
Mit dem Octavian und Ihrer gerade erschienenen CD mit Liedern von Schubert, Brahms und Schumann steigen Sie nun auch bei Oper und Lied ins „Deutsche Fach" ein. Zeichnet sich da ein neuer Schwerpunkt ab, oder soll es bei vereinzelten Ausflügen bleiben?
Nein ich würde auf diesem Sektor schon sehr gerne weitermachen. Eine Mischung halb aus Opernauftritten auf der einen Seite und halb aus Liederabenden und Konzerten auf der anderen würde mir für die Zukunft sehr zusagen, vor allem für die Zeit, wenn unser Sohn einmal in die Schule kommen wird. Der Liedgesang liegt mir zudem sehr am Herzen. Ich möchte die Aussage eines deutschen Liedes auch gern nur durch die Musik einem Publikum verdeutlichen können, das diese Sprache vielleicht gar nicht versteht. Dieses intime Repertoire reizt mich sehr, weil man hier eine Palette von unendlich vielen Farben in die Interpretation einbringen kann und muss.
Im deutschen Fach wird man zwangsläufig auch mit Richard Wagner konfrontiert. Könnten Sie sich vorstellen, einmal Kundry, Ortrud, Brangäne oder Waltraute zu singen?
Im Moment sicher nicht, obwohl das natürlich alles tolle Partien sind. Am ehesten vielleicht noch die Brangäne. Die jeweilige Partie allein ist auch nicht das einzig Entscheidende, wichtig wäre es mir, dass meine Stimme auch gut in das übrige Ensemble passen muss. Aber wie sagt man doch so schön: „Sag' niemals nie!"
Sie nehmen auf CD konsequent nur das auf, was Sie auch auf der Bühne singen. Werden Sie auch in Zukunft dabei bleiben? Und welche CD-Veröffentlichungen stehen als Nächstes mit Vesselina Kasarova an?
Ja, ich werde auch in Zukunft dabei bleiben, nur das auf CD aufzunehmen, was mein Publikum auch auf der Bühne von mir hören und sehen kann. Meiner Plattenfirma bin ich auch sehr dankbar, weil sie mir dieses vorsichtige Vorgehen ermöglicht. Für mich kann nur so eine lebendige Aufnahme entstehen, die auch den Zuhörer fesselt. Denn man muss ja akustisch das wieder „wettmachen", was durch den fehlenden optischen Eindruck auf einer CD verloren geht. Deswegen mag ich eigentlich auch die Spontaneität von Live-Aufnahmen lieber als die Puzzlearbeit im Studio, wo manche Phrasen mitunter unzählige Male aufgenommen werden. Aber das Studio bringt im Gegenzug auch wieder viel für die Bühne. Man kann sich so extrem gut kontrollieren und perfektionieren. Und Aufnahmen sind natürlich auch für die Publicity heute ausgesprochen wichtig. Ich selbst höre meine eigenen Aufnahmen nach der Veröffentlichung allerdings nur sehr selten, um nicht die Spontaneität und Entwicklungsmöglichkeiten für künftige Aufführungen einzuschränken.
Wie gestaltet sich Ihr Kontakt zum Publikum?
Ich habe grossen Respekt vor ihm, allein schon deshalb, weil ich es nicht selbstverständlich finde, dass man lange Reisen in Kauf nimmt, nur um eine Oper oder bestimmte Sänger erleben zu können. Ich glaube, ich würde das als Operninteressierte nicht unbedingt alles auf mich nehmen.
Wie haben sich das Leben, Stimme und Stimmungen bei Vesselina Kasarova nach der Geburt ihres Sohnes verändert?
Ich habe mir immer ein Kind gewünscht und nach der Geburt erst einmal vier Monate pausiert. Stimmlich habe ich keinerlei Veränderung bemerkt, aber das Leben ändert sich natürlich. Es ist aber hauptsächlich eine Frage der Organisation, und meine Mutter und mein Mann unterstützen mich sehr, denn man braucht viel Hilfe, wenn man weiter singen möchte. Ich habe da auch besonders vor der Leistung meines Mannes grossen Respekt, denn seine Arbeit im Hintergrund ist oftmals viel schwieriger als meine. Ehrlich gesagt, habe ich es eigentlich sehr gut und viel mehr Respekt vor allein erziehenden Müttern, die es wesentlich schwerer haben als ich! Früher war der Beruf das wichtigste, heute ist es eben mein Kind. Ich bin verantwortlich für einen Menschen, das ist schon etwas anderes, als einen Ton etwas höher oder tiefer zu singen.
Was wäre, wenn Ihr Sohn später mal auf die Idee kommen sollte, selbst Sänger zu werden?
Ich hoffe nicht! Zumindest nicht unbedingt Sänger. Dirigent oder Pianist vielleicht, aber Sänger, das würde ich ihm nicht unbedingt wünschen. Es ist eben noch einmal etwas ganz anderes, vierundzwanzig Stunden am Tag für seine Stimme zu leben. Kein Nikotin, kein Alkohol, immer pünktlich zu Bett und, das ist eigentlich am schlimmsten: wenn es heiss ist, nicht eben einmal ein eiskaltes Getränk herunterstürzen zu können.
Könnten Sie es sich denn vorstellen, selbst einmal Schüler zu unterrichten, es muss ja nicht der eigene Sohn sein?
Nein, das kann ich mir momentan überhaupt nicht vorstellen, denn es ist eine riesige Verantwortung, die man da trägt. Es ist bestimmt nicht einfach, einem Schüler nach zwei oder drei Monaten sagen zu müssen, dass er vielleicht für den Beruf nicht geeignet ist, wenn man keine Fortschritte sieht. Und da ist es eben wie mit so vielem: man kann es oder man kann es nicht. Es gibt auch Leute, die dreissig Jahre den Führerschein haben, und man hört den Motor schon von weitem ächzen oder aufheulen, wenn sie mit dem Wagen in der Nähe sind. Die lernen das Autofahren eben auch nicht!
Wenn Sie nun keinen künstlerischen Beruf ergriffen hätten, was wäre aus Vesselina Kasarova dann geworden?
Vielleicht eine Autorennfahrerin! Ich finde beispielsweise die Formel 1 sehr faszinierend. Das hat viel mit Singen gemeinsam. Man muss schnell und flexibel reagieren, und wenn mal ein Start danebengeht, kann man auch nicht sagen: „Lasst uns noch mal von vorne anfangen!" - genau wie auf der Bühne!
Frau Kasarova, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen für Ihre Karriere weiterhin alles Gute und natürlich allzeit „Gute Fahrt!"
Vor der Premiere
Glücksfall einer Partnerschaft
Edita Gruberova und Vesselina Kasarova in „Anna Bolena"
Opernstars führen ein nomadisches Dasein, pendeln zwischen Städten und Kontinenten, wie es die auf Jahre hinaus gefüllten Terminkalender verlangen. Um so wichtiger ist die Konstanz künstlerischer Partnerschaften. Eine solche besteht seit längerem zwischen Edita Gruberova und Vesselina Kasarova, den Protagonisten der Neuinszenierung von Donizettis «Anna Bolena».
Als sie Ende 1989 im Zürcher Opernhaus zum erstenmal gemeinsam auf der Bühne standen, war Edita Gruberova Lucia di Lammermoor, Vesselina Kasarova deren Vertraute Alisa, jene der gefeierte Weltstar, diese die unbekannte Anfängerin aus Bulgarien. Das erste Zusammentreffen hat sich beiden eingeprägt. Für die frisch nach Zürich gekommene Mezzosopranistin war es eine Offenbarung: «Noch nie hatte ich eine Sängerin so singen gehört, es war phänomenal und klang doch ganz leicht. Das war höchste Kunst, nicht nur ein Hervorbringen von Tönen.» Aber auch die ältere Kollegin war beeindruckt und erinnert sich im Gespräch vor der «Anna Bolena»-Premiere genau an diese eine unter zahllosen Alisas: «Erstens war Vesselina, anders als die meisten Sängerinnen dieser Partie, wirklich zu hören. Vor allem aber hat sie die Alisa nicht wie eine Nebenrolle behandelt, sondern war ganz präsent.» Damit ist ein entscheidendes Element der gemeinsamen künstlerischen Basis umschrieben: die absolute Identifikation mit der jeweiligen Aufgabe.
Fürs erste brach der Kontakt allerdings wieder ab. Erst Anfang 1992 standen die beiden Sängerinnen in Wien - Vesselina Kasarova war inzwischen Ensemble-Mitglied der Staatsoper geworden - erneut gemeinsam auf dem Podium, für konzertante Aufführungen von Bellini's «Beatrice di Tenda», die auch auf CD aufgezeichnet wurden. Im folgenden Sommer dann war Edita Gruberova indirekt am sensationellen internationalen Durchbruch der jungen Kollegin beteiligt. Die Salzburger Festspiele wollten konzertant Rossinis «Tancredi» geben, Gruberova hatte zugesagt, ein einziges Mal mit der damals bereits legendären Marilyn Horne zusammen auftreten. Als das Aufführungsdatum näherrückte, kam es zu Diskussionen über die Fassung, schliesslich zur Absage der Horne, der diejenige Gruberovas unmittelbar folgte. Dass man sie in der österreichischen Presse beschuldigte, sie habe nicht mit der unbekannten Einspringerin Kasarova, die Horne ersetzte, auftreten wollen, ärgert Edita Gruberova noch heute.
Vesselina Kasarova hat sich mit jenem denkwürdigen Salzburger «Tancredi» definitiv im Belcanto-Reich des Dreigestirns Bellini, Donizetti, Rossini etabliert, als dessen umstrittene Königin Edita Gruberova heute gilt. So mussten denn die beiden über kurz oder lang wieder zusammentreffen. Es war 1995 bei der Neuinszenierung von Donizettis «Anna Bolena» im Münchner Nationaltheater, als Edita Gruberova die Titelrolle und Vesselina Kasarova die Rivalin der Königin, Giovanna Seymour, verkörperte. Damals begann ihre Partnerschaft. Edita Gruberova beschreibt es so: «Seit ich 1978 in Wien meine erste Lucia gesungen hatte, hoffte ich auf einen Tenor, mit dem sich eine langfristige künstlerische Partnerschaft entwickeln würde, nach dem Beispiel von Sutherland und Pavarotti. Diesen Tenor habe ich leider nicht gefunden, aber ich habe Vesselina gefunden. Sie ist wie ein Spiegel, nimmt jede Ausdrucksnuance, jeden dynamischen Akzent auf und gibt sie zurück. Auch wenn sie gar nicht singt, nur schaut - aber wie sie schaut -, ist sie mit ihren Gefühlen ganz da. Wenn ich Anna Bolena mit einer anderen Partnerin singe, fühle ich mich gebremst, kann ich mich nicht ganz entfalten.»
Und wie empfindet es Vesselina Kasarova? «Bei Edita spüre ich einfach eine ungeheure Gefühlsintensität, eine innere Spannung. Ich lerne noch immer von ihr.» Angesprochen ist damit jene spezifische Auffassung des Singens, des Musizierens, die Edita Gruberova folgendermassen definiert: «Dramatisch heisst nicht laut und schnell, Dramatik entsteht durch Ausdruck und Farbenvielfalt. Als erstes bitte ich den Dirigenten stets, piano zu spielen, nur so ist überhaupt ein Crescendo möglich.» Und es klingt keine Spur überheblich, wenn sie Vesselina Kasarova zuruft: «Es ist an uns, den ‹heroischen› Belcanto-Gesang zu überwinden, einen neuen Belcanto-Stil zu schaffen. Und du wirst das eines Tages weitergeben.» Auch da kommt eine Gemeinsamkeit zum Ausdruck: das Verantwortungsgefühl gegenüber der Tradition und gegenüber dem kostbaren Instrument Stimme.
In der Oper beschränkt sich das gemeinsame Repertoire bisher auf «Anna Bolena», doch daneben gibt es seit 1996 noch den Liederabend mit Duetten, den sie im Oktober auch in Japan präsentieren werden. Vorerst aber freuen sich die zwei Sängerinnen, die inzwischen auch Freundinnen sind und sich nicht zuletzt durch ihre slawische Herkunft verbunden fühlen, wieder gemeinsam an «Anna Bolena» arbeiten zu können. Der Regisseur Gian-Carlo del Monaco kenne die Musik durch und durch. Die Münchner Inszenierung von Jonathan Miller sei historischer und statischer gewesen, jetzt rücke die Handlung nahe an die Gegenwart, was die Figuren lebendiger und farbiger erscheinen lasse. Man wird sehen - und hören.
A Bulgarian voice to blast you off your feet
Her vocal range is stunning. But for Vesselina Kasarova, singing is all about body language. By Roderic Dunnett.
If one thing united critics and public about the Royal Opera House's creaky staging of Mozart's La clemenza di Tito this week it was the vocal maturity, intelligence and sheer verve of a brilliant young Bulgarian mezzo-soprano.
Vesselina Kasarova hit the headlines eight years ago when she stood in at short notice for Marilyn Horne in two Salzburg concert performances of Rossini's opera Tancredi. She became a star overnight - though in fact, she had been rising fast since early childhood. Born in Stara Zagora, central Bulgaria, she trained as a pianist, having daily lessons from the age of four. She had become a concert pianist by the age of 18, and went to the Academy in Sofia to study singing under Ressa Koleva.
Bulgarians quickly cottoned on to Kasarova's talents. While still a student she sang Rosina, Dorabella and Preziosilla (in Rossini, Mozart and Verdi works, respectively) at Sofia's National Opera House, and when she left Bulgaria, after her graduation which coincided with the 1989 anti-Communist uprisings, she was soon snapped by Zurich Opera.
There Kasarova carefully built on her repertoire. Her Adalgisa in Bellini's Norma gave an appetising foretaste of subsequent Bellini triumphs - Agnese in Beatrice di Tenda, and more recently, her stunning, confident Romeo in I Capuleti e I Montecchi. She played Olga in Onegin, Anna - Dido's touching Virgilian confidante - in Berlioz's Les Troyens, and sang her first Charlotte in Massenet's Werther, a role she has recently recorded with Ramón Vargas for RCA.
It was at Zurich too, that the young Vesselina embarked on her first striking collaboration with Nikolaus Harnoncourt, singing the subordinate part of Annio in La clemenza di Tito, plus the title role in Offenbach's La Belle Hélène. Forced to a choice nowadays, Kasarova says she would plump for the meatier semi-tragic roles - Mozart's Sesto rather than Rosina - but her feel for comedy, as much vocally as visually, shines too. La Belle Hélène led on to her recording Offenbach's La Périchole with Harnoncourt.
In Switzerland, as well as meeting Roger, the man she would marry, Vesselina made time to work on her technique and the extraordinary range of tone that took Salzburg by storm three years later. Admirable though her early mentors were, you get the impression her sound is largely her own (she can blast you off your feet, as a five-second burst of Sesto's appeal "se vedesti questo cor" in her Covent Garden dressing room demonstrated - the mirror all but shattered). Her range of timbre and tone-colours and her gift for vivid characterisation (particularly in "trouser" roles such as Sesto), seems self-taught.
In conversation, Kasarova - quite apart from her extraordinary youth, her almost childlike voice, and strong physical energy (given that her baby, Yves, is just a few months old) - shows a passionate honesty. There is no pose, no ego; only a lovely personality, possessed of this staggering built-in instrument, and almost unearthly gifts for deploying it. Mozart, she says, has always been a passion, and the role of Sesto (the Emperor Titus's boyhood friend) is surely one of her most convincing characterisations so far.
"For me Sesto is Mozart himself," she says. "I can't specify exactly why, but you can feel it. You can sense how much of himself he poured into the role. Mozart was the only composer I know who was actually biased against some of his characters. For those he didn't like, he wrote music that was difficult to perform, unpleasant and unflattering to the character itself. I don't mean that Sesto's music is easy, on the contrary it's very difficult; but it's written with such love."
"The same is arguably true of Cherubino. I've moved on from him, he's too sweet, he's not me any longer. But I do believe one needs to have sung Cherubino before singing Sesto. One of the absolute musts with Mozart is that you've got to be an actor as well as a singer. You can't just use him as vehicle for showing off. You have to work out beforehand each detail - not just vocal, but physical as well, every move and gesture, because these, too, colour the vocal performance.
"Sesto is not just young and headstrong, but an impassioned lover too. Everything he does, the mistaken treachery he embarks on, is all because of his love for Vitellia. His relationship with Tito, which he betrays but is ultimately pardoned for is one of love too. The opera is all about love - love binds the protagonists, but love also stands between them. In Act II, a thousand conflicting emotions make war in Tito. You know how much he still loves Sesto from the internal battle he goes through. As for Sesto, he's sensitive, he's erotic, and he's completely blinded by love. My task in playing such a role is to embody the character in my own personality, to act as though it were me, and to react in the way I would have done in the same situation.
"At that moment I'm not interested in whether audiences like me or the director likes me or whether my performance is vocally brilliant. All I'm trying to be is sincerely within the body of the character, to use body language - arms, hands, my whole body - to convey it as well as I humanly can. And to use a wide range of colours to get across as honestly as I'm able the true, often conflicting, character of the role I'm singing. You could say my colour is my sincerity".
Kasarova has made her mark worldwide not just in opera - this autumn she will sing Oktavian in Der Rosenkavalier at the Met - but in Lieder and chanson, singing Berlioz, Mahler, Chausson. And Bulgarian songs? "There is a plan for me to record some Bulgarian songs. I'm keen on the idea," she says. "There are two great Bulgarian composers I'd especially like to help reach a wider public: one of them is Pancho Vladigerov perhaps Bulgaria's greatest composer between the 1930s and 1960s, the other is Parashkev Hadjiev. Both are shamefully neglected in the West, but each wrote a host of wonderful songs."
Perhaps their boat has arrived - they could ask for no more alluring an advocate than Kasarova.
She has a darkly erotic voice of strange beauty. But at the Opera House she's playing a bloke.
Bulgarian mezzo-soprano Vesselina Kasarova talks to Tim Ashley
In a prismatic, white dressing-room in the backstage labyrinth of the Royal Opera House, the Bulgarian mezzo-soprano Vesselina Kasarova - here to star in the forthcoming Clemenza di Tito - is talking about sex and singing. I'd just asked her whether she'd ever sung Carmen. She shakes her head. Would she ever sing it? Well, maybe, perhaps in time, if she found the right director. "The new generation of singers has to wait a while before the opera can be done differently," she adds. "Carmen is an emancipated woman. She's not a prostitute. She's an erotic woman who knows what she wants. Eroticism is something you must feel. It doesn't come from here," she went on, touching her abdomen, "or there" [she thrusts her breasts forward]. It's got to be more ... more ..." Suggestive? I essay. "Yes," she says.
Suddenly she draws herself up and launches into the opening bars of the Habanera with the full-throttle, bosomy tone with which many singers of an earlier generation approached the role. "That's not right. It must be like this." Her eyes widening, she sings the same bit again, this time with the quintessential Kasarova sound - dark, restrained, sexual, somewhere between honey and molasses. The phrase slides down like some unearthly sonic caress.
Doing things differently, a flawless integration of technique and drama, and a tangible, though subtle, sexuality are very much part of Kasarova'a style. I last heard her in Berlin, two years ago, as Charlotte in a semi-staged version of Massenet's Werther. Charlotte - who puts bourgeois values above passion and lives to regret it - is usually portrayed onstage as a prude. "That's not what's in the music", says Kasarova - and it wasn't in her performance, either. She swept on in a clingy, décolleté black number ("I was four month pregnant at that time,") and proceeded to chart, with unerring vocal and psychological accuracy, what she politely describes as "Charlotte's development from a girl into a woman."
It was one of those performances you just don't forget. Gone were all the usual insipid associations with burgeoning Romanticism (the opera, premiered in 1892, is based on Goethe's novel). In their place was something more contemporary, a being closer to a character from Ibsen or Zola - manipulative, teetering on the edge of neurosis, yet also vulnerable, tragic and intensely moving. As I watched Werther - played by the late Alfredo Kraus - turn to jelly in front of this complex creature, the opera seemed suddenly to make perfect sense.
Kasarova's astounding allure has a Dietrich-like, androgynous quality, capable of transcending gender and orientation. She makes a credible bloke on stage. When she appeared as Rossini's Tancredi at Carnegie Hall, the critic of the New York Times swooningly compared her with Leonardo DiCaprio. Roles written initially for castrati, and "trouser roles", such as Mozart's Idamante and Bellini's Romeo, make up roughly half her repertoire. In New York, in October, she's going to add the lustily adolescent Octavian from Strauss's Der Rosenkavalier to the list. She likes playing chaps. "They get the best music, and it's harder to be a man than a woman," she remarked, giggling. "You can't be stereotypical, it can't be like this," and she flexes her arms in an attitude of Schwarzenegger-like masculinity.
She's back at Covent Garden after a seven-year absence to play her favourite man, Sesto, in Mozart's La Clemenza di Tito. The work's erotic and emotional dynamics are remarkable, and one wonders just what she will bring to them. Sesto is torn in two by his feelings for Tito, his friend and emperor, and the glamorously neurotic Vitellia, who wants Tito dead. In the opera's world, "love" is the word used to define relationships between men. What characterises the interaction between men and women is something altogether more driven and unnameable.
"Mozart understood people" says Kasarova. "He allows people to express feelings quietly. The surface is elegant, but underneath it's very dark. I like that." The production - "it's incredibly theatrical" - comes from Salzburg, which she regards as her musical home. In 1991 (corr. 1992) she caused a sensation there when she took over the role of Tancredi from Marilyn Horne at short notice. She brushes aside my remark that she became a star overnight. "I don't know whether it was a great success or not," she says. "I thought I was mad to do it."
Before that turning point, however, came years of hard graft. She was born in the central Bulgarian town of Stara Zagora, trained as a pianist before turning to singing, and left Bulgaria for the west in 1989. The rumours that shadow her, of a dramatic flight from an oppressive regime, seem unfounded. An invitation to Switzerland came from Zurich, where, for two years she was part of the opera house ensemble. She admits that the communist system encouraged her. "There are two worlds - there and here," she says, as if the old east were still very much a reality for her. "There, it was very intensive if you wanted to do sport or music. I had music lessons every day for five years. Here, it's different. There are singers who don't make it simply because they have no money." A look of sadness crosses her face.
As she talks, I realise that the rigorous discipline cultivated in those early years continues to drive her, and that this astonishing woman still, in some ways, regards herself as a student. "One should always learn," she said. "We singers [she uses those words a lot] can learn so much from other artists, learn from actors and cinema - but we must never copy. It's all a combination of acting, singing and your own personality. It's got to be part of you - and it's got to be natural. You must never pose. An audience will always notice if you pose. You need to build up a career carefully. It's always important to be part of an ensemble."
It was during her ensemble years in Zurich that Kasarova met her husband-to-be, Roger, who, along with their one-year-old son, Yves Lucien, is with her in London. Her face is radiant with pleasure and affection when I mention him. "Artists are always whingeing," she laughs. "Their partners have to put up with a lot. They need good nerves. I'm very lucky."
The candour and emotional frankness that characterise her singing spill into her words. Perhaps the most remarkable thing of all about Kasarova is the fact that, after years of being a star - and she's unquestionably that - she remains unaffected, unspoilt, modest and generous to her colleagues.
"Singers are all just different," she says. "You wouldn't want to hear the same singer all the time, would you?" Perhaps, if they were all like her, I would.
The rise and rise of Vesselina Kasarova
Mezzo soprano Vesselina Kasarova has yet to earn the recognition in London that has been accorded her on the Continent. Hugh Canning reports.
The 1990s have undoubtedly been the decade of the mezzo soprano: the Italian Cecilia Bartoli, the Swede Anne Sofie von Otter, the Americans Jennifer Larmore, Lorraine Hunt and Susan Graham ... the list could go on. It has also been the decade of a young Bulgarian singer who left the Conservatory in Sofia exactly ten years ago and joined the ensemble Zurich Opera.
Within two years she was already singing in Salzburg - I saw her Annio alongside the Sesto of Ann Murray in the Karl-Ernst and Ursel Herrmann staging of La clemenza di Tito in 1991 (corr. 1992) - and by 1992 she had created something of a sensation at the prestigious festival, replacing an ailing Marylin Horne as Rossini's Tancredi to the Amenaide of Edita Gruberová, since when she was scarcely looked back. Kasarova's partnership with Gruberová has endured to this day: they regularly sing duet recitals together, they have recorded bel canto (corr. lieder) duets (for Gruberová's own label, Nightingale Classics) and they have appeared together on stage in Munich as Anna Bolena and Giovanna Seymour in the grandest of Donizetti's Tudor operas.
Now Kasarova is an exclusive BMG/RCA artist and she looks set to become the most recorded young mezzo - after Bartoli perhaps - of her generation: French orchestral songs, Mozart arias, Rossini duets and complete recordings of Tancredi and Bellini's I Capuleti e i Montecchi have all appeared to great acclaim, and now Kasarova takes a bold step into French opera with her Charlotte in BMG's new recording of Massenet's Werther, the first of three - the others are EMI's starring Roberto Alagna and Angela Gheorghiu (due for release later this year), and a Naxos set with the French mezzo Beatrice Uria-Monzon and the American tenor Marcus Haddock (for release in Autumn 2000). For Kasarova it's a big advance, but one for which she has prepared herself meticulously. ‘I've been very lucky and I have taken my time. It hasn't been one big success after another. I have developed gradually over ten years and now I have the best theatres asking me to sing for them. I'm very happy about this.'
In Zurich she sang a lot of Mozart and Rossini and, apart from Charlotte and Offenbach's La Périchole, these composers remain the bedrock of her repertoire with one or two of the later bel canto composers thrown in. When we met in Barcelona earlier this year she had just made her début as Handelian, singing Ruggiero to the Alcina of Luba Orgonasova and her velvet-smooth timbre and gamine androgyne looks suited the part to perfection (even though the opera was hideously cut and risibly staged).
Remarking how lyrically she sang Handel, I wondered whether it might not be premature to sing a role such as Charlotte which has been sung by very dramatic singers, such as Régine Crespin and Rita Gorr, but Kasarova insists that she sings it very lyrically. When she sang two concert performances in Berlin - opposite the veteran Werther of Alfredo Kraus - and recorded the opera shortly after - with the young Mexican lyric tenor, Ramón Vargas - she was expecting her second (corr. first) child, but, she says, the role felt absolutely right. ‘Charlotte is my absolute favourite role at the moment: it is written so well and it feels very comfortable for my voice. I didn't feel I had to sing dramatically. In recordings I always want to find the strength, not only to deliver the notes but to register my feelings too. It's hard work and you need to be in good physical condition. We recorded in long takes, but despite my pregnancy I didn't feel tired.' She first tackled Charlotte on home territory at the Zurich Opera in 1996, but until last year she kept the role ‘under wraps' as it were, although she now feels ready to sing it anywhere. ‘Covent Garden asked me for Werther, but I haven't been available, but I would love to sing it there and hope I will do.'
While Kasarova has become a star with apparently effortless ease in Zurich, Vienna, Munich, Salzburg and Paris, London has seen sadly litte of her. She made her début at Covent Garden as Rosina in 1993, but her performances went largely undocumented by the national press as she slipped in and out of London for four (corr. three) performances at the end of a run. Alan Blyth, writing for Opera magazine, did catch her and noted a voice both ‘sizeable and individual in timbre with an arresting chest register', but he was also troubled by ‘piercing high notes and untutored runs', which he put down to inexperience.
This might explain why she has not been back since, were it not for the fact that she has been extremely busy everywhere else, and sensibly for a young singer she does not sing every date she is offered. She returns to the newly restored Royal Opera House early in the year 2000 for Sesto, in the same Salzburg production where she has since - 1997 and this year - taken over the leading castrato role from Murray. It is what the Germans would call one of her Parade-Rollen (showcase roles) for she also sang it last season in a new production at Munich's Bavarian State Opera and she will repeat it at the Paris Opéra in 2001 - her beautiful singing of ‘Parto' can be heard in her Mozart recital conducted by Sir Colin Davis. Mozart remains central to her work: at Salzburg, in addition to Annio and Sesto in Tito, she has sung Zerlina in Don Giovanni (following Bartoli in the Patrice Chéreau production conducted by Daniel Barenboim) and next year she tackles both Dorabella in a new Così fan tutte conducted by Claudio Abbado and Idamante in a new production of Idomeneo. This year she also added a new French part to her portrait gallery: Marguerite in the new Salzburg production of Berlioz' La damnation de Faust, another role which seems ideally suited to her soft-grained, soprano-ish middle register and viola-like low notes.
She won't, however, be tempted into soprano territory, not yet at least. ‘I have already been offered Vitellia and Donna Elvira, but I have got plenty of time to take on soprano parts - my voice will tell me one day if it's right for me. Already, after the birth of my child, I notice a change, not in the sense of an increase in the size of my voice, but a greater warmth of timbre. Soprano parts can be dangerous for mezzos; it obviously changes the colour of your voice, if you sing in this range. But a mezzo should never lose her low notes. I don't want to take any risks merely to prove to myself that I can sing this or that soprano role.'
So what, I ask, does the future hold? More Handel, perhaps? ‘Yes, certainly. I think Handel suits my voice well. It needs good coloratura and a certain elegance and espressivo and I love to sing this sort of music. Some musicians find Handel a bit dull but I have to say that he reveals the emotions as truly as any other opera composer'.
Like her contemporary, Bartoli, she appears to have tired of the female lead in Il barbiere di Siviglia, but Rossini still figures prominently in her plans. ‘If you only sing Rosina, it can be very boring, but I have other Rossini parts: Cenerentola which I sang at the Pesaro Rossini festival, Tancredi - which I've been asked to sing on stage but, sadly, I haven't been free - and then I will sing Isabella in L'Italiana in Algeri in Paris in 2000.' I mention Ambroise Thomas's Mignon, a role for which she has the perfect looks and ideal vocal colouring and she looks interested. How about Carmen, then? ‘Well, one day, perhaps, but not yet. I have plenty of time.'
Still only 33, Kasarova is already in the position where she can pick and choose. Her most exciting record project is the title-role in Donizetti's La favorite - yes, hooray, the original French version at last - which BMG will tape live during concert performances in Munich conducted by Swiss-born Marcello Viotti next year. And there are more solo albums to sate the appetites of Kasarova's growing army of fans: a disc of Lieder (due for release in April 2000), a recital of Bulgarian songs and a Handel opera disc conducted by Sir Colin Davis. Then another Rossini opera, either La Cenerentola or L'Italiana in Algeri.
At a time when multi-national labels are cutting back on complete opera recordings, BMG's investment in Kasarova is remarkable and is obviousely beginning to pay off as the Bulgarian mezzo begins to establish herself as one of the most lustrous and distinctive young voices of the new millenium.
„Für mich ist Singen wie Sprechen"
Die 34-jährige Vesselina Kasarova singt heute in Berlioz' „La Damnation de Faust"
Ihr Stern ging 1992 bei den Salzburger Festspielen auf. Damals sprang die junge Bulgarin Vesselina Kasarova (am 18. Juli wurde sie 34 Jahre) in Rossinis „Tancredi" für Marilyn Horne ein und feierte einen persönlichen Triumph. Seither ist sie regelmässig bei den Festspielen zu Gast. Heute gibt sie die Marguerite in „La damnation de Faust" von Hector Berlioz in der Felsenreitschule ein Rollendebüt. Die OÖN plauderten mit ihr bei einer Präsentation von BMG Classics, wo ihre „Werther"-Aufnahme (mit Ramón Vargas) und eine CD mit Arien und Duetten von Rossini (mit Juan Diego Flórez) vorgestellt wurden.
Das französische Repertoire liegt Ihnen?
Die französische Musik ist farbig und gefühlvoll und kommt meinem Naturell sehr entgegen. Ich werde mich auch in Zukunft intensiv mit diesem Repertoire beschäftigen. Die Marguerite ist eine sehr anspruchsvolle Partie, und ich glaube, dass das Publikum die Inszenierung von „La Fura dels Baus" interessant finden wird. Es gibt viele optische Effekte.
Gewiss sind Sie manchmal auch mit den Auswüchsen des Regietheaters konfrontiert. Wie reagieren Sie?
Ich gehöre zu einer Sängergeneration, die sehr flexibel ist. Ich versuche prinzipiell, alles mitzumachen. Wenn es mir zu bunt wird und Ideen auftauchen, die absolut unlogisch sind, muss man reden. Ist ein Regisseur besonders kapriziös, diskutiere ich mit ihm nicht gleich am ersten Tag, sondern warte eine Woche ab. Ich glaube, ich kann da sehr diplomatisch sein.
Zu Ihren Lieblingsdirigenten zählt Nikolaus Harnoncourt?
Ich mag all jene, die die Sänger lieben. Harnoncourt gehört zu ihnen. Er singt immer - indirekt - mit, er atmet mit uns. Bei ihm kann man viel lernen. Im Tonstudio war Colin Davis, ich habe mit ihm Mozart-Arien aufgenommen, ganz toll. Bei ihm wirkt alles so einfach.
BMG-Classics-Chef Stefan Mikorey hat Ihnen ein grosses Kompliment gemacht: „Sie stellt nicht dar, sie ist" ...
Für mich ist Singen wie Sprechen. Es geht nicht nur um Noten, sondern auch um das, was man damit sagen will.
Sie müssen ja in verschiedensten Sprachen singen. Welche ist die schwierigste?
Jede ist beim Singen schwierig, sogar Bulgarisch. Das Französische empfinde ich als sehr elegant, die Phonetik aber stellt hohe Ansprüche.
Es gibt einen neuen Mann in Ihrem Leben. Er kam am 16. November zur Welt und heisst Yves Lucien. Was hat der neue Erdenbürger bei Ihnen verändert?
Mein ganzes Leben! Meine Psyche ist gesünder, meine Gedanken sind klarer. Dieser Beruf kann einen auf negative Weise verändern, man wird manchmal zu kritisch zu sich selbst, und das kann zu Angstzuständen führen. Seit es Yves Lucien gibt, bin ich viel sicherer geworden. Allerdings bin ich durch die Schwangerschaft zu wenig zum Trainieren gekommen, denn Singen ist wie Sport, man braucht Kondition. Wer sie nicht hat, wird auf der Bühne schnell müde. Und ich muss jetzt etwas abspecken, auch wenn ich wahnsinnig gern esse. Zum Beispiel die wunderbaren Käsekrainer in der Wiener Krugerstrasse.
Sie haben in Wien den Schweizer Roger Kaufmann geheiratet. Wie haben Sie ihn kennen gelernt?
Er hat sich in Zürich 16 „Eugen Onegin"-Vorstellungen mit mir angeschaut, ist dann immer in die Garderobe gekommen und hat was Schönes mitgebracht. Wie man sieht, hat seine Beharrlichkeit zum Ziel geführt. Mein Mann ist zugleich mein bester Freund. Ich bin sehr dankbar, dass ich diesen Menschen fand. Er ist überall mit mir, auch hier in Salzburg. Man kann das so schwer mit Worten ausdrücken, aber ohne ihn wäre ich nicht das, was ich heute bin.
Wann kommen Sie wieder nach Wien?
Im Oktober, für den „Barbier". Bei einer „Barbier"-Vorstellung an der Staatsoper hatte ich einmal ein klassisches Erlebnis. Ich hatte vorher die Rosina ein paar Mal in Genf gesungen. Dort gab es andere Rezitative als in Wien, an das hatte ich jedoch nicht gedacht. Ich sang wie in Genf und ging ab in die Garderobe. Auf einmal hörte ich über den Lautsprecher: „Frau Kasarova", bitte dringend auf die Bühne!" Ich stürzte blitzartig hinaus, Doktor Bartolo hatte mittlerweile improvisiert. Wer solche Schrecksekunden einmal erlebt hat, der weiss: Für unsereinen wirkt so etwas wie eine zehnstündige Verspätung.
Ein Opernstar ohne Allüren
Sie bestellt nicht wie erwartet stilles Mineralwasser, sondern ein deftiges Bier und „Fleischpflanzerl", das Münchner Standard-Essen, und ist auch sonst alles andere als diva-like, obwohl Vesselina Kasarova weltweit zu den gesuchtesten „Primadonnen" gehört. Im Mai probte sie am Bayerischen Nationaltheater den „Sesto" in Mozarts „La clemenza di Tito" - jene Rolle, mit der sie auch bei den Salzburger Festspielen Kritik und Publikum begeisterte. Der „Star" wurde allerdings 1992 in der Felsenreitschule geboren, als die blutjunge Bulgarin für die grosse Marilyn Horne einsprang und sich in Rossinis „Tancredi" mit einer anderen Einspringerin eine veritable Koloratur-Schlacht lieferte. Spätestens seit damals war sich die Musikwelt bewusst: Die Opernbühne ist um ein zerbrechlich wirkendes, aber hinreissend temperamentvolles, höchst anmutiges, mit glutvoller Farb-Stimme und makelloser Technik begabtes Geschöpf reicher. Die Horne wurde an diesem Abend nicht mehr wirklich vermisst und auch nicht die absolute Koloratur-Königin Edita Gruberova, denn die Rumänin Nelly Miricioiu schlug sich mehr als tapfer.
„Die jungen Sängerinnen und Sänger von heute sind weit besser ausgebildet als die früheren Darsteller, sie wissen über ihre Rollen meistens sehr gut Bescheid und sind fast immer besser informiert als die Dirigenten, die manchmal wenig bis nichts über die Oper wissen", ist die begnadete Rollengestalterin überzeugt. Die Kasarova schätzt nichts mehr als ein „wissenschaftliches" Fundament freier künstlerischer Arbeit. Nicht zufällig verehrt sie den bevorzugten Pult-Partner Nikolaus Harnoncourt, Patrice Chéreau, mit dem sie in Salzburg arbeitete und das Ehepaar Herrmann, nach ihren Begriffen ein Ideal-Arbeitsgespann mit idealer Balance zwischen Gelehrtheit und poetischer Inspiriertheit.
„Ich freu' mich schon auf die Wiederaufnahme der Herrmann-Inszenierung von Mozarts „Titus" zur Wiedereröffnung von Covent Garden, für mich ist es ein Vergnügen, wieder mit diesen aussergewöhnlichen Opernmenschen zusammenzutreffen und ich finde es schlicht und einfach empörend, wie mache Zeitungen die Arbeiten der beiden abkanzeln und missachten. Ich arbeite immer gern mit Leuten, die sich etwas trauen und ihre Geschäfte verstehen und darum bin ich auch sehr gespannt auf „La damnation de Faust", wo ich die Marguerite singe und von den Inszenatoren La Fura dels Baus sicher in jeder Hinsicht gefordert sein werde. Ich finde Berlioz und überhaupt die französische Musik toll, weil sie so farbig und gefühlvoll ist und meinem Naturell und dem bulgarischen Fühlen generell so entgegenkommt. Im französischen Fach wird ein wichtiger Teil meiner künstlerischen Zukunft liegen", zeichnet Kasarova ihren Karriere-Kurs vor.
Die Stimm-Virtuosin hat es ganz in der Hand, beziehungsweise in der Gurgel, eigenwillig ihren Weg zu gehen. Sie kann sich Opernhäuser und Rollen aussuchen, kann es sich erlauben, Einladungen etwa aus Buenos Aires ans „Colon" abzulehnen, stattdessen einen Lieder/Arienabend mit der Gruberova einzuplanen, aufs russische oder sonstige Fächer ganz zu verzichten, weil ihr dies und das einfach nicht liegt und nicht das auslöst, was ihr am wichtigsten ist - nämlich das absolut authentische Gefühl, aus dem sie heraus Rollen gestaltet.
Vesselina Kasarova ist heute ein Star der Opernbühne. Sie kennt aber auch die andere Seite der Berühmtheits-Medaille. Für ihren erst einige Monate alten Sohn hat sie viel zu wenig Zeit und wohl auch für ihren bei Zürich lebenden Mann. Die Familie ist ihr heilig und den Beruf nimmt sie sehr ernst und das mag zu mancher Komplikation, innerlich wie äußerlich, führen - auch das Wissen um die Zustände im Heimatland Bulgarien. „Ich kenne die Armut und den Druck der Politik auf Künstler. Davon kann sich niemand hier im Westen eine Vorstellung machen, was in der Ostblock-Zeit passiert ist. Aber bei all dem bin ich sehr stolz, Bulgarin zu sein und dort eine sehr gute Ausbildung erfahren zu haben. Darum gebe ich Benefizkonzerte sooft ich kann. Was mich ärgert, ist allerdings der gewisse Hochmut, mit dem der Westen auf uns östliche Nachbarn herabschaut. Gerade aus meinem Land kommen immer wieder Sänger von grosser Bedeutung", ruft die durchaus selbstbewusste Künstlerin Namen wie Anna Tomowa-Sintow in Erinnerung.
„Ich kenne den ehemaligen Ostblock und habe nicht vergessen, wie es ist, noch nicht berühmt zu sein. Das gibt mir eine gewisse Basis im Leben, gerade im verwöhnten Westen mit seinen Verlockungen und Versuchungen. Man ist einfach weniger anfällig dafür", stellt die Pendlerin zwischen New York, Zürich, London und Wien fest.
Vesselina Kasarova haßt Eitelkeiten und Getue, im alltäglichen Leben und erst recht in der dafür so anfälligen Szene. Sie zieht sich ihre Jeansjacke über und ist auf dem Weg zur nächsten Probe - eine völlig unauffällige Person - das exakte Gegenteil von dem, was dann abends auf der Bühne erscheint.
Virtuosa mit Herzenstönen
Die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova
Zehn Jahre sind vergangen, seit die Studentin aus Stara Zagora den Gesangswettbewerb in Gütersloh gewann und in Zürich ihr erstes Festengagement erhielt. Sieben Jahre, seit sie bei den Salzburger Festspielen als Einspringerin für Marilyn Horne in Tancredi den internationalen Durchbruch schaffte. Von einem „Senkrechtstart" darf man dennoch nicht reden, denn die sich rasch entwickelnde Karriere basierte auf dem Fundament einer langen und gründlichen Ausbildung und einer hinreichenden Reifezeit. Bereits mit vier Jahren erhielt sie ihren ersten Klavierunterricht, den sie später mit dem Ziel, Pianistin zu werden, intensivierte. Erst mit 18 entschied sie sich dann für den Gesang, erwarb aber an der Hochschule in Sofia, wo Ressa Koleva ihre Lehrerin war, zugleich das Klavierdiplom. Daneben nahm sie fünf Jahre lang auch Schauspielunterricht, um die Balance zwischen musikalischer und körperlicher Darstellung zu finden. Diese Balance ist heute ein besonderes Markenzeichen ihrer Bühnenkunst.
Bevor Vesselina Kasarova in den Westen kam, hatte sie in Sofia bereits Dorabella und Rosina gesungen und in einer Sony-Produktion der Pique Dame in der kleinen Charakterrolle der Gouvernante mitgewirkt. Auch in Zürich gab es zunächst nicht nur grosse Aufgaben. Aber selbst in Partien wie Wellgunde, Paulina in Pique Dame und Bersi in Andrea Chenier konnte sie sich profilieren. Bereits 1991 erhielt sie ein Engagement an die Wiener Staatsoper, wo sie dann nur noch das erste Fach sang. Nach dem erwähnten Salzburger Tancredi (den sie übrigens in weniger als drei Wochen einstudierte), begann durch den Schallplattenvertrag mit RCA ein neuer Abschnitt in ihrer Laufbahn, der es ihr ermöglichte, ab 1993 freiberuflich zu arbeiten. Zürich blieb jedoch ihr Wohnsitz und das dortige Opernhaus kann sie in schöner Regelmässigkeit in alten und neuen Rollen begrüssen.
Einstieg in die Barockoper
Ich begegne der Künstlerin in Barcelona, dem Geburtsort ihrer grossen Stimm-Ahnherrin Conchita Supervia, wo sie am Teatre del Liceu nach kurzer Babypause - im November wurde ihr Sohn Yves geboren - als Ruggiero in Händels Alcina erstmals wieder auf der Bühne steht. Diese Händel-Rolle ist ihr erster und auf Anhieb überzeugender Vorstoss in das Terrain der Barockoper. Darstellerisch hatte Vesselina Kasarova diese Hosenrolle bis in die Fingerspitzen im Griff, sängerisch glänzte sie nicht nur durch fulminante Koloraturen, sondern auch - und speziell in der Arie Verdi prati - mit entspanntem, intimem Gesang. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Sängerin ihr Repertoire in den nächsten Jahren in diese Richtung noch erweitern kann und sollte, denn es gibt für ihre Stimme nicht nur bei Händel, sondern auch bei Monteverdi, Cavalli, Rameau noch viele interessante Aufgaben.
Eine besondere Attraktion der Aufführung in der katalonischen Hauptstadt war die Besetzung der Bradamante mit der polnischen Altistin Ewa Podles, die derzeit vor allem im Rossini-Fach eine der stärksten Konkurrentinnen von Vesselina Kasarova ist. Doch von einem Primadonnen-Wettstreit war nichts zu spüren. Die beiden Sängerinnen, die hier ein Liebespaar zu spielen hatten, übten sich in vorbildlichem Teamwork, warfen sich musikalisch wie szenisch die Bälle zu. Und es spricht für diese von Eitelkeiten freie Zusammenarbeit, dass Ewa Podles über ihre Kollegin nur das Beste zu sagen wusste.
Im Gespräch blüht Vesselina Kasarova sofort auf, wenn sie nicht nur über biographische Details, sondern über die Essentials ihrer Profession sprechen kann. Sie beherrscht das Deutsche fliessend und eloquent und agiert in der Diskussion sehr lebhaft und engagiert. Sie hat meinen Artikel über den Koloraturalt in «Klassik heute» gelesen (12/98), deshalb will ich ihre Meinung zu der alten Streitfrage, ob man bei dem hier beschriebenen Repertoire von „Alt" sprechen dürfe oder ob nicht - wie auch von Leserseite angemerkt - die Bezeichnung „Mezzosopran" korrekter wäre. Frau Kasarova ist mit mir der Meinung, dass eine solche Unterscheidung bei Rossini und der Belcanto-Oper keinen Sinn habe, denn die Primadonnen dieser Zeit verfügten über einen Stimmumfang von drei Oktaven und konnten vom Kontra-Alt bis zum Sopran (hohes C eingeschlossen) alles singen.
Ohne es zu ahnen, habe ich ihr mit diesem Einstieg gleich die Plattform geliefert, einen grossen Ärger abzuladen. Da sie alles liest, was über sie geschrieben wird - „Ich habe alle Fachzeitschriften abonniert" -, kam ihr auch eine englische Rezension der Capuleti-Aufnahme zu Gesicht, in der ihrem Romeo die echte Alt-Tiefe abgesprochen wurde. Und spontan orgelt sie in der tiefen Lage los, führt mir vor, dass es Naturtöne sind, die sie da ohne jeden Druck produzieren kann. Natürlich, so meint sie, müsse man Rollen wie Romeo mit einer ganz anderen Stimme singen als etwa den Cherubin, und es ist ihr Ehrgeiz und ihr Stolz, für jede Rolle eine eigene Stimmfarbe zu finden. Viele kritische Hörer wissen das zu schätzen, andere verstehen es einfach nicht: „Glauben Sie mir, es gibt in Ihrem Metier viele Leute, die nicht wissen, wovon sie sprechen!"
Es fällt auf, dass Vesselina Kasarova in den ersten zehn Jahren ihr Repertoire in engen Fachgrenzen gehalten hat und auch die Planung der nächsten fünf Jahre bestätigt den bisherigen Kurs. Im Zentrum stehen Mozart und Rossini, ergänzt durch einige Rollen bei Bellini und Donizetti sowie Offenbach und Massenet. Dabei hat es in den letzten Jahren nicht an Angeboten für Azucena, Amneris, Santuzza oder den Adriano in Rienzi gefehlt, die sie selbst auf die Gefahr hin abgelehnt hat, sich bei den Anfragenden für immer unbeliebt zu machen. Bei diesen Entscheidungen ging es weniger um die Grenzen der Stimme (über die reine Power für die genannten Rollen würde sie verfügen), sondern um das physische und psychische Bereitsein. Vesselina Kasarova betrachtet sich explizit als eine dramatische Sängerin, auch wenn sie nicht die Rollen singt, die man mit diesem Begriff verbindet, aber: Ein piano bei Mozart kann ungemein dramatisch sein."
Doch auch das Belcanto-Repertoire bietet nicht nur vokales l'art pour l'art, wie viele Verächter meinen, sondern fordert den Sänger zugleich von der darstellerischen Seite. Welche seelischen Facetten in den Figuren Bellinis und Donizettis sichtbar gemacht werden können, hat Vesselina Kasarova mehr als einmal vor allem als Romeo und als Giovanna Seymour in Anna Bolena unter Beweis gestellt. Die Münchner Produktion der Donizetti-Oper von 1995, die auch in diesem Festspielsommer wieder auf dem Programm steht, war ein Meilenstein auf dem Wege theatralischer Erschliessung des auf deutschen Bühnen lange verpönten Repertoires. Zugleich besiegelte sie die Idealpartnerschaft zwischen der Mezzosopranistin und der derzeitigen Primadonna assoluta des Belcanto, Edita Gruberova. Bereits 1992 hatte Kasarova an der Seite der slowakischen Diva in einer konzertanten Beatrice di Tenda mitgewirkt, die beim Label Nightingale auch auf CD veröffentlicht wurde, mittlerweile geben die beiden Sängerinnen regelmässig gemeinsame Konzerte.
Vesselina Kasarovas Terminkalender reicht im Augenblick bis zum November 2003, wo sie in Barcelona, wiederum mit Edita Gruberova, in Anna Bolena auftreten wird. Nach wie vor spielen Mozart und Rossini bei ihr die erste Geige: Titus in München, Idomeneo in San Francisco und im nächsten Jahr unter Michael Gielen bei den Salzburger Festspielen, wo sie unter Claudio Abbado auch die Dorabella singen wird. München und Paris können sich ihrer Italienerin in Algier erfreuen, in Wien und in Chicago erwartet man sie als Rosina im Barbier von Sevilla. Als Werthers Charlotte wird man sie in Zürich und in San Francisco erleben können. Daneben gibt es noch einige Romeos und Giovannas. Die wichtigste neue Rolle der nächsten Jahre wird der Octavian im Rosenkavalier sein, den sie im Oktober des nächsten Jahres gleich an prominenter Stelle, nämlich an der Metropolitan Opera, ausprobieren wird.
Doch auch in Richtung französische Oper will sie ihr Repertoire gerne erweitern. Einen Anfang macht sie bei den diesjährigen Salzburger Festspielen mit Marguerite in Berlioz' Damnation de Faust. Mignon wäre schön, aber auch Dulcinée oder die Muse in Hoffmanns Erzählungen, doch da liegen noch keine konkreten Angebote vor. Beschlossene Sache ist dagegen die Fortsetzung des erfolgreichen Offenbach-Zyklus unter Nikolaus Harnoncourt in Zürich. Auf La belle Hélène und La Périchole folgt 2002 Die Grossherzogin von Geroldstein, eine grosse Herausforderung für die Schauspielerin Kasarova.
Und Carmen? Schon seit ein paar Jahren wird ihr diese Rolle angetragen. Die Arien sowie das Schlussduett hat sie auch schon häufig im Konzert gesungen. Es gibt also keine musikalischen Vorbehalte. Doch die Sängerin sieht ein Problem darin, diese Rolle emotional zu meistern, sie in psychologischer Hinsicht transparent zu machen. Eine adäquate Darstellung kann sie sich nur im Zusammenwirken mit einer Regie vorstellen, die nicht den gängigen Klischees folgt. Für Vesselina Kasarova ist Bizets Oper die tragische Geschichte einer starken Frau und eines gewöhnlichen Mannes, der durch sein typisch männliches Verhalten seine Existenz einbüsst und am Ende in der Gewalt gegen die Frau die einzige Antwort auf seine selbstverschuldete Misere findet. Dieser feministische Aspekt der Rolle und des Stücks wurde interessanterweise auch von Teresa Berganza in den Vordergrund gerückt, als sie sich 1977 in Edinburgh an ihre erste Carmen heranwagte.
Neue Einspielungen
Im Rahmen ihres Exklusiv-Vertrages mit der Firma RCA ist in den letzten Monaten eine Reihe von neuen Aufnahmen entstanden, die den Ausnahmerang der Künstlerin bestätigen. Ein ausschliesslich Rossini gewidmetes Recital, erst vor ein paar Wochen auf den Markt gekommen, ist dazu angetan, das Geheimnis ihres Erfolges zu erklären. Es beruht in erster Linie auf der glücklichen Synthese von Spontaneität und Kalkül. Kasarova zeigt, dass sich Natürlichkeit und Kunstfertigkeit nicht ausschliessen müssen, bei aller Virtuosität singt sie immer „con anima" und gerade dadurch erweist sie Rossinis oft verkannte Grösse. Dass sie eher die Tradition Teresa Berganzas als die Marilyn Hornes fortsetzt, wird bei ihrer mädchenhaft anrührenden Cenerentola besonders deutlich, doch muss sie in den kraftvollen contralto-Hosenrollen des Arsace und des Falliero neben der grossen Amerikanerin nicht verblassen. Daneben präsentiert sie sich in den Sopranrollen der Armida und der Elena (Schlussrondo aus La donna del lago) und übernimmt in der Nachfolge Maria Malibrans sogar die Tenorpartie des Otello.
Bereits „im Kasten" ist auch eine Gesamtaufnahme des Werther, die im Herbst veröffentlicht werden soll. Und es ist sicher mehr als nur eine PR-Floskel, wenn Vesselina Kasarova bekennt, dass Charlotte mittlerweile ihre Lieblingsrolle sei. Die Fraulichkeit dieser Partie kommt ihrem warm strömenden Mezzo und ihrer hohen Emotionalität in idealer Weise entgegen. Im Juli 1996 hatte sie die Rolle in Zürich neben Francisco Araizas Werther erstmals auf der Bühne gesungen. Zwei Jahre später wirkte sie in der denkwürdigen konzertanten Aufführung an der Deutschen Oper Berlin mit, wo die 71-jährige Tenor-Legende Alfredo Kraus ihren unglücklichen Liebhaber nicht nur sang, sondern lebte. Ein ganz und gar anderer Werther stand ihr im Studio gegenüber, aber zugleich ein vertrauter Partner aus zahlreichen früheren Produktionen: Ramón Vargas, der sich mit Erfolg aus dem lirico-leggero-Fach hinausbewegt zu den grossen lyrischen Partien des italienischen und französischen Repertoires. Der Dirigent der Aufnahme ist ein Newcomer, der hochbegabte Vladimir Jurowski, derzeit noch koordinierender Erster Kapellmeister an der Komischen Oper Berlin, jedoch auf dem Sprung zu einer grossen internationalen Karriere. Die Sängerin ist voll des Lobes über seine detaillierte Vorbereitung der Produktion.
Noch ist dieser Werther nicht veröffentlicht, schon wird der nächste gemeinsame Coup von RCA und Vesselina Kasarova vorbereitet. Im April wurde in München die konzertante Aufführung von Donizettis La favorite mitgeschnitten, jenes Werk, mit dem der Meister aus Bergamo 1840 die französische Hauptstadt endgültig eroberte. Obwohl hierzulande nur in der italienischen Adaption bekannt, gilt es als ein Hauptwerk in der Gattung der Grand Opéra, wie sie von Komponisten wie Meyerbeer und Halévy vorgeprägt war. Die Rolle der edlen, in ihrer Liebe tragisch scheiternden Kurtisane Léonor war von jeher eine der Paraderollen grosser Altistinnen. Wieder ist Ramón Vargas der tenorale Liebhaber, Marcello Viotti ist der im Belcanto-Repertoire versierte Maestro.
Le goût bulgare
La mezzo-soprano Vesselina Kasarova fait partie de la « troisième génération » des rossiniennes - après le règne des Marilyn Horne et Lucia Valentini-Terrani. Un nouveau disque Rossini accompagne sa venue à Paris, pour un récital.
Née à Stara Zagora, Vesselina Kasarova grandit en Bulgarie. « Mes parents n'étaient pas musiciens mais ont toujours aimé l'opéra et la musique. Je ne me souviens pas particulièrement comment je me suis convertie à la musique, car elle a toujours été présente et fait partie de ma vie. » La découverte de l'opéra et de la voix s'est donc imposée, vers l'âge de dix-huite ans. « Je voulais devenir pianiste. J'étudiais le piano depuis un certain temps déjà, je travaillais donc avec des chanteurs. Un jour l'un d'entre eux m'a dit : "Tu sais que tu as une jolie voix, pourquoi n'essaies-tu pas de la travailler ?" Je dois dire que je n'éprouvais pas un grand respect pour les chanteurs ... Leur caractère, leur façon de se mettre en avant, leur ego ... Jamais auparavant, je n'aurais imaginé devenir une chanteuse d'opéra. » De sa Bulgarie, qui a tout de même donné à l'opéra quelques-unes les voix les plus sculpturales de ce siècle - Boris Christoff, Nicolai Ghiaurov -, Vesselina garde d'excellents souvenirs : « Les conditions pour faire de la musique furent idéales. La musique et le sport, d'ailleurs, n'ont jamais été contrariés par la politique. La Bulgarie compte huit millions de personnes - comme tout Paris ! - et beaucoup de talents. »
Au Conservatoire de Sofia, Vesselina travaille donc, avec Ressa Koleva, sa tessiture naturelle de mezzo - une voix fluide, fraîche, déliée et agile, capable d'envolées dans l'aigu dignes des sopranos, dotée néanmoins de graves corsés et sombres - et commence à interpréter des rôles importants à l'Opéra National de la ville. En 1989, elle devient membre de l'Opéra de Zurich et reçoit le Premier Prix au concours « Neue Stimmen » de Gütersloh en Allemagne. L'année 1991 marque le début de sa carrière internationale ; elle se produit peu à peu à Genève, Vienne, Florence, Barcelone, Berlin, Londres, Amsterdam, Munich, aux Festivals de Bregenz et de Salzbourg, où elle interprète plusieurs rôles mozartiens. En 1996, elle remplace Marilyn Horne au pied levé, lors d'un recital à la Salle Gaveau. Triomphe absolu. Paris est à ses pieds. Le miracle se reproduira quelques mois plus tard, quand la Bastille l'invitera dans Roméo des Capuleti de Bellini. La voix, à laquelle le disque ne conférit qu'une timide projection, sonne enfin volumineuse et autoritaire, tandis que l'interprète, que l'on croyait aussi discrète que son doux physique à la garçonne, se libérait soudainement et brûlait les planches. Un tempérament de feu, une présence péremptoire, digne héritière de Marylin Horne et parfois jumelle de la mezzo française Martine Dupuy, sa plus proche parente.
Depuis, Vesselina Kasarova court le monde, enchaîne rôle sur rôle, sans trop se poser de questions sur ses choix et l'orientation de sa carrière. Qu'elle travaille avec Patrice Chéreau sur Zerlina ou avec Riccardo Muti dans Les noces de Figaro, ces étapes essentielles se franchissent tout naturellement, avec bonheur. Mozartienne et rossinienne boulimique hier, elle inscrit désormais Offenbach (La Périchole) parmi la panoplie exponentielle de ses nouveaux personnages - auxquels s'ajoutera bientôt Octavian du Chevalier à la rose de Richard Strauss.
L'agenda de la chanteuse, plein à craquer jusqu'en ... 2004, laisse peu de place à celui de la femme. Sa vie ? La famille, le bébé qu'elle vient juste d'avoir. Ses passe-temps ? « Lire, me promener, faire la cuisine pour mes amis ... » Ecouter de la musique ? « Ma vie est à tel point remplie des rôles et de leurs notes que chaque nouveau personnage l'absorbe tout entière. De la musique, j'en écoute peu. Mais un bon rock chiadé, des concertos sympas, j'aime bien ... »
Réfléchir sur l'opéra, sur le répertoire, avoir du recul sur sa carrière n'est pas le point fort de Vesselina : « Je ne me vois ni me projette dans quinze ou vingt ans. Je chante, et je dois seule savoir ce que j'ai à faire. Dans le chant, je crois beaucoup à l'intuition. Je reste toujours positive et optimiste, et me réjouis de chaque projet. Tout nouveau rendez-vous a son importance. Il ne se passe pas un jour sans que je réalise la chance que j'ai de faire ce métier. Depuis deux, trois ans, je me rends compte des progrès que j'ai accomplis : plus d'expressivité dans les détails, plus de couleurs. »
Le mot diva ? Un compliment, sans doute, mais étranger à son vocabulaire. Mais qu'a-t-elle en commun avec les autres chanteurs ? Peu de choses, à vrai dire. « Le milieu de l'opéra me plaît moyennement ; je m'y sens presque étrangère. Je suis d'ailleurs. » Rien de surprenant, finalement, quand elle avoue que la Charlotte de Werther est son personnage préféré : « Je ressens, je comprends ce qu'est Charlotte. Elle est romantique. Et forte. A la fois forte et peu sûre d'elle. Positive. »
La vie en mezzo-forte
Malgré des possibilités artistiques évidentes et des moyens vocaux impressionants, Vesselina Kasarova ne s'est lancée dans la carrière qu'avec prudence. Face au succès et à l'afflux (aussi inévitable que flatteur) des sollicitations de grandes scènes, cette jeune femme moderne garde, à trente-trois ans, la tête sur les épaules. Propos receuillis par Georges Gad.
« Respirer, quoi de plus naturel lorsque l'on chante ? » Au bout de dix ans d'une carrière déjà internationale, le parcours de Vesselina Kasarova reste atypique et résiste à la spirale des engagements tous azimuts et à l'accumulation systématique des rôles : « Récitals, concerts et opéras mélangés, je ne m'autorise jamais plus de cinquante représentations par an. Je repousse les pressions. Le succès ne me grise pas. » Pour cette jeune mère d'un petit garçon, la priorité reste la famille : « C'est la meilleure chose de la vie, le seul réconfort lorsque les choses ne tournent pas comme on le souhaite. »
C'est en 1989 que cette mezzo-soprano, née en Bulgarie, à Stara Zagora, devient membre permanent dans la troupe de l'Opéra de Zurich après avoir emporté la même année le concours des Nouvelles Voix de Gütersloh, en Allemagne. Outre la qualité des mises en scène, Zurich présente bien des avantages pour une jeune artiste lyrique. Chaque saison offre une moisson de rôles de second plan. « Dans cet univers protégé, j'ai pu aborder des personnages aussi divers qu'Annio dans La Clémence de Titus. Stéphano dans Roméo et Juliette de Gounod, Anna dans Les Troyens de Berlioz, Olga dans Eugène Onéguine de Tchaïkovski. Au Staatsoper de Vienne, où j'ai débuté en 1991, j'ai pu compléter cette formation et me ‘faire les dents' sur Fjodor de Boris Godunov, Pauline de La Dame de pique de Tchaïkovski, Bersi dans Andrea Chénier de Giordano. Par la suite, j'ai interprété à Vienne Chérubin des Noces de Figaro de Mozart, Meg Page dans Falstaff de Verdi ... Petit à petit, j'ai inscrit trente-six rôles à mon répertoire. On apprend à vivre sur scène, on découvre rôles et collègues. C'est le seul moyen d'acquérir une expérience qui permet de savoir dans quel type de répertoire on est le plus à son avantage. Aujourd'hui, je retourne régulièrement à Zurich pour y préparer un nouveau rôle, par exemple La belle Hélène d'Offenbach, que je chante sous la direction d'Harnoncourt. Là-bas les conditions de travail sont toujours chaleureuses. »
"L'ambiguïté d'une femme en habit d'homme est plus troublante"
C'est toute jeune que Vesselina Kasarova commence sa formation musicale dans son pays natal. Initialement, son rêve est de devenir pianiste, mais après douze années d'études, le chant l'attire. Avant même qu'elle achève ses études au Conservatoire de Sofia, l'Opéra national l'engage. Ses premiers rôles y sont Rosine dans Le Barbier de Séville de Rossini, mais aussi Dorabella dans Così fan tutte de Mozart, Fenena dans Nabucco et Preziosilla dans La Force du destin de Verdi.
Avec un timbre dont l'autorité est naturelle, une absence remarquable de sophistication et une grande agilité vocale, Kasarova s'est imposée dans Rossini. RCA Victor propose aujourd'hui le nouvel album de sa mezzo vedette, consacré aux airs et duos d'opéras de ce compositeur, où la voix extrêmement grave de Kasarova laisse une empreinte très personelle, en dépit de la concurrence. « J'aime Rossini, j'aime les rôles travstis. Lorsqu'on est mezzo-soprano spécialisée dans le bel canto, cela tombe bien ! Le pantalon n'est pas le carcan que beaucoup imaginent. Il est bien plus délicat pour un homme d'interpréter un personnage féminin ! Même si, jusque dans l'art lyrique, le jeu dramatique est primordial, on ne parle pas dans notre métier d'"incarnation". Mes consœurs et moi savons bien que l'opéra est plus que toute autre expression assujetti à une convention dramatique, et je ne prétends pas donner le change ; mais l'ambiguïté d'une femme en habit d'homme est une chose plus subtile, plus troublante. Après tout, c'est la femme qui donne la vie ! Au point de vue de l'aspect physique, c'est un peu particulier : le costumier doit faire preuve d'imagination ou de compréhension à notre égard ! »
Ne peut-on craindre à la longue une lassitude ? « Si, et c'est pour cela qu'il faut se donner des objectifs, penser au futur et ne pas griller toutes ses cartouches en quelques années : Arsace dans Semiramide, par exemple, qu l'on m'a déjà réclamé plusieurs fois, est un rôle que je réserve pour l'avenir ... Tout dépend de ce que vous désirez chanter : si ce sont les grands Verdi et Carmen qui vous intéressent, la démarche est différente. Pour moi, l'essentiel est de maintenir ma voix dans son état actuel. Je tiens avant tout à préserver sa souplesse. »
La réputation aidant, et pour éviter les déconvenues, Kasarova préfère réfléchir à son répertoire et faire des choix. « Cela n'interdit pas la fantaisie : Otello, par exemple ! Rossini a composé le rôle pour un ténor, mais au XIXe siècle, les divas donnaient des soirées spéciales, résérvées à leurs admirateurs. Maria Malibran a chanté des extraits du rôle d'Otello au cours d'un concert de ce genre. J'ai voulu, dans mon dernier enregistrement, renouer avec cette tradition, ce qui ne serait pas possible à la scène. Dans son intégralité, un tel rôle est trop sombre, trop violent. J'ai choisi le duo entre Otello et Rodrigo qu'interprète le jeune ténor Juan Diego Flórez.
"Je ne connais pas de divas. Mais je connais Jennifer et Cecilia"
Vesselina Kasarova aime retrouver sur disque ses partenaires à la scène. « Cela ne m'aide pas à dominer plus aisément les difficultés techniques, mais me permet de mieux travailler les contrastes, de nuancer les couleurs. » Ainsi collabore-t-elle depuis plusieurs années avec la soprano Edita Gruberova. Ensemble, elles ont gravé, entre autres, Beatrice di Tenda de Bellini. Kasarova compare volontiers Bellini à Mozart. Interprète de Roméo dans I Capuleti e i Montecchi (on se souvient de sa participation à la production de l ‘Opéra-Bastille et de l'enregistrement paru chez RCA), elle a aussi beaucoup chanté Sesto de La Clémence de Titus, deux personnages avec lesquels elle a beaucoup d'affinités : « J'aime cette combination de bravoure et d'élégance. On présente trop souvent ces personnages comme des adolecents au comportement irresponsable ; je préfère voir en eux des héros positifs. Dans la vie, je suis une personne constructive. »
Kasarova vient de remporter à Barcelone un triomphe en Ruggiero d'Alcina de Haendel. Est-ce là une première étape vers le répertoire baroque ? « Jules César ou Alcina, comme les œuvres de Gluck, sont malheureusement peu joués, et de plus en plus réservés à des ensembles spécialisés dans la musique baroque. De toute manière, il n'y a que quelques metteurs en scène capables d'offrir une vision à la fois noble et profonde d'Orphée et Eurydice. Avec Haendel, je prends des libertés, la dynamique est plus importante que la mesure. Le compositeur fait particulièrement confiance aux interprètes. Je travaille seule, mais je suis attentive aux indications du chef d'orchestre. »
Compte tenu de ses facilités vocales, a-t-elle envie de flirter avec le répertoire de soprano ? « On ma proposé Iphigénie en Tauride, mais c'est dangereux. Non que je refuse de courir un risque : on devrait être en mesure d'accepter un rôle comme celui-ci pour une série limitée de représentations. Mais si vous chantez un rôle ne serait-ce qu'une fois, a fortiori avec succès, on vous le demande partout, et si vous refusez, vous risquez de fâcher les directeurs. L'opéra baroque a besoin d'intimité. Je ne déteste pas non plus chanter avec des instruments anciens, c'est plus confortable pour la voix et favorise la beauté du timbre. » Le répertoire français n'est pas encore à l'ordre du jour. « J'ai interprété Charlotte de Werther à Zurich en 1996. Un jour, j'alternerai le répertoire italien avec Carmen. Pour Samson et Dalila de Saint-Saëns, nous verrons plus tard. »
Cecilia Bartoli chez Decca, Jennifer Larmore chez Warner, Olga Borodina chez Philips, Angelica Kirchschlager et Susan Graham chez Sony, Anne Sofie von Otter chez Archiv et DG : notre époque ne manque pas de voix graves. La rivalité est-elle stimulante ? « Chacune de nous a sa manière d'aborder un personnage. Cela aiguise la curiosité du public et le fidélise en même temps. Cela nous évite aussi de nous reposer sur nos lauriers. Plus que de rivalité, on peut parler d'enrichissement. Je ne connais pas de divas. En revanche, je connais Jennifer et Cecilia. Je les respecte d'autant plus que je partage leurs problèmes. Lorsque nous nous rencontrons, ce n'est pas pour discuter profession ou technique vocale. Nous échangeons des recettes de cuisine ou parlons de notre vie privée. »
Que réserve l'horizon 2000 à Vesselina ? « Octavian dans Le Chevalier à la rose au Metropolitan Opera de New York. Ce seront là mes premiers pas dans le répertoire straussien. » En revanche, le complet-veston du Compositeur d'Ariane à Naxos restera au placard, lui ! » Sa personnalité ne m'intéresse pas. Je travaille aussi à approfondir mon répertoire de lieder. Brahms a composé les plus belles mélodies pour la voix de mezzo, mais j'aime aussi Schubert et Schumann. Dans ce domaine, je compte bien me plonger dans le répertoire français. En attendant, je songe à apprendre La Favorite de Donizetti. »
Schönheit und Natürlichkeit
Porträt Vesselina Kasarova
Im März 1992 sprang sie buchstäblich in letzter Sekunde für eine erkrankte Kollegin ein und rettete in München einen Liederabend. Die 27jährige musste damals von Wien aus im Taxi anreisen - ein Flug war sechs Stunden vor Konzertbeginn nicht mehr zu bekommen. Der Abend wurde zum Triumph der jungen, völlig unbekannten Mezzosopranistin, die dann 1995 neben Edita Gruberova in Donizettis Anna Bolena die Giovanna Seymour sang. Jetzt kehrt Vesselina Kasarova ans Nationaltheater zurück: In Mozarts La clemenza di Tito verkörpert sie den Sesto - eine ihrer geliebten Hosenrollen.
Die besitzen einen eigenen Reiz für die Bulgarin, weil sie eine ganz bestimmte Darstellung, eine eigene Ästhetik, eine besondere Körpersprache und Eleganz erfordern. Natürlich sind Hosenrollen zentral im Repertoire einer jungen Mezzosopranistin, und doch singt Vesselina Kasarova solche Männerpartien besonders gern, weil sie darin nie Gefahr läuft, einfach das zu verkörpern, was sie ist. In einer Männerpartie beobachtet sie sich noch genauer, kontrolliert ihr Spiel intensiver - das ist eine grössere Herausforderung. Und Vesselina Kasarova liebt Herausforderungen. „Ich fühle anders, weil die Gefühle eines Mannes andere sind. Deshalb singe ich auch mit anderen Farben. Sesto beispielsweise ist eine reiche Partie mit einer breiten Gefühlspalette. Da lässt sich allein mit der stimmlichen Darstellung so viel zeigen, die Romantik, die Tragik dieser Figur, einfach alles." Kontrolle des eigenen Spiels und die Darstellung von Emotionen - erlaubt sie sich Gefühle auf der Bühne, oder sind ihre Figuren ganz aus dem kontrollierten Kalkül gestaltet? „Man muss eine Balance finden. Wenn nur der Kopf im Spiel ist, ist das natürlich schlecht, aber zuviel Gefühl darf auch nicht beteiligt sein. Man muss das genau kontrollieren."
Natürlich wirken ist das Wichtigste
Weniger Emotionen bringt sie deshalb nicht ein. Aber sie weiss genau, was sie ausdrücken will, möchte genau verstehen, worum es geht, überlegen, wie sie in einer bestimmten Situation reagieren würde. „Natürlich ist Oper unrealistisch, aber ich versuche, realistisch zu reagieren, nicht übertrieben. Allenfalls spiele ich eine Spur intensiver, als ich es in der Realität tun würde, weil die Distanz zwischen Bühne und Publikum die Gesten und Bewegungen abschwächt. Aber man sollte immer natürlich wirken, das ist das Wichtigste." Absolut natürlich ist sie auch im Gespräch - frei von Allüren, freundlich, fast bescheiden, einfach extrem sympathisch. Die musikalische Ausbildung in ihrer Heimat war exzellent. Früh erkannten die Eltern ihr musikalisches Talent, mit vier Jahren erhielt sie Klavierunterricht, und in der Grundschule stand das Klavierspiel ebenso im Zentrum wie auf dem Gymnasium, das sie mit dem Konzertdiplom abschloss. Doch die Stimme faszinierte sie von jeher, als Pianistin arbeitete sie immer auch mit Sängern. „Ich wusste, dass es etwas Aussergewöhnliches ist, zu singen. Die Stimme ist das einzige Instrument, zu dem wir keinen Kontakt haben, alle anderen können wir anfassen. Für die Stimme braucht man enorme Intuition - und Gesundheit." Trotzdem begann sie erst mit achtzehn Jahren am Konservatorium in Sofia eine fünfjährige, für sie ideale Gesangsausbildung. Noch heute schwärmt sie von ihrer Lehrerin Ressa Koleva, die ein absoluter Glücksfall für die junge Sängerin war und bis heute ihre einzige Lehrerin geblieben ist. „Es gibt tolle Lehrer, aber nicht jeder Sänger kann mit ihnen arbeiten - ein psychologisches Problem und ein sehr individuelles. Das gute Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler ist entscheidend." Schon während ihres Studiums trat sie in Sofia an der Oper auf, 1989 folgte nach einem Wettbewerbserfolg in Gütersloh ein Engagement an die Züricher Oper, 1991 an die Wiener Staatsoper.
Zum Gesangsstudium gehörte ein intensiver Schauspielunterricht, was Vesselina Kasarova für zentral hält. „Für heutige Regiekonzepte reicht es nicht zu singen, man muss spielen, das ist genauso wichtig - für mich persönlich ohnehin. In Momenten, die nicht gut inszeniert sind und in denen ich nicht genau weiss, was ich tun soll, singe ich auch nicht so gut." Ein wechselseitiger Prozess also: Die Bewegungen entwickeln sich aus der Musik, doch sie beeinflussen auch den Gesang.
Zu den Proben erscheint sie mit genauen Vorstellungen, nicht nur bei Werken, die sie schon einmal gemacht hat. Für sie steht alles in der Partitur, doch sie kennt auch keine Scheu vor Aufnahmen von Kollegen, um einen Gesamteindruck von dem Werk zu bekommen. Trotzdem versucht sie zu vergessen, was sie zuvor gemacht hat, wenn sie ein Stück mit einem neuen Regisseur einstudiert. „Die Bewegungen, die Körpersprache müssen völlig neu sein, schon weil die Kostüme andere sind." Insgesamt hat sie eher gute Erfahrungen mit Regisseuren gemacht - vielleicht auch, weil sie intensive Proben nicht scheut, mögen sie auch viel Kraft kosten. „Natürlich sind manche Regisseure schwierig, aber es gibt auch schwierige Sänger, die von Anfang an zu allem nein sagen. Ich versuche zunächst einmal, umzusetzen, was man von mir fordert. Und manchmal war es durchaus so, dass Dinge, die mir zunächst grosse Sorgen machten, im Endeffekt geholfen haben. Erst wenn ich sehe, dass etwas wirklich unmöglich ist oder auf meine Kosten geht, suche ich nach anderen Lösungen."
Singen als Hochleistungssport
Ihre Partien wählt die 34jährige sorgfältig und auch vorsichtig aus, übernimmt grundsätzlich keine, von denen sie glaubt, sie kämen zu früh oder wären - noch - zu dramatisch. Mit wachsendem Erfolg wächst auch ihr Respekt. „Singen ist ein Hochleistungssport, und auf der Bühne sind auch die leichtesten Partien schwierig. Wem soll ich etwas beweisen? Sicher wird irgendwann Carmen kommen, nach der ich dauernd gefragt werde, doch vieles kann warten. Man muss Risiken eingehen, aber kontrolliert, die Gefahr ist ohnehin gross genug für Sänger. Ein anderer Mezzo in meinem Alter kann vielleicht eine Partie singen, die ich jetzt noch nicht singen sollte. Das ist alles so individuell, genau wie im Leben. Eine Stimme ist eine Persönlichkeit, sie ist die Seele, sie ist alles."
Deshalb sollen Mozart und Rossini immer im Zentrum ihres Repertoires stehen. Es wird Ausflüge ins französische Repertoire geben, auch der Belcanto soll weiter eine Rolle spielen, aber sie will immer wieder zu Mozart zurückkehren. „Ich möchte nicht, dass meine Stimme ihre Beweglichkeit und Leichtigkeit verliert, möchte niemals ein bestimmtes Repertoire singen müssen, weil ich das jetztige nicht mehr singen kann."
Mozart ist der genialste Komponist
Daneben ist es ihr aber vor allem wichtig, dass ihre Rollen sie auch schauspielerisch reizen. Sesto ist eine solche Partie, oder Bellinis Romeo. Vesselina Kasarova hat Cenerentola gesungen, eine attraktive Gesangspartie mit enorm effektvoller Schlussarie. „Aber darstellerisch? Die Charlotte in Massenets Werther ist viel spannender, obwohl sie keine Titelpartie ist. Es geht mir nicht um ein paar herausragende Gesangsnummern, sondern darum, einen Charakter darstellen zu können, seine Entwicklung zu zeigen.
Natürlich war es nicht immer einfach, Partien abzulehnen. Gerade slawische Stimmen werden gerne ins dramatische Repertoire gezwängt, ein unausrottbares Vorurteil, denn auch diese Stimmen dürfen nicht zu jung sein. Vesselina Kasarova sucht nach den leisen, den Zwischentönen, pflegt ganz bewusst die Kultur des Piano und Mezzavoce. Deshalb hält sie Mozart für den genialsten Komponisten überhaupt. Niemand habe im leisesten Piano mit derart wenigen Mitteln eine solche Intensität und Dramatik erzeugt. „Mozart ist überhaupt nicht leicht - im Sinne von lyrisch. Er ist enorm dramatisch, wenn auch auf ganz natürliche Weise. Das ist wie im täglichen Leben, manchmal ist man traurig, aber man schreit deswegen nicht, man zieht sich zurück und will allein sein. Genau so drückt Mozart Gefühle aus - völlig natürlich.
Immer positiv denken und leben
Natürlichkeit und Schönheit - für Vesselina Kasarova muss Musik immer schön bleiben. Vor allem will sie nicht gegen ein lärmendes Orchester anschreien, nicht brüllen, sondern musizieren. „So sollte es immer sein, nicht nur im Belcanto, sondern auch bei Wagner. Es ist enorm wichtig, mit wem man singt, und vor allem, wer am Pult steht. Falsche Tempi und Dynamik können auch in einer ganz einfachen Partie sehr müde machen. Leider gibt es nur wenige Dirigenten, die die Sänger wirklich lieben. Ivor Bolton, mit dem ich hier zum ersten Mal arbeite, ist so jemand: ein toller Musiker und ein aussergewöhnlicher Mensch, bei dem man sich als Sänger wirklich wohlfühlt - das Wichtigste, wenn man auf der Bühne steht."
Pläne für die Zukunft gibt es genug, dazu gehört mehr Liedgesang, auch deutscher, ein Repertoire, für das sie sich viel Zeit gelassen, mit dem sie im Grunde erst vor zwei Jahren richtig begonnen hat. Liederabende liebt sie auch deshalb, weil sie so „unendlich viel intimer sind als eine Opernaufführung."
Rund fünfzig Abende im Jahr steht sie auf der Bühne oder dem Konzertpodium. Die Kommunikation zwischen ihr und dem Publikum ist ihr dabei immer wichtig. Das permanente Leben im Hotel, das dieses Leben mit sich bringt, akzeptiert die Künstlerin ganz nüchtern. Sie versucht, die Zeit sinnvoll auszufüllen, mit Spaziergängen, Lesen, dem Erarbeiten einer neuen Partie. Und sie geniesst es, an manchen Tagen ganz einfach nicht arbeiten zu müssen. „Ein grosser Luxus! Ich versuche immer, positiv zu denken und zu leben, bei allen Schwierigkeiten, die dazu gehören. Jetzt, mit meinem Baby, ist die seelische Belastung natürlich noch grösser. Aber ich möchte das Kind nicht mitnehmen, es braucht ein Zuhause und die gewohnte Umgebung. Dort hat es meine Mutter und vor allem meinen Mann."
Persönlich
Vesselina Kasarova zählt zu den besten und gefragtesten Mezzosopranistinnen der Welt. Die 33-jährige Schweizerin bulgarischer Abstammung lebt seit sechs Jahren in der Nähe Zürichs. Vor kurzem hat sie ihre achte CD - mit Rossini-Arien und -Duetten - veröffentlicht.
Wie würden Sie einem Fremden Ihr Äusseres beschreiben?
Im täglichen Leben habe ich viele Gesichter. Ich bin scheu, aber auch offen; melancholisch aber auch, wie mein Name im Bulgarischen bedeutet, fröhlich. Auf der Bühne habe ich - Gott sei Dank! - Nerven aus Stahl.
Was macht Sie einzigartig?
Vielleicht, wie mir oft bescheinigt wird, dass ich nicht einfach Noten singe, sondern musiziere und mit Farben die verschiedensten Gefühle zu gestalten versuche.
Auf welchen Luxus möchten Sie nie verzichten?
Materielle Dinge bedeuten mir nichts. Aber ich wünschte, ich könnte, in welcher Stadt auch immer ich auftrete, im meinem eigenen Bett schlafen.
Wie wohnen Sie?
Mein Zuhause ist mir sehr wichtig; hier erhole ich mich. Denn die meiste Zeit bin ich «on the road». Und auch wenn ich in den tollsten Städten wie Chicago, New York, Salzburg, London oder Paris auftrete, so vermisse ich immer Zürich und den Zürichsee.
Was ist Ihr ganz persönlicher Alptraum?
Dass meiner Familie etwas zustossen könnte.
Was treibt Ihnen die Schamröte ins Gesicht?
Komplimente.
Was bedeuten Ihnen Ruhm und Rampenlicht?
Ich geniesse sie, ohne davon abhängig zu sein. Mit Ruhm und Rampenlicht verbinde ich aber auch Disziplin und harte Arbeit.
Wer ist Ihr bester Freund?
Mein Mann.
Welches ist das schönste Kompliment, das Ihnen je gemacht wurde?
In Wien wartete einmal nach einer Vorstellung ein Mann, der an den Rollstuhl gefesselt war, und sagte, ich hätte ihm einen unvergesslichen Abend bereitet.
Mit wem möchten Sie nie in einem Lift stecken bleiben?
Mit jemandem, der noch mehr Angst als ich hat, dass so etwas passieren könnte! Das kommt daher, dass in Bulgarien die Lifte meist in einem wenig Vertrauen erweckenden Zustand sind. Sie funktionieren tadellos, aber eben ...
Was bedeuten Ihnen Kinder?
Alles! Ich kann das nicht erklären, aber ich weiss, dass mich jede Mutter versteht.
Was bringt Sie in den siebten Himmel?
Wenn mein Sohn Yves Lucien lacht.
Was bringt Sie auf die Palme?
Dickköpfige, sture Leute, die nicht fähig sind, eine andere Meinung nur schon anzuhören. Meistens haben sie nicht einmal recht! Und dann gibt es Dirigenten, welche Oper dirigieren, aber keine Ahnung von der menschlichen Stimme haben.
Wie lautet Ihr Lebensmotto?
Natürlich und bescheiden bleiben.
Welche Fähigkeiten hätten Sie gerne?
Ich bewundere Ballettänzer und -tänzerinnen. Sie müssen sich voll und ganz ihrer Kunst unterordnen, und doch ist ihre aktive Karriere zeitlich sehr kurz. Für mich persönlich wünschte ich, etwas ruhiger zu sein und mehr Kontrolle über meine Emotionen zu haben.
Was nehmen Sie mit in die Badewanne?
Meinen Sohn natürlich!
Mit wem träfen Sie sich gerne zum Tête-à-tête?
Mit Wolfgang Amadeus Mozart, dem Genie schlechthin und dem Meister in der Umsetzung von Gefühlen in Musik.
Welchen Moment möchten Sie noch einmal erleben?
Aus beruflicher Sicht mein Rollendebüt als Sesto in Mozarts «La clemenza di Tito» an den Salzburger Festspielen 1997.
Was würden Sie gerne erfinden?
Das Naheliegendste wäre ein Medikament, das uns Sängerinnen immun gegen alle Arten von Erkältungen machen würde.
Hosentyp
Die bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova begeistert die Opernfans - besonders in Männerrollen
Vesselina Kasarova ist überwältigt: „Nun stellen Sie sich vor, diesen Riesenraum müssen wir Sänger allein mit unserer Stimme füllen!" Wir stehen im wiederaufgebauten Liceu-Opernhaus von Barcelona und blicken in eine regelrechte Schlucht: Ganze 45 Meter liegt der Boden der Bühnentechnik unter uns, bis zum Dach sind es 25 Meter. Emsiges Sägen, Bohren, Hämmern und Schleifen allerorten, denn am 7. Oktober soll die Wiederöffnung gefeiert werden. Fertig sind bislang aber höchstens die Bauleiter - mit den Nerven: Schon jetzt ist klar, dass Teile des Untergeschosses im Rohbau bleiben. Aber die Party steigt trotzdem. „Leider ohne mich", schreit Vesselina Kasarova über den Lärm hinweg, „ich wäre gern dabeigewesen. Schliesslich hab' ich hier schon 1994 (corr. 1993) gesungen!"
Damals allerdings kannte die Bulgarin keiner. Sie hatte den Bertelsmann-Gesangswettbewerb in Gütersloh gewonnen, eine CD produzieren dürfen und sich ehrgeizig in ihrem Fach hochgearbeitet - als Rosina in Rossinis „Barbier von Sevilla" und Cherubino in Mozarts „Figaro": Eine der berühmtesten Männerrollen für Sängerinnen und Pflicht für jede Newcomerin, aber bald Routine. „Du bist jung, du hast eine brillante Ausbildung, du beherrschst die Rolle. Das ist die eine Hälfte des Berufs. Die andere: Du musst die Partie jeden Abend so singen, als wäre es das erste Mal. Egal wie du dich fühlst. Und das lernt man nicht auf dem Konservatorium."
Wenn es um ihren Beruf geht, fängt sie sonst eher sanfte Bulgarin Feuer. Plötzlich gestikuliert sie wild, redet wie ein Wasserfall und lässt vor Eifer sogar ihren Kaffee erkalten. Sie kokettiert aber nicht, sie beschönigt nichts, und sie macht auch nicht auf Show. „Wir aus dem Osten hatten das Glück einer phantastischen Schule. Unser Unterricht war mitnichten ein Trainingscamp für verdiente Künstler des Volkes. Es gab die Freiheit der Kunst, auch wenn damit harte Selbstdisziplin verbunden war. Mein erstes Engagement hatte ich an der Züricher Oper. Dort merkte ich bei aller Unsicherheit, dass mein Handwerk in Ordnung ist."
Wenig anfangen kann sie mit dem Vorurteil, slawische Stimmen seien technisch perfekt, aber kalt und leblos. „Sehen Sie, wir hatten gestern ein slawisches Hauptrollen-Trio. Luba Orgonasova in der Titelrolle, Ewa Podles und ich. Gab es da vielleicht irgendwelche stimmliche Gemeinsamkeiten?" In der Tat, das kann man nicht behaupten. Herbert Wernickes Düsseldorfer Händel-Inszenierung ist inzwischen in Barcelona gelandet und begeistert mit ihrer heiter-inspirierten, aber keineswegs läppischen Leichtigkeit das Publikum. Die drei nach Aussehen, Ausstrahlung und Stimme so unterschiedlichen Damen bestreiten einen Abend der vokalen Meisterleistungen. Neben dem Star Orgonasova ist es vor allem Frau Kasarova, die in ihrer Hosenrolle des Ruggiero eine famose Bühnenpräsenz zeigt. Sie mimt den verzauberten jugendlichen Liebhaber und salutiert am Ende mit schwungvoller Geste ins Publikum. „Also, heutzutage wird uns Sängerinnen viel mehr abverlangt. Früher standen dicke Primadonnen wie festgenagelt an der Rampe und durften sich auf ihre Arien konzentrieren. Heute verlangt die Regie Beweglichkeit, Aktion und bisweilen ungewöhnliche Posen. In der ‚Alcina' etwa klettere ich auf dieses goldene Frauenbein und singe meine Arie in vier Meter Höhe. Da wird die Luft schon dünn!"
Wer die Kritiken der Kasarova studiert, stösst überwiegend auf Zustimmung - nicht nur wegen ihrer stimmlichen Qualitäten, sondern auch dank ihres schauspielerischen Talents. Fast scheint es, als fühle sie sich in Hosen am wohlsten. Grund wohl auch für abstruse Gerüchte, die seit ein paar Jahren kolportiert werden: Die Bulgarin sei ein herber Typ, trage nur Armani-Anzüge und rauche Zigarre. In Wirklichkeit ist sie zierlich, von mädchenhaftem Charme und strahlt vor Weiblichkeit. „Der Mann auf der Bühne macht mir aber wirklich Spass!" Wir Mezzosoprane sind nun mal die Erben der Kastraten und von Händel bis Rossini mit jeder Mege Hosenrollen gesegnet. Es ist toll, mal ein cooler Typ zu sein, ein pubertärer Heißsporn oder ein tragischer Held."
Mezzo ist in, so scheint es. Lang ist die Liste der neuen Mezzo-Stars, fast länger als die der Soprane. Und wenn man sie so reden hört, Cecilia Bartoli, Jennifer Larmore und jetzt die Kasarova: Allesamt wirken sie selbstbewusst, unverzickt und prodessionell. Von wegen „Seconda Donna", von wegen zweites Glied: „Die grossen Rollen des Verismo haben das Klischee der Diva geprägt. Das sind meist Sopranpartien. Da es aber die klassische Glamour-Diva nicht mehr gibt, ist auch die alte Rangordnung weg. Wir sind Profis."
Experimente in Richtung Sopran, wie sie die Kollegin Bartoli wagt, sind für die Bulgarin nicht drin. „Ich habe die hohen Töne durchaus. Aber es sind einzelne Perlen, die ich poliere und im richtigen Moment strahlen lasse. Die Massenproduktion funktioniert nicht. Und ausserdem habe ich ein gesundes, tiefes Register. Kein Grund, es zu vernachlässigen."
Trotzdem hat sie ihr Repertoire vergrössert - Schritt für Schritt. Nach ihrem sensationellen Pariser Erfolg in Bellinis „I Capuleti e i Montecchi" öffnete sich eine weitere Tür für die Kasarova; ihre Stimme verfügt über handfestes dramatisches Potential. Für die Zukunft könnte sie sich auch eine Eboli in Verdis „Don Carlos" vorstellen.
Früher oder später fällt in jedem Interview natürlich auch die Frage nach der Carmen. „Klar!", kommt es wie aus der Pistole geschossen, „irgendwo auf meinem Lebensplan steht sie. Aber, ehrlich gesagt, so wie die ‚Carmen' heute aufgeführt wird, kann sie mir gestohlen bleiben. Diese abgeschmackte Nummer mit der flotten Bordsteinschwalbe im Flamenco-Fummel ist mir zu platt. ‚Carmen' ist eine Figur, die Bizets Zeit weit voraus war. Eine Frau mit Selbstbewusstsein, Stolz und grossem Ego. Damals empfand man sie natürlich als Hure, und dieses Image ist sie nie wieder losgeworden. Ich warte auf die richtige Inszenierung."
Mehr als 50 Auftritte pro Jahr mutet sich Vesselina Kasarova ohnehin nicht zu; ein Luxus, den sie sich nur dank zahlreicher lukrativer Angebote erlauben kann. Die „Rosina für alle Lebenslagen", das war einmal. Jetzt lebt sie mit ihrem Mann in Zürich und hat noch einen zweiten dazubekommen, der ihr total den Kopf verdreht. Er heisst Yves und ist ihr grösster Fan - zumindest, wenn es um frische Windeln, Wiegenlieder und Streicheleinheiten geht.
Zauber einer Persönlichkeit
Bernd Hoppe traf die Mezzosopranistin in Barcelona
Für das "Comeback" nach einer kurzen Karrierepause, bedingt durch die Geburt ihres Sohnes, wählte Vesselina Kasarova Mozarts Dorabella in einer Aufführungsserie der "Così" am Opernhaus Zürich - eine Partie, die zu ihren ersten grossen Erfolgen zählte und sich für das Ausprobieren der körperlichen Kondition und stimmlichen Verfassung anbot. Doch gleich darauf folgte ein wichtiges Rollendebüt - der Ruggiero in der Neuproduktion von Händels "Alcina" am Teatre Liceo in Barcelona. Neben prominenten Partnerinnen (Luba Orgonasova und Ewa Podles) gab sie in Herbert Wernickes konzeptionell eigenwilliger Inszenierung den jungen Ritter mit der ihr eigenen Intensität - von aufbrausendem Temperament in seinen Reaktionen, sensibel und verletzlich in den Gefühlen für Alcina wie Bradamante. Optisch in jedem Moment ein junger Mann unserer Zeit - burschikos, leger, elegant -, sang Vesselina Kasarova bei ihrer ersten Auseinandersetzung mit einer Händel-Partie auf der Bühne Ruggieros Arien mit beispielloser Musikalität, tiefer Empfindsamkeit und stimmlicher Delikatesse. Dass sie dieser Musik auch die Bravour nicht schuldig blieb, bewies das virtuos hingelegte "Sta nell'Ircano", dessen Koloraturen sie dynamisch reich schattierte und in immer neue Farben tauchte. Die "Verdi prati" dagegen zeigten in Phrasen von entrückter Innigkeit ein geradezu trancehaftes Versenken in Ruggieros konfliktreiche Situation und in die für die Sängerin neue musikalische Welt.
"Es gibt Hörer, die Barockmusik nicht mögen und deren Schwierigkeiten absolut unterschätzen. Solche Kompositionen hängen in ihrer Wirkung sehr vom Musizierstil ab, können langweilig sein und ihre Wirkung verfehlen. Diese Musik braucht Farben, Eleganz und die Brillanz der Koloraturen, soll sie lebendig bleiben; und dafür ist natürlich der Dirigent immens wichtig. Ich freue mich sehr, dass es seit einiger Zeit geradezu eine Renaissance dieses Genres gibt, und möchte das Händel-Repertoire in meiner Arbeit weiter pflegen.Seine Koloraturen finde ich noch genialer geschrieben als die Rossinis, allerdings sind sie auch schwerer. Doch man kann als Sänger in diesem Wechsel von schnellen und langsamen Arien sehr viele unterschiedliche Seiten der Stimme zeigen. Freilich sollte man aufpassen, in den Verzierungen der da capi nicht zu viel zu machen; selbstverständlich muss man variieren und Eigenes dazugeben, aber es muss zum Stil der Komposition passen und deren Eleganz bewahren."
Vesselina Kasarovas musikalische Götter sind Mozart und Rossini. Als letzte Partie vor der Schwangerschaftspause hatte sie im letzten Sommer beim Rossini Festival in Pesaro mit der Titelpartie in "La Cenerentola" das anspruchsvolle und mit dieser Musik höchst vertraute Publikum im Sturm erobert. Auch dies war ein Rollendebüt; und mit eiserner Disziplin absolvierte sie - ungeachtet ihres körperlichen Zustandes und der sengenden Hitze des Südens - alle vorgesehenen Aufführungen. Da gelang eine ganz individuelle Formung der Figur - fragil, melancholisch und von stillem Charme, war sie stets eine Aura der Anmut und Würde. Und wie sie ihre Skalen kolorierte, die Töne wie mit einem feinen Pinsel delikat tupfte und die gefürchteten Hürden der Partie mit müheloser Leichtigkeit nahm, war hinreissend und schon bei dieser ersten Gestaltung ein der Vollendung nahekommendes Porträt.
Angelinas Schlussrondo singt Vesselina Kasarova auch auf ihrer neuen CD bei BMG, einem Rossini-Recital, das sowohl in der Programmauswahl als auch dem Tenorpartner besonders interessant sein dürfte. Es ist Juan Diego Flórez, ihr stattlich-rassiger Prinz Ramiro aus der Produktion in Pesaro, mit dem sie optisch ein Traumpaar bildete und dessen wohlklingender, sinnlich timbrierter Tenor nun auch auf dieser Einspielung zu hören ist und sich mit Vesselina Kasarovas Stimme in drei Duetten harmonisch vereint. Da ist vor allem ein Ausschnitt aus "Otello" zu nennen, in dem die Mezzosopranistin die Titelrolle übernimmt und damit die Nachfolge der legendären Maria Malibran antritt, die diese Variante 1816 in einer Aufführung des Werkes am Teatro San Carlo Neapel gab.
"Ich hatte davon gehört und mich in der entsprechenden Literatur informiert, da ich mich sehr für die historischen Vorgänge im Zusammenhang mit Komponisten und Sängern interessiere. Ich glaube, früher war alles ein bisschen ‘richtiger' - das Wichtigste waren die Sänger! Heute sind die Orchester höher gestimmt und spielen immer lauter, und das ist für uns nicht eben von Vorteil. Selbst mittelmässige Dirigenten äussern sich oft schlecht über Sänger; sie sollten einmal selbst auf der Bühne stehen und singen! Dann würden sie schnell begreifen, dass es keinen Sinn macht, wenn die Stimmen im Lärm des Orchesters untergehen. Was nützen alle mühsam erarbeiteten Feinheiten und piano-Phrasen, wenn der Dirigent darauf nicht eingeht? Ein guter Chef am Pult spürt, wenn der Sänger eine Pause benötigt und atmen muss; man braucht beim Singen auch körperliche Ruhemomente, damit die Technik funktionieren kann. Mit einem guten Dirigenten, der mitatmet und mitsingt, ist alles viel leichter. Ohnehin werden an uns heutzutage immer höhere Anforderungen gestellt, nicht nur stimmlich, sondern auch bezüglich des guten Aussehens und der körperlichen Vitalität auf der Szene. Bei der derzeitigen Tendenz des zu lauten Spielens kann sogar Mozart, ja eigentlich jeder Komponist, für die Stimme gefährlich werden. Muss man ständig gegen diesen Schwall aus dem Orchester ankämpfen, leidet die Stimme, und man verliert die Intuition, wieviel man geben muss. Eigentlich denken viele meiner Kollegen so, aber nur wenige haben den Mut, sich darüber zu beklagen. Ich selbst gehe nie bis an die Grenze meiner Stimme, denn ich möchte ja nicht nur zehn Jahre singen, sondern arbeite vielmehr am Ausdruck und an den Farben."
Der letzte Satz bringt unser Gespräch auf das Thema "Belcanto", mit dem sich für Vesselina Kasarova zunächst einmal die Vorstellung von einer "besonders schönen Stimme mit hohen technischen Qualitäten und dem Gefühl für die spezifische Art dieser Musik" verbindet. "Natürlich ist der Belcanto auch eine Ausdrucksmöglichkeit, und die Stimme muss dafür unbedingt die nötige Dramatik besitzen, was nicht zu verwechseln ist mit grossem Volumen! Es gehört sehr viel Geschmack dazu, solche Musik zu interpretieren, die ich als etwas sehr Feines empfinde. Und deshalb muss das ganze Ensemble gut zusammenpassen. Auch die Partner müssen über schön klingende Stimmen verfügen. Bellinis Musik ist die am schwersten zu singende, glaube ich. Mir steht sie am nächsten wegen der Ausdrucksvielfalt, die der Komponist dem Interpreten ermöglicht. Beim Romeo in den ‘Capuleti' gibt es sehr intime und dann wieder ganz dramatische Momente; je mehr solcher Schattierungen ich in einer Partie zur Verfügung habe, desto leichter fällt es mir, sie zu singen. Bei Rossini entsprachen bisher nur die Isabella und der Tancredi meinem sängerischen Naturell; die Angelina ist in ihrer Ausdrucksdimension der Melancholie eher einseitig. Mir ist die Vielseitigkeit des Charakters und der damit verbundenen darstellerischen Möglichkeiten eminent wichtig, denn das kommt auch in die Stimme hinein."
Der Komponist jedoch, dessen Musik Vesselina Kasarova in ihrer Laufbahn am längsten singen möchte, ist Mozart. "Seine Figuren sind für mich ungeheuer reich. Mit dem Sesto beispielsweise kann ich - genauso wie mit Romeo - die Lyrik und die Dramatik meiner Stimme zeigen. Es ist eine sehr schwere Partie, und trotzdem war ich nach einer ‘Tito'-Aufführung nie müde. Es ist einfach phantastisch geschrieben, fast wie eine Therapie für die Stimmbänder. Mozart hat die Mezzosoprane wohl sehr geliebt! Wenn ich Sesto singen kann, ist alles in Ordnung; und ich möchte ihn die nächsten zehn Jahre unbedingt weiter im Repertoire halten - im Gegensatz zu Cherubino, den ich sicher nicht mehr so lange singen werde."
Die Zerlina bei den Salzburger Festspielen vor drei Jahren reichte bereits in die Sopranregion; und auch Vitellias Rondo auf Vesselina Kasarovas Mozart-CD bei RCA/BMG könnte an eine Annäherung an solche Partien denken lassen. "Für die Vitellia und die Donna Elvira bekam ich tatsächlich schon Angebote; aber mit den Sopranpartien lasse ich mir Zeit - die Stimme wird es eines Tages zeigen. Schon jetzt - nach der Geburt meines Kindes - spüre ich eine Veränderung, nicht im Sinne von gewachsenem Volumen, sondern einer grösseren Wärme. Sopranpartien können für den Mezzo sehr gefährlich werden; er muss das Timbre verändern, um in dieser Lage singen zu können. Aber ein Mezzo darf auf gar keinen Fall seine Tiefe verlieren! Überhaupt ist das eine recht schwierige Stimmgattung; und ich möchte im Moment kein Risiko eingehen, nur um mir selbst zu beweisen, dass ich das singen könnte. Bei anderen Sängerinnen mag das anders sein, ohnehin ist alles sehr individuell; und daher sollte man grundsätzlich keine Vergleiche ziehen."
Vesselina Kasarova hat in den zehn Jahren ihrer bisherigen Karriere bereits 36 Rollen gesungen - von Händel über Mozart bis Offenbach - und möchte viele davon immer wieder singen, um sie zu vertiefen. "All diese Figuren auf der Bühne spielen zu dürfen, lässt einen als Persönlichkeit reifer werden. Meine absolute Lieblingspartie zur Zeit ist die Charlotte; sie ist so geschrieben, dass mein Gefühl als Frau am stärksten angesprochen wird. Jetzt kommt die Marguerite in der ‘Damnatinon' in Salzburg, aber ich kann erst nach dem Singen auf der Bühne sagen, welches Verhältnis ich dazu habe. Vorher sehe ich zwar die Noten, doch weiss ich nicht wirklich, welche Beziehung ich zur Figur und zur Musik finde. Dass der ‘Werther' bei RCA im Herbst als CD Einspielung erscheint, freut mich sehr. Die Aufnahmen in Berlin, von Stefan Mikorey bestens organisiert, liefen ohne Komplikation, weil auch der Dirigen, Michail Jurowski, perfekt vorbereitet war. In Ramón Vargas hatte ich einen glänzenden Partner; die Partie scheint mir für ihn sehr passend zu sein. Ich selbst möchte bei Aufnahmen immer die Kraft haben, nicht nur die Töne, sondern auch meine Gefühle wiederzugeben - und das bei jeder Wiederholung. Es ist harte Arbeit, für die man auch eine entsprechende körperliche Kondition braucht. Wir haben in grösseren Tracks aufgenommen, um die nötige szenische Atmosphäre zu schaffen, und trotz meiner Schwangerschaft fühlte ich mich überhaupt nicht müde. Die grosse menschliche Bereicherung, die ich durch meinen Zustand empfand, ist hoffentlich auch in meine Charlotte eingegangen."
Das französische Repertoire nimmt in Vesselina Kasarovas Arbeit auch zukünftig einen breiten Raum ein. Im April bereits gab es in München eine konzertante Aufführung von Donizettis "La Favorite" unter Marcello Viotti, die von RCA live für eine CD-Veröffentlichung mitgeschnitten wurde. In konkreter Planung befinden sich ein Recital mit französischen Arien sowie ein Offenbach-Programm unter Lorin Maazel. Weitere interessante Projekte in der Aufnahmetätigkeit für ihre Stammfirma RCA sind eine Platte mit bulgarischen Liedern und ein Recital mit Händel-Arien, das man nach dem jüngsten Erfolg in Barcelona geradezu ersehnt. Auch eine weitere Rossini-Gesamtaufnahme befindet sich in der Planung.
Über Jahre ausgebucht ist die Sängerin in ihrem Auftrittskalender. So wird sie die erfolgreiche Serie ihrer Duo-Abende mit Edita Gruberova fortsetzen und in Paris (24.6.), Hohenems (27.6.), Mailand (1.7.) sowie Ludwigsburg (4.7.) auftreten. Unter Eve Queler singt sie Bellinis Romeo konzertant in der New Yorker Avery Fisher Hall (25.10.) und geht danach für den Idamante an die San Francisco Opera (Premiere 14.11.). Zu Beginn des Jahres 2000 stellt sie sich als Sesto in der Salzburger Herrmann-Produktion von Mozarts "Tito" in London vor. Im Februar gibt es eine Isabella an der Pariser Oper und im April eine Neuproduktion der "Anna Bolena" mit Edita Gruberova am Opernhaus Zürich. Den Sommer verbringt sie in Salzburg, wo sie in einer "Idomeneo"-Neuinszenierung von Ursel und Karl-Ernst Herrmann wiederum als Idamante und unter Claudio Abbados Leitung als Dorabella in der neuen Festspiel-"Così" zu erleben ist. Das Jahresende schliesslich sieht sie erneut in New York,wo sie an der Metropolitan Opera ihren ersten Octavian singen wird. "Ich liebe diese Herausforderungen und den Wechsel der Partien und Stile. Mozart singe ich vor allem schlank, andere Partien wieder ganz anders. Ich möchte immer wieder überraschen und nicht in eine Schublade gesteckt werden."
April-Gespräche mit Vesselina Kasarova (V)
Im Land der Lustigen
Die Opernsängerin Vesselina Kasarova über die Lustigkeit der Schweizer und das Tolle an unseren Bratwürsten.
Haben Sie gestern Abend Fussball geschaut, Frau Kasarova?
Ja, ein bisschen. Die Schweiz hat doch gewonnen, 2:0 oder)? Und Bulgarien hat auch gewonnen. Auch 2:0.
Eine Art Doppelsieg für Sie, zumal Sie ja Doppelbürgerin sind.
Stimmt, ich hatte viel Grund zur Freude. Ausserdem mag ich halt einfach guten Fussball.
Und wie gut finden Sie den Schweizer Fussball?
Ich finde es beachtlich, wie viele gute Sportler ein so kleines Land wie die Schweiz hervorbringt. Deshalb verstehe ich auch nicht, weshalb in der Schweizer Öffentlichkeit ständig von fehlenden Erfolgen die Rede ist. Nicht nur im Sport, auch in der Kunst.
Welche Schweizer Künstler mögen Sie besonders, von Sängern und anderen Musikern einmal abgesehen?
Vor allem die lustigen. Am meisten Emil. Ich bin ein grosser Emil-Fan, und ich hatte sogar einmal das Glück, ihn kennen zu lernen, als ich ein Konzert gab, das er besuchte. Er scheint ein liebevoller, sensibler Mensch zu sein. Und er ist wirklich sehr lustig. Überhaupt kenne ich fast nur lustige Schweizer.
Das klingt eher erstaunlich.
Nein, wirklich! Zum Beispiel Erich, ein Freund von mir - ich kann einfach nur lachen mit ihm. Oder mein Mann - der war am Anfang auch eher ein Ruhiger. Und jetzt singt er zu Hause ...
... wie ein Bulgare.
Fast. Na, insgesamt sind wir halt schon etwas expressiver. Wenn Bulgaren unter sich plaudern, glauben Aussenstehende, der dritte Weltkrieg stehe bevor.
Wir Schweizer brauchen hingegen Leute wie Sie, damit wir merken, wie lebhaft und lustig wir sind.
Ach, und was ist mit den Leuten von dieser Familie ...?
«Fascht e Familie»?
Genau. Die sind doch urkomisch! Oder dann dieser Herr Giacobbo? Der ist einfach genial.
Was mögen Sie noch am Schweizer Leben?
Diese unvergleichliche Ruhe. Die ist für mich jedes Mal Balsam, wenn ich nach Hause komme, nach all der Fliegerei, den vielen Gesichtern, den wechselnden Orchestern ...
Ist es Ihnen nie zu ruhig hier?
Die Schweizer Ruhe hat für mich nichts mit Langeweile zu tun. Mehr mit Gelassenheit, Intimität oder Korrekthit. Ich mag, dass die Leute hier korrekt sind, dass die Leute hier nicht lügen. Das ist mir lieber als falsche Freundlichkeit.
Was mögen Sie an Zürich.
Vor allem den Zürichsee, den liebe ich wirklich. Da ist es schön zum Spazieren, die vielen Hunde, die Strassenmusiker, es läuft immer was. Überhaupt hänge ich einfach von Herzen an Zürich, schon seit meinem ersten Aufenthalt. Ich kam ja damals 1989, als völlig unerfahrene junge Sängerin hierher, und es war einfach unglaublich, wie man mich am Opernhaus aufgenommen und mir geholfen hat. Das werde ich nie vergessen.
Im Opernhaus haben Sie ja auch Ihren Mann kennen gelernt. Das war offenbar ein richtiges Theatermärchen.
Ja, er stand fast jeden Abend nach meinen Auftritten am Bühneneingang. Ich dachte die längste Zeit, er sei Engländer, weil er mich auf Englisch angesprochen hat. Und ich habe immer nur «yes, yes» gesagt und genickt, weil ich damals ja noch praktisch kein Wort Englisch gesprochen habe ... (Sie lacht.)
Mögen Sie die Schweizer Küche?
Ja. Vor allem Rösti. Oder dann die Bratwürste! Bratwürste esse ich wirklich sehr gern!
In der «Kronenhalle»?
Wieso nicht? Aber das Tolle an der Schweizer Bratwurst ist ja gerade, dass sie auch bei der Migros, ja einfach überall gut schmeckt.
Was fehlt Ihnen im Kühlschrank am meisten, wenn Sie im Ausland sind?
Der Käse.
Welcher?
Gruyère, nicht zu rezent.
Sind Sie zufrieden mit Ihrem Leben?
Ja. Ich bin gesund, ich bin zufrieden, und momentan sind das auch alle Menschen, die mein Leben ausmachen. Es mag banal klingen, aber ich halte letztlich genau das für das Wichtigste: gesund zu sein, zufrieden zu sein und es möglichst oft gemütlich zu haben.
April-Gespräche mit Vesselina Kasarova (IV)
Die Phantome der Oper
Die Opernsängerin Vesselina Kasarova über düstere Hotelzimmer, Krankheit, Ängste, Aberglauben und den Versuch, trotzdem normal zu bleiben.
Frau Kasarova, Sie sind 33 und seit zehn Jahren als Berufssängerin unterwegs. Wie viele Hotelzimmer haben Sie hinter sich?
Mehr als genug, und dann all diese Wohnungen ... Ich war jetzt wochenlang in Barcelona und habe nichts gesehen, rein gar nichts! Ich kann es mir einfach nicht erlauben, in ein Museum zu gehen, weil mich das zu müde macht. Kürzlich traf ich eine ältere Kollegin aus Bulgarien, die ist nach Bulgarien gekommen, um jene Stadt zu besichtigen, in der sie im Lauf ihrer Karriere mindestens zwanzig Mal gesungen hat ...
Was war das schlimmste Hotelzimmer Ihrer bisherigen Laufbahn?
Eine Wohnung in Italien. Die war so düster, dass sie mich krank machte. Fieber, Stimme weg - so schnell geht das. Die kleinste Entzündung, schon ist die Stimme nicht mehr flexibel, und man kann sich nur noch auf die Technik verlassen. Stimmt die Umgebung nicht, wird man krank. So einfach ist das.
Können Sie in Hotelzimmern überhaupt arbeiten?
Ja, doch. Alle Sänger haben so ein kleines Keybord im Gepäck, das sie überallhin mitschleppen. Lieber keine Zahnbürste, als dass ich auf mein Klavier verzichte und auf frische Batterien! Denn so bin ich als gelernte Pianistin ziemlich unabhängig und kann mich jederzeit selbst begleiten.
Wie muss man sich diese Art von Kammermusik vorstellen?
Also zuerst summe ich ein bisschen, dann gebe ich mehr und mehr Stimme und lege richtig los. Das ist dann der Moment, wo man sich bei im Hotel bei den Zimmernachbarn beliebt macht ...
Wie wählen Sie die Zimmer aus?
Meine Agentur weiss, was ich will und leitet das an die Opernhäuser weiter. Für mich ist wichtig, dass das Zimmer ruhig ist, obwohl ich Menschen eigentlich brauche und nicht gern allein bin. Aber man kann eben nicht alles haben.
Es hat wohl etwas Einsames, dieses ewige Unterwegssein zwischen immer anderen Städten, Hotels und Theatern?
Viele Opernsängerinnen sind einsam. Das kommt oft daher, dass ihre Männer kein Verständnis für den Aufwand haben, den so eine Karriere braucht, und nur profitieren wollen. Bei mir ist das zum Glück nicht so, und ich kenne auch einige Kolleginnen, bei denen es klappt. Aber das sind Ausnahmen. Die meisten scheinen immer an den Falschen zu geraten. Dabei ist es extrem wichtig, dass es privat gut läuft. In diesem Beruf ist man so verletzlich und anfällig auf alles Erdenkliche. Wir versuchen zwar, möglichst viele Faktoren zu kontrollieren: Essen, Schlaf, Gesundheit. Aber fürs Privatleben gibt's eben kein Rezept.
Besonders die Angst vor der Krankheit ist dabei ein ständiger Begleiter?
Deshalb auch unser verbissener Kampf gegen Krankheitserreger. Schon wenn wir ein Taxi besteigen, leiern wir: Bitte Fenster zu, bitte nicht rauchen! Mein Gott, wir sagen immer das Gleiche, wie programmiert. Dabei versuche ich wirklich, so normal wie möglich zu bleiben! Aber dann kommt man in eine Stadt, und dort muss im Ensemble nur ein Mensch krank sein, und schon ist die Katastrophe passiert. Was soll man da machen? Ständig Antibiotika schlucken? Ich habe damit aufgehört. Wenn ich krank bin, sage ich halt ab. Obwohl es wehtut, wenn man ein, zwei Monate gearbeitet hat und dann an der Premiere krank ist. Nicht wegen des Finanziellen, wegen der Frustration. Man fühlt sich wie eine Null.
Und deshalb neigen Opernsänger zu Schutzritualen wie Holz anfassen, über die Schulter spucken ... Was bevorzugen Sie?
Ich bin nicht abergläubisch. Ich gaube zwar schon an ein Schicksal, aber nicht fanatisch. Ich trage, wie viele Slawen, ein Kreuz und bekreuzige mich, bevor ich die Bühne betrete, oder wenn das Flugzeug startet. Was darüber hinausgeht, mag ich nicht, halte vieles sogar für geährlich. Als ich damals in Wien lebte, habe ich jeden Tag im «Kurier» mein Horoskop gelesen. Nach einer Weile merkte ich, dass das plötzlich meinen Tag beeinflusste. Ich wusste, das ist alles totaler Blödsinn. Aber plötzlich schien ich die vorausgesagten Ereignisse und Gefühle wie ein Magnet anzuziehen ... (Sie lacht.) Nach einem Monat musste ich jedenfalls dringend aufhören damit.
April-Gespräche mit Vesselina Kasarova (III)
Die Diva über Diven
Die Operndiva Vesselina Kasarova zitiert Roberto Blanco und erklärt, weshalb die Zeit der Diven vorbei ist, weshalb sie oft zu hoch singt und weshalb viele Orchester zu laut spielen.
Frau Kasarova, sind Sie eine Diva?
Ich verstehe das Wort als Kompliment, auch wenn es nicht zu mir passt. Für mich hat «Diva» weniger mit Gehabe als mit aussergewöhnlichen Qualitäten, mit Persönlichkeit zu tun, wobei das Pomöse sicher irgendwie dazugehört.
Gibt es sie heute denn überhaupt noch, die pompösen Primadonnen?
Ich kenne ein paar Kolleginnen, die sich verändert haben mit dem Erfolg. Aber insgesamt ist es nicht mehr wie früher. Die Primadonna passt einfach nicht mehr zu dieser Zeit. Wir, die junge Generation, leben anders, sportlicher, kontrollierter, etwas dynamischer.
Weltberühmt werden derzeit vor allem Sänger, die sich mit der Popindustrie verbünden, die «drei Tenöre», die Caballé.
Montserrat Caballé würde ich da nicht dazuzählen. Sie wird vom Publikum geliebt, weil sie die richtige Mischung zwischen Lockerheit, Offenheit und jener Distanz findet, die ein Minimum an Respekt vor unserem Metier gewährleistet.
Wäre es für Sie denkbar, in diesen Opernpopmarkt einzusteigen? Vielleicht mit einem kleinen Duett mit Elton John?
Warum nicht? Allerdings nur, wenn das Projekt wirklich Substanz hat.
Das meiste aus dieser Sparte riecht ja doch sehr nach Marketingstrategie.
Künstler sind Künstler. Ich glaube nicht, dass jemand irgendetwas nur aus finanziellen Gründen macht. Für uns alle gilt im Grunde, was Roberto Blanco singt: Ein bisschen Spass muss sein, ein bisschen Glück muss man haben ... (Sie lacht.) Der Plattenmarkt funktioniert ja ganz einfach: Je mehr Erfolg jemand hat, desto eher kommen die Plattenfirmen mit allen möglichen Projekten, und man hat die Qual der Wahl. Wichtig ist, dass ein Plattenprojekt zum eigenen Repertoire passt. Sonst ist man innert kürzester Zeit ausgelaugt.
Zumal Sie auf der Bühne immer gegen Ihre eigenen CDs ansingen müssen.
Für mich sind das zwei Welten. Aber natürlich werden wir mit unseren Platten verglichen, es gibt ja auch hörbare Unterschiede. Ich habe immer das Gefühl, dass meine Stimme auf CD an Wärme verliert. Das ist halt die Tendenz: Nicht nur die Stimme, auch das Klavier, die Geigen, alles klingt in der gängigen Digitalqualität beinahe scharf.
Können Sie das nicht beeinflussen?
Das ist schwer. Wenn ich mir ein Band zum ersten Mal anhöre, fällt mir vieles auf. Aber je öfter ich es höre, desto mehr gewöhne ich mich daran. Zudem müssen wir heute generell viel höher singen als früher. Auf alten Aufnahmen hört man das meiste fast einen Ton tiefer und damit auch «wärmer».
Wie das?
Seit Karajan ist das so. Er liess das Orchester die Instrumente höher stimmen, um einen glanzvolleren Klang zu erreichen. Und dann gibt es da noch die Unterschiede zwischen den Theatern. Wenn ich an der Wiener Staatsoper im «Barbiere» die Rosina singe, dann ist das nicht mehr Mezzo, sondern fast schon Sopran. Wenn ich hingegen in Bulgarien singe, ist alles viel tiefer.
Was ist Ihre Lieblingsrolle?
Tja, momentan ist es die Charlotte in Massenets «Werther». Früher waren mir die Figuren von Mozart, Rossini, Bellini am nächsten. Doch bei Charlotte stimmt einfach alles: die Persönlichkeit, die Stimme. Charlotte ist romantisch und doch realistisch. Wie von heute.
Charlotte ist, verglichen mit Mozart, fast eine dramatische Partie ...
Da gibt's auch so ein Missverständnis. Dramatik heisst nicht einfach mehr Dezibel. Es gibt nichts Dramatischeres als Mozart. Er ist ja so genial, weil seine Dramatik so intim, so normal daherkommt. Wenn ich traurig bin, schreie ich nicht, und so ist es auch bei Mozart: Seine Figuren reagieren natürlich, während es bei den meisten Komponisten pompöser, unrealistischer zugeht. Abgesehen davon, dass wir Sänger in solchen Opern oft unter zu lauten Orchestern leiden.
Liegt das alles an den Komponisten?
Nein, vielfach genügt ein Blick in die Partitur, und man sieht, dass da an sich eine ständig wechselnde Dynamik vorgeschrieben wäre. - In der Oper liegt die Macht eben letztlich bei den Dirigenten, und die nützen sie. Deshalb lautet meine erste Frage bei einem Rollenangebot auch immer: Wer ist der Dirigent?
April-Gespräche mit Vesselina Kasarova (II)
Das Lied der Heimat
Schon Orpheus wuchs auf diesem Boden heran. Trotzdem leiden Stimmen aus Bulgarien unter einem diffusen Ostblock-Image. Vesselina Kasarova über Rassismus in der Oper.
Frau Kasarova, Sie sollen noch Staatschef Todor Schiwkow vorgesungen haben?!
Ja, das war eine seltsame Sache. Wir, eine Gruppe von Gesangsstudentinnen vom Konservatorium Sofia, wurden abgeholt. Man führte uns durch unterirdische Gänge in ein Zimmer, wo wir für Todor Schiwkow singen mussten.
Was haben Sie ihm vorgetragen?
Oh (sie lacht), es ist peinlich, aber ich habe keine Ahnung mehr.
Sie sind Ehrenbürgerin Ihrer Heimatstadt Stara Zagora.
Ja (lacht verlegen), das stimmt.
Die Verbindungen sind also intakt?
Nein, gar nicht. Wenn ich alle paar Monate in Stara Zagora bin, sehe ich meistens nur meine Eltern. Zum alten Freundeskreis habe ich fast keinen Kontakt mehr. Ich habe wenig Zeit, und die Leute dort haben andere Sorgen. Die meisten Menschen in Bulgarien haben ihr Leben lang immer nur gearbeitet und stehen jetzt trotzdem vor dem Nichts. Das zermürbt und nagt am Selbstwertgefühl. Auch ich habe immer noch Komplexe. Ständig habe ich das Gefühl, irgentetwas falsch zu machen. Früher habe ich mich andauernd entschuldigt, ohne zu wissen, wofür.
Sie sind ein ängstlicher Mensch?
Nicht unbedingt. Ich denke, ich bin oft gerade deshalb ziemlich stark, weil ich arm gelebt habe. Ich kann mehr durchstehen als andere, weil ich Disziplin gelernt habe, Disziplin durch Angst. Bei uns konnte man nicht einfach irgendetwas tun oder gedankenlos daherreden, sonst war man am nächsten Tag weg. Man musste sich fügen, ohne Fragen zu stellen. Mir sagte man zum Beispiel 1988 plötzlich, dass ich nach Salzburg reisen müsse, um vorzusingen. Dass es Karajan war, der mich hören wollte, erfuhr ich erst, als ich dort war.
Wie stand Ihre Familie zum Regime?
Ich entstamme keiner kommunistischen Familie. Mein Grossvater, ein vielseitig gebildeter Ingenieur, wurde verfolgt, kam in eines dieser Gefängnisse und starb bald nach seiner Freilassung. Mein Vater durfte weder studieren noch den Namen Kasarov tragen. Er nannte sich Angelov, liess mich aber auf Wunsch des Grossvaters wieder als Kasarova eintragen - was zur Folge hatte, dass ich meine ganze Jugend über glaubte, ich sei adoptiert.
Hat man denn in der Familie nie über diese Dinge gesprochen?
Kein Wort. Man hatte eben Angst. Ausserdem hat mein Vater prinzipiell keine Kommentare zum Regime abgegeben. Er versuchte, positiv zu denken, das Beste aus der Situation zu machen. Erst als ich 18 war, hat meine Grossmutter mir die ganze Geschichte erzählt.
Haben Sie selber Repressionen erlebt?
Es wurde mir an der Akademie der eine oder andere Wettbewerbspreis vorenthalten, weil ich keinen dieser komischen roten Kommunistenpässe hatte. Das war natürlich traurig. (Sie lacht.)
Wie ist so eine Jugend zu bewältigen?
Meine Jugend war insgesamt glücklich. Das verdanke ich meinen Eltern, die alles für mich getan haben. Im Übrigen heisst mein Rezept: nicht vergessen, was ich war, wo ich begonnen habe. Das tut mir gut und hilft mir, natürlich zu bleiben. Ich weiss, was es heisst, zwei Stunden lang für Brot anzustehen und schätze darum sehr, was ich jetzt habe. Trotzdem vertrage ich nicht, wenn mich jemand einfach wegen meiner Herkunft in eine Schublade steckt.
Hat Ihnen Ihre Herkunft den Durchbruch im Westen erschwert?
Es gibt ein gewisses Image, das man nur mit grossem Aufwand loswird. Junge Sängerinnen und Sänger aus dem ehemaligen Ostblock werden von den Managern ins «typisch slawische» Fach gedrängt, egal, ob ihre Stimme dorthin passt oder nicht. Drei Jahre später sind sie fertig. Ich habe während Proben schon Dinge zu hören bekommen wie: Kasarova, wir sind hier nicht am Bolschoi-Theater! Kasarova, das ist Händel, nicht Tschaikowski! Solchen Leuten ist es egal, ob ich aus Russland oder Bulgarien komme. Ostblock bleibt Ostblock. Das ist für mich Rassismus. Zumal der Gesang bei uns uralte Tradition hat: angefangen bei Orpheus bis zu so berühmten Opernsängern wie Boris Christoff, Nicolai Ghiaurov oder Anna Tomowa-Sintow.
April-Gespräche mit Vesselina Kasarova (I)
Magenprobleme
Die gefeierte Sängerin Vesselina Kasarova über Schnittpunkte von Spitzensport und Oper, über ihr Leben zwischen leichter Kost und schweren Rollen.
Frau Kasarova, Sie haben mit erst 33 Jahren schon eine Bilderbuchkarriere hinter sich, Ihre Stimme ist bei den berühmtesten Dirigenten und an allen grossen Opernhäusern gefragt. Trotzdem wirken Sie wie der unbekümmerte, lebenslustige Gegenbeweis zum Klischee der entrückten Diva. Zum Beispiel treiben Sie gern Sport, sind früher offenbar sogar Rallys gefahren ...
Ja, ein paar, und ich war Basketballerin in meiner Heimatstadt Stara Zagora. Meine Begabung bestand vor allem darin, dass ich schon mit 14 Jahren riesig gross war, 1 Meter 72. Seither bin ich allerdings keinen Zentimeter mehr gewachsen.
Sie waren damals aber auch heranwachsende Konzertpianistin. Hatten Sie keine Angst um Ihre Hände?
Überhaupt nicht. Heute mache ich mir viel mehr Sorgen. Es ist komisch: Ich bin inzwischen als Sängerin technisch viel besser, trotzdem ging früher alles leichter. Noch vor fünf, sechs Jahren habe ich kaum darüber nachgedacht, ob ich wohl etwas schaffen konnte oder nicht.
Das ist wie bei jungen Sportlern, die anfangs sorglos alles gewinnen - und dann ist mit dem Erfolg auch der Erwartungsdruck da - und die Leichtigkei weg.
Deshalb versuche ich, nicht zu viel nachzudenken, nur so ein bisschen ... (Sie lacht). Das Problem besteht darin, sich ständig zu verbessern und dabei nicht das, was man kann, durch zu viel Dranherumdenken kaputt zu machen.
Man vergleicht Opernsänger oft mit Spitzensportlern. Wie verläuft die «Wettkampfvorbereitung» am Premierentag?
Bei mir ist das nicht so streng geplant. Ich höre allerdings von Kolleginnen, dass man, je älter man wird, auch immer mehr Dinge unter Kontrolle zu halten versucht, schon am Tag vor der Premiere und erst recht am Aufführungstag. Für mich ist die Zeit unmittelbar vor der Vorstellung wichtig: dass ich absolut konzentriert auf die Bühne komme. Es ist jedes Mal wie ein Hundertmeterfinal: Du musst zur Stunde X voll da sein, sollst auf immer gleich hohem Niveau funktionieren, obwohl wie im Stadion auch in der Oper die Rahmenbedingungen nie die gleichen sind. Vielleicht gibt der Dirigent heute andere Tempi vor, oder die Kollegen machen irgendetwas anders. Trotzdem kannst du, wenn es dir mal nicht optimal läuft, halt nicht einfach sagen: Stopp! Fangen wir nochmals an, ich kann das besser! ...
Manche Sänger sind wegen dieses Drucks schon Stunden vor der Vorstellung nicht mehr ansprechbar.
Ich versuche, möglichst lange locker zu bleiben. Wenn die Anspannung zu früh einsetzt, macht das nur müde.
Lenken Sie sich ab? Schlafen Sie?
Ich lege mich ins Bett, schaue ein wenig fern oder gehe spazieren ... Schlafen geht nicht. Denn dadurch wird die Stimme müde, unbeweglich.
Wie ernähren Sie sich?
Ich esse wenig. Denn es stimmt: Singen ist wie Sport. Wenn man vor dem Auftritt so richtig isst, wird der Körper müde, braucht Schlaf ... Ich esse meistens einfach etwas Salat. Das wirkliche Problem stellt sich nach der Vorstellung: Man hat Riesenhunger, sollte aber eigentlich nichts mehr essen, weil's schon so spät ist. Ich glaube, fast alle Sänger haben ein Magenproblem. Wir essen einfach zu spät und zu ungesund. Dabei muss man heutzutage auf die Figur achten, denn die Regisseure wollen, dass wir nicht nur singen, sondern auch Theater spielen oder sogar akrobatische Leistungen vollbringen! Als Périchole musste ich in Zürich Motorroller fahren und durch die Luft fliegen. In Barcelona hatte ich kürzlich in Händels «Alcina» von einem etwa fünf Meter hohen Riesenstiefen aus gezielt einen Ball zu werfen. Derlei ist schwierig, wenn man zwanzig Kilo zu viel hat. Das hat nichts mehr mit Ästhetik zu tun, sondern man schaffts einfach nicht.
Waren die Opernsängerinnen früher so dick, weil sie immer nach Mitternacht schlemmten?
Es gibt Sängerinnen, die sich irgendwie sicherer fühlen, wenn sie so zehn, fünfzehn Kilo Übergewicht haben. Sie halten auch ihre Stimme für kräftiger. Ich denke, das hat mehr mit Psychologie zu tun. Bei mir ist das sowieso umgekehrt. Wenn ich zu viele Kilos habe, und momentan kämpfe ich nach der Geburt meines ersten Kindes noch etwas mit meinem Gewicht, werde ich schneller müde. Und ich schwitze auch mehr.
Vesselina Kasarova, 33, ist Bulgarin und Schweizerin. Sie lebt mit ihrem Mann Roger und ihrem Söhnchen Yves bei Zürich. Kasarova hat ein Repertoire von 35 Mezzosopranpartien. Soeben ist bei BMG ihre achte CD «Rossini - Arien & Duette» erschienen.
Balance von Seele und Stimme
Die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova eröffnet "Snow and Symphony" auch 1999
Vesselina Kasarova verhalf dem St. Moritzer Klassik-Festival "Snow and Symphony" im Vorjahr mit einem fulminanten Auftritt zu einem Bilderbuchstart. Als glückliche Mutter kehrt sie zur diesjährigen Eröffnung zurück. Unter anderem - neben Werken von Berlioz und Rossini - erstmals mit Ausschnitten aus Bizets "Carmen"
M&T: St. Moritz bescherten Sie im Vorjahr einen traumhaften Festivalstart. Nun kehren Sie zurück. Daraus schliesse ich, es hat Ihnen gefallen ...
Ja, natürlich. Ich singe in der Schweiz überhaupt sehr gerne, weil das Publikum - wie teils auch in Deutschland - die Musik wirklich liebt. Die Italiener sind da, vor allem, was das Repertoire betrifft, eher begrenzt. In einem positiven Sinne erlebe ich hier ein eher intelektuelles Publikum. Und in St. Moritz habe ich mich deshalb besonders gefreut, weil es ein neues Festival und damit für mich auch eine ganz neue Erfahrung war. Ausserdem hat es mir gut gefallen, mit Gustav Kuhn zu arbeiten. Er ist ein Mann, der Sänger wirklich liebt und spürbar gerne mit Ihnen arbeitet. Was heutzutage alles andere als selbstverständlich ist. Es gibt wenige Dirigenten, welche die Sänger schätzen und Respekt davor haben, dass auch Singen eine schwere Kunst ist ... Das ist wichtig für mich. Ich liebe absolut keine Diktatoren auf der Bühne, die zu demonstrieren versuchen, dass sie der Stärkere auf der Bühne sind.
M&T: Vesselina Kasarova, vor einem Jahr wehrten Sie sich dagegen, nach der "Carmen" gefragt zu werden, nun singen Sie sie ...
Ja, das stimmt. Aber nur konzertant. Auf der Bühne zögere ich noch, ich möchte die Geschichte szenisch so erzählen, wie ich die Figur fühle. Carmen verkörperte doch damals einen neuen, emanzipiert-selbständigen Typ Frau. Mit dem Klischee von Carmen als plakativ ordinärer Frau habe ich meine Schwierigkeit. Leider jedoch sieht man Carmen heute meist so dargestellt. Sollten hingegen Karl-Ernst und Ursel Herrmann mit ihrer szenischen Subtilität einmal eine Carmen suchen, würde ich das sofort annehmen. Was die Stimme betrifft, so ist alles gefährlich, was man singt. Entscheidend ist, mit wem man etwas singt, mit welchem Dirigenten, mit welchem Orchester. Mozart kann genauso gefährlich sein wie "Carmen". Ich habe das erlebt. Heutzutage sind die Orchester insgesamt zu laut und zu hoch gestimmt. Ob Mozart oder Verdi - ganz egal.
M&T: Hier in St. Moritz singen Sie diesmal hauptsächlich französisches Repertoire ...
... ich mag Berlioz und seine "Nuits d'été" auch sehr gerne. Und meine Lieblingspartie bleibt nach wie vor die Charlotte aus Massenets "Werther", die ich jetzt aufgenommen und auch mit Alfredo Kraus in Berlin gesungen habe. Das ist ein wunderbarer Mann; unsere junge Generation kann sehr viel von der Bescheidenheit, von der Menschlichkeit solcher Persönlichkeiten lernen. Zu viele der jungen Generation verändern sich schnell - und nicht zum Guten. Wahrscheinlich ist das ein Grund, weshalb Leute wie Alfredo Kraus so lange so wunderbare Sänger geblieben sind - kritisch mit sich selber und respektvoll anderen Menschen gegenüber.
M&T: Vesselina Kasarova, sie wurden 1989 noch während ihrer Ausbildung an das Zürcher Opernhaus engagiert. Ein märchenhafter Karrierestart ...
... ja, und dennoch war ich damals tief deprimiert und habe gedacht: Das schaffst du nie und nimmer. Sie dürfen nicht vergessen, ich verstand kein Wort Deutsch. So werde ich diese erste, schwierige Zeit fern meiner bulgarischen Heimat nie vergessen. Gleichzeitig bot mir Zürich damals die grosse Chance, eine Karriere mit kleinen Partien aufzubauen.
M&T: Dann beschleunigte sich alles - und der Aufstieg zum international begehrten Mezzo Star kam beinahe über Nacht. Jetzt stehen Sie gut acht Jahre ganz oben auf der Erfolgsleiter. Ist Ihre Angst auf der Bühne grösser oder kleiner geworden?
Von Angst will ich nicht sprechen, aber mehr Respekt habe ich gewonnen. Ich bin mir heute bewusster, was ich mache und wie ich es mache. Ich bin auch kritischer mit mir selbst geworden, ohne deswegen bis heute darunter zu leiden oder gar hysterisch zu werden ...
M&T: Macht das den einzelnen Auftritt schwieriger oder leichter: Sind der internationale Ruf und die damit verbundenen Ansprüche eher Belastung oder Rückendeckung?
Ich meine, man sollte sehr behutsam damit umgehen und darauf achten, nicht krankhaft mehr und noch mehr zu machen. Es ist auch wichtig, mit dem Erreichten zufrieden zu sein, sich auf das eigene Können zu verlassen - und damit locker zu bleiben. Ständige Zweifel machen unsicher und schaden damit auch der Stimme.
M&T: Ist das Leben mit dem Sängerberuf schwieriger geworden?
Schwieriger ist es nicht geworden, aber ich denke heute anders als früher. Ich bin eine stärkere Persönlichkeit geworden - und die muss man haben in diesem Beruf. Man muss unverwechselbar sein, auch in der Art, wie man singt. So bin ich glücklich, wenn ich etwas Neues, eine neue Farbe in meiner Stimme entdecke - das sind meine Ziele.
M&T: Was bedeutet Ihnen der körperliche Ausdruck für Ihr Singen?
Der körperliche Ausdruck ist Teil meines Singens. Ich liebe daher die Arbeit mit neuen Regisseuren, damit ich mich auch schauspielerisch entwickle. Singen ist meine körperliche Sprache: Wie ich meine Hand bewege, hat auch mit meiner Seele zu tun, ob ich mich traurig, melancholisch oder fröhlich fühle. Das beeinflusst auch die Tonfarbe. Körper und Stimme ganz nahe zueinander zu bringen, daran arbeite ich intensiv.
M&T: Ist das nicht eine elementarische Voraussetzung für den sängerischen Erfolg?
Nein, ich war früher nicht erwachsen genug. Für junge Sängerinnen und Sänger ist es unwichtig, ob ihre Stimme dreissig Dezibel an Volumen hinzugewinnt oder nicht. Vielmehr müssen wir eine Balance von Seele, Emotion und Stimme finden. Das ist die Wahrheit.
M&T: Wo fühlen Sie sich wohler, auf der Bühne oder in einem Konzert? Wo ist die Herausforderung grösser?
Ein Konzert ist viel schwieriger zu singen ...
M&T: Wirklich ...?
Ja, weil man bloss einen Meter vor der ersten Zuschauerreihe steht. Und das ohne Maske. Da kann man sich nicht verstecken, diese Situation ohne Kostüme und Lichtregie hat viel mehr Intimität.
M&T: Fürchten Sie denn Ihr Publikum, wenn es direkt vor Ihnen sitzt?
Das nicht, aber in einem Konzert spüre ich eher die Verantwortung, die auf mir lastet. Man kann sich kaum entspannen. Auf der Bühne ist es einfacher, natürlich zu bleiben und damit der Wahrheit nahezukommen. Ich versuche nie, auf der Bühne schön zu wirken, sondern stets die Wahrheit einer Figur auszudrücken. Das ist Teil meines Lebens.
M&T: Vesselina Kasarova, Sie haben sich bewusst vom slawischen Repertoire abgegrenzt.
Weshalb?
Sprachlich und emotional mögen mir Rollen dieses Repertoires wohl naheliegen, aber ich habe auch als Pianistin Bach und Mozart gespielt - und nicht bloss Rachmaninov. Gegen das Image einer slawischen Sängerin habe ich mich bewusst gewehrt. Ich wollte unbedingt eine Mozart Sängerin werden!
M&T: War das schwierig?
Am Anfang spürte ich, dass es schwierig ist. So konnte ich zwar schlechte Erfahrungen vermeiden; an Angeboten jedoch, die mich hätten verleiten können, fehlte es nicht: Eine Jeanne d'Arc von Tschaikowsky ist auch für die grösste Stimme mit 24 Jahren nichts!
The voice of Romeo
The Bulgarian mezzo-soprano Vesselina Kasarova is fast establishing a major reputation. Whilst in London for her Wigmore Hall début she talked to Alan Blyth about her career and her new Bellini recording.
The gamine charm of Kasarova is unmistakable. Her vulnerable body-language and soft-hued eyes are likely to make the most hardened heart go wobbly. Yet I judged when I met her last May in London (where she was giving a recital at the Wigmore Hall, her first in this country) that the effect is natural and artless: nothing here of the attempts at little-girl coyness I have encountered all too often among divas who should have known better.
At 33, Kasarova remains a young, enthusiastic singer, one in a hurry to touch the heights yet absolutely aware of her own limitations: those invitations to sing Carmen received by all eligible mezzos are met, for now, with a firm "No", or probably "Nein" as Vesselina - she positively demands to be called by her first name - speaks as yet little or no English though she has five other languages at her command. She won't sing any role until she is fully inside it, feels herself ready to perform it from every angle.
When I first encountered her, in 1991 on stage at Salzburg in La clemenza di Tito conducted by Sir Colin Davis (something of a mentor and musical father-figure to her), I immediately sat up and took notice. She almost literally burst on stage as Annio, the young lover of Servilia, and enchanted eye and ear. Lithe and slim (as she remains), she was the very picture of the upright, concerned youth of Mozart's imagining, and the bewitchingly smooth yet resinous voice went with the figure. Above all, she communicated character in every phrase she uttered. My experienced antennae decided here was an artist to watch.
The following year she had her big break when she took over the title-role from Marilyn Horne in a concert performance of Tancredi at Salzburg and caused a sensation. Come 1993 and here she was at Covent Garden as Rossini's Rosina, no more playing a handsome, artless trousers role, but the minxish, Latin girl to life, the single syllable "ma" in "Una voce poco fa" given an infinity of meaning - and finding the Rossinian fioriture a gift to her easily flowing voice. Her Tancredi on disc (for RCA) and much else has amply confirmed her ability to inflect runs with interior meaning. The sheer beauty of her timbre came to the fore in her Mozart recital with Sir Colin, soon to be joined by a Handel disc from the pair. The demonstration video that accompanied the Mozart evinced Kasarova's intense involvement in everything she sings.
As she says: "In the studio there's no point in freezing and just standing terrified in front of an orchestra. You've got to perform, if possible, in just as lively a fashion as if you were on stage, and communicate with those sitting at home. For that to happen projection of the words is also essential." She emphasizes repeatedly that everything must be "innerlich", that is, sung from within. "It's absolutely essential to bring the drama of the stage into a recording, which may cause problems, but it's just my natural reaction to singing a part and feeling the music from inside me. One must not just seek musical perfection: one must be lively and take risks, or the recording will become sterile."
It's hardly surprising then to learn that, as a young student, the singers she listened to most on record were Callas and Simionato. Later, when she was beginning her career, she enjoyed hearing Christa Ludwig and Gruberová (with whom she has sung and recorded). What was it she liked about all these singers? "Their personality and charisma, but it is also their timbre and so many other things that caught my imagination and inspired me."
Although she first studied piano in her native Bulgaria, she soon found herself attracted to the singers she met and those she accompanied. "But I immediately realized that the voice is the most difficult instrument there is because it is part of you: you don't externally play it. One needs an intuition as to just what your voice is doing on a particular day. Yesterday" - she meant the evening of the recital - "it was one thing. When I was in Madrid before, it was something else."
Her technical training was at the Music Academy in Sofia, where she studied five years, from Monday to Friday - "Every month except July and August. Exercises, exercises until everything came as naturally as drinking water. Indeed, you should even be able to sing when you aren't well! I always felt destined to be a mezzo, even though I had easy top notes, because that was the way the voice lay." At the same time she also learnt to act, simply as part of her training.
Before she left Bulgaria, she had already sung such important roles as Dorabella, Rosina (her début role), Preziosilla, Fenena (in Nabucco) in Sofia. "By chance the Director of the Zurich Opera came to our theatre. He heard me and immediately offered me a contract in his house. It was a wonderful opportunity for me. At Zurich my début was as the Second Norn, and for a time I was confined to smaller parts. I was happy about that as it let me acclimatize to those more auspicious surroundings. Then came roles as Anna in Les Troyens and Olga in Eugene Onegin.
"Even luckier, a few months before Karajan heard me, and saw that I was invited to the Vienna State Opera. He had invited me to sing in Bach's h-moll Messe at the 1989 Salzburg Festival, but that was not to be. I learnt on my birthday, July 18th, that he had died two days before. I cried, I have to admit." At Vienna she was engaged for the ensemble, but she did not stay as long, as she wanted to be free to be a guest everywhere, no longer tied to one house. "You simply cannot let chances get away from you. You see when I appeared at Covent Garden as Rosina, I was supposed to sing the whole run, but Vienna wouldn't let me go so I did only three performances - and without much rehearsal! I am very excited that I have been invited to the new house to sing Sesto under Colin Davis when it opens in 2000."
She struck up an immediate rapport with Sir Colin when she sang Annio with him at Salzburg. "I have met two real gentlemen in my career: they are Sir Colin and Jonathan Miller. I am not saying that because they're English; it's just the truth of the matter. Colin Davis is a conductor who loves singers. He has a great deal of finesse. I didn't really have to discuss things with him. I was simply guided by his look and by his positive attitude. It was a psychic cooperation perhaps."
Having sung Dorabella, Zerlina (which she confesses, she made sexy rather than pretty-pretty under Patrice Chéreau's guidance at Salzburg a couple of years ago) and Annio, Idamante, Farnace and Sesto, she hasn't so may other Mozartian roles in view, though one day she would like to repeat Janet Baker's feat of transferring from Sextus to Vitellia in Tito.
She is very keen to point out that it is foolish to generalize about Rossinian roles: "Rosina is one thing, Tancredi is another, Isabella is something else again. To each you must bring a special character and use the runs to convey that." This summer she has added La Cenerentola to her Rossinian repertory at the Pesaro Festival.
And Bellini? "For me he is a mixture of Mozart and Rossini. He is in the true line of bel canto that carries on to Donizetti. He suits me very well, I think." She sang Romeo in Capuleti first in Paris in 1996, when RTF reported on it in these pages (2/97). "Every note was given full value, every word cleanly enunciated", he wrote. "Even her physical performance had an aura of dignity that recalled the standards and the style of an earlier generation."
In a few years Kasarova hopes to tackle Donizetti in the form of La favorite (she's down to record the part in 1999). "I don't think Léonor in this work should be sung heavily as you often hear it done. She is a young, vulberable woman and that's how she should sound. She isn't an Amneris - that's why I hope to record the part in the original French." Which brings me to Charlotte in Werther.
"I first sang the role in Zurich, then in concert in Berlin with Alfredo Kraus. It suits me well, vocally and dramatically. I feel a great affinity with Charlotte, with her emotional situation, her suffering and her sensitivity. The part also lies well for my voice. I am so looking forward to recording it. Ramón Vargas will be my Werther. I am a great fan of his."
She deliberately divides her time into periods when she will just be performing opera and others when she will only do recitals. "You have to be fully prepared in every way for recitals, because they are far more intimidating experiences than opera, and you have to be even more subtle in recital than in opera, because in a recital I am projecting just "me", my personality, while on stage you are attempting to be Rosina or Sesto or whoever you're portraying."
After the Capuleti recording, released this month, her next recording to be issued will be of Rossini, mostly arias but also duets with the young tenor Juan Diego Flórez. Then she would like to do a Lieder CD, but realizes she still has to perfect her interpretations, even though she studied the Lied very thoroughly with her teacher in Bulgaria, who herself studied in Weimar. It's also a question, she feels, of achieving an exact rapport with her chosen pianist.
Generally speaking, she is sensible enough to acknowledge her luck in being able to make so many discs: "I realize that it has been a great opportunity for me. There are so many good singers around, but so few of them have the opportunity that I have had to prove myself. So I have a real feeling of awe that this has happened to me, and happened so early in my career. I shan't ever forget that fact."
Kasarova is married to a Swiss businessman. They live in Zurich and Vesselina has taken Swiss nationality. "But Bulgaria is still in my blood! I think it's a good combination - the Bulgarian temperament and the Swiss sense of proportion, and I have much to thank the Zurich Opera for. The opera house there is such a good size for a developing singer and I could try out parts in an excellent ensemble. And I had the wonderful luck to sing the title-role in La Périchole there with Harnoncourt. That's another part I hope to record before long. It's a wonderful role for me." Already she is to record a CD of Offenbach airs conducted by Maazel.
Vesselina went out of her way to praise her senior, Ann Murray, who sang Sesto to her Annio at Zurich. "She is one of the best people I know. She's so natural, wise, ganz lieb. I was young and inexperienced and she thought me how to behave in the profession, gave me every encouragement, introduced me to the management at La Scala. She taught me the right way to go about my career. A warm and sincere personality. I was lucky to meet her at a crucial moment in my development. What more can I say? Oh yes - she's a wonderful singer!"
Away from singing, Kasarova likes to live a quite ordinary life, cooking ("A Bulgarian salad with feta cheese that I often prepare for friends"), going to the cinema, walking and above all meeting friends - "a real luxury when you're away from home so often - but my real hobby is my work - singing".
Her schedule for the next few years is packed with interesting events. At Zurich next month [October] she undertakes Hänsel for the first time. Next summer at the Munich Festival she undertakes Giovanna Seymour to Gruberová's Anna Bolena, and Marguerite in a new staging of La damnation de Faust at Salzburg, the following year Idamante at the latter, besides that Sesto at the renovated Covent Garden. Then in 2000 Octavian is planned for the Met and Iphigénie in Zurich. It's an exciting schedule for an exciting singer - and for us - to contemplate.
Stasera al Palafestival la prima, si annuncia un grande successo
Quanto è bella Cenerentola
Vesselina Kasarova, la protagonista più attesa
Alzi la mano chi, da bambino, non ha tifato per Cenerentola e odiato le sue perfide sorelle. Stasera avremo almeno un paio di motivi in più per stare dalla parte di Cenerentola. Il primo ce lo offrirà il Rof, che nel terzo appuntamento della XIX edizione proporrà, appunto, La Cenerentola. Il secondo è de la presenza nel cast di: Vesselina Kasarova, mezzosoprano. In dolce attesa, Vesselina Kasarova ha conquistato tutti. Bella, ma anche molto brava. E di rara gentilezza. Vesselina dà la voce ad Angelina-Cenerentola.
C'è grande attesa per la prima di stasera.
"Sento l'importanza dell'appuntamento. E' un doppio debutto, per me e per Cenerentola proposta per la prima volta nel Rossini Opera Festival. A mio parere, il Rof è il festival italiano più importante. Per fortuna, in questo debutto sono aiutata dalla presenza di Luca Ronconi, un uomo, un regista molto speciale, molto intelligente, un filosofo con grande estetica. Questa Cenerentola è un po' nuova per l'Italia. Credo che al pubblico piacerà. E' una sensazione positiva che ho ricavato durante la prova generale. Le scene sono molto interessanti, la musica è bella, i miei colleghi sono bravissimi. E quando tutto piace il risultato non può che essere positivo. Me lo auguro, a poche ore dalla prima".
Il direttore artistico Luigi Ferrari, nel presentare il Rof, ha speso bellisime parole per la Cenerentola Vesselina Kasarova.
Mi piace il ruolo, mi piace l'opera, anche se ritengo la parte molto difficile. La tessitura è molto grande, con molta coloratura. Non c'è molta possibilità per cantare una nota così lunga. Per cui, veramente si deve cantare con tecnica e concentrazione. Questa Cenerentola non è quella che conosciamo da bambini. Non è la donna delle magìe. Il libretto è molto realistico, veritiero. Cenerentola è dolce, intelligente, con grande personalità.
Rossini, però, le è molto familiare, visto che ha esordito, nell'Opera di Sofia, con le musiche del Cigno pesarese.
E' vero, debuttai con il barbiere, ma questa Cenerentola è molto diversa. Como ho detto già, le colorature sono quasi impossibili. E' un impegno esaltante. Non sono italiana, ma mi auguro che il pubblico capisca il mio animo, con quale sentimento interpreto la parte.
Rossini è difficile da interpretare, ma dalle sue parole si capisce che lei ne è innamorata.
Oh, sì. Amo Rossini e Mozart. E in Cenerentola, a mio parere, c'è tanto Mozart. Si tocca con mano queste genialità.
Dopo questa prima presenza, sarà possibile rivederla presto a Pesaro?
Mi piacerebbe. Quando ce ne sarà la possibilità, tornerò con entusiasmo. Il Maestro Ferrari mi chiede sempre di cantare al Rof. Purtroppo, però, nei prossimi tre anni sarò impegnata a Salisburgo. La contemporaneità rende impossibile conciliare i due impegni. Un vero peccato. Qui si sta benissimo. Non sono parole di circostanza. La gente è simpatica, l'atmosfera tranquilla, tutti ti aiutano. E' come sentirsi a casa, in famiglia. Per un'artista è molto importante.
Le sue parole non fanno alro che confermare quanto detto già da tanti suoi colleghi che hanno avuto la fortuna di lavorare a Pesaro, al Rof.
Siamo artisti e viviamo con piacere queste sensazioni, l'atmosfera davvero unica che si respira al Rof. E' per questo che poi si lavora bene.
Il cast di Cenerentola è di alto livello.
Tutti molto bravi, e anche simpatici. In un'opera non è importante un singolo protagonista. Tutti devono offrire il meglio. E questo gruppo mi sembra straordinario.
Il Rossini Opera Festival ha dedicato questa edizione a Lucia Valentini Terrani, straordinaria protagonista al Rof, soprattutto strepitosa interprete di una indimenticabile Cenerentola.
Per me è una grande soddisfazione interpretare un ruolo che Lucia Valentini Terrani ha reso indimenticabile. E' un'opera molto bella, la musica è diversa in ogni momento. Al pubblico piacerà, ne sono sicura.
Como ha anticipato lei, anche la regìa e le scene sono di grande valore. Non a caso ci hanno raccontato che durante la generale gli spettatori hanno applaudito addirittura un cambio di scena.
E' la verità. La prova generale è andata bene. Vedremo stasera ...
Quali sono le sue opere preferite?
Tante. Una è sicuramente Cenerentola, un'altra è L'italiana in Algeri. Mi piace molto anche Tancredi. Di Mozart adoro La clemenza di Tito e mi piace Capuleti e Montecchi di Bellini. Amo ruolo molto personalizzati. Mi interessano le note, sì, ma anche i personaggi. Oggi, per fortuna, oltre alla musica, è importante anche il teatro. Cantare bene, d'accordo, ma anche interpretare bene. Mi piace.
Come si trova a Pesaro?
Vivo a Zurigo, dove sto bene. Ma Pesaro mi piace molto. Non amo le grandi città. Sono nata in un piccolo centro in Bulgaria. Qui si vive bene, Pesaro è piccola ma c'è tutto. L'ambiente è molto familiare. Si mangia bene, cosa importante, e, ancor più importante, c'è il mare. L'acqua mi dà grande forza.
Il carnet di Vesselina Kasarova è pieno di impegni. Dopo il Rof, sarà a Tel Aviv per un concerto di gala, quindi interpreterà il ruolo di Giovanna Seymour in Anna Bolena a Monaco di Baviera. Poi ancora concerti a Bruxelles, Ludwigshafen e Francoforte. Poì sarà Hansel in Hansel e Gretel à Zurigo. Per quanto riguarda Rossini, nel '99 sarà Isabella ne L'italiana in Algeri a Monaco di Baviera e Rosina ne Il barbiere di Siviglia a Vienna. Questo fino al 1999. Ma tante date sono già occupate fino al 30 novembre 2002. Difficile, pertanto, rivederla presto a Pesaro. "Ribadisco che è un peccato. Mi piace l'Italia. Purtroppo, però, le tante richieste dei teatri italiani arrivano quando ho già preso impegni con teatri di tutto il mondo, che si muovono prima. E non capisco il perché."
Singen gegen Trends
Die Star-Mezzosopranistin der Dresdner Musikfestspiele Vesselina Kasarova über steriles Singen, manipulierte Stimmen und eine emanzipierte Carmen.
Vesselina Kasarova - der bulgarische Gesangsstar begann als Vierjährige zu musizieren. Sie spielte auf einem Klavier der Dresdner Firma Wolfram. Während ihrer Pianisten-Ausbildung wurde zufällig ihre phänomenale Stimme entdeckt. Bei den Dresdner Musikfestspielen wird sie zweimal in der Semperoper auftreten. Am 17. Mai, 11 Uhr singt sie Lieder von Schubert, Schumann und Brahms. Am 1. Juni, 15 Uhr gestaltet sie unter anderem mit Lucia Aliberti eine konzertante Aufführung des Bellini-Meisterwerks „I Capuleti e i Montecchi".
Grosse Namen und renommierte Klangkörper bieten die Dresdner Musikfestspiele vom 16. Mai bis 1. Juni. Geladen sind unter anderem die Geigerin Anne-Sophie Mutter und das Orchestre de Paris. Hierzulande noch eher unbekannt ist die bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova. Obwohl Kritiker die heute 33jährige als hoffnungsvollste Entdeckung der 90er Jahre feiern. 1991 gab sie in Salzburg ihr Debüt und hat seitdem mit überwältigendem Erfolg in München, Wien, Mailand, Paris und New York gastiert. Selbst umstrittene Inszenierungen macht die Wahl-Schweizerin zum Ereignis.
„Die Kasarova ist die Idealbesetzung", loben Kritiker und feiern Ihre „betörend samtene Stimme" sowie Ihr „grosses Stilbewusstsein". Wie bewahren Sie bei solchen Hymnen Kritikfähigkeit?
Ein Star zu sein, daran denke ich nicht. Ich habe genug Respekt vor meiner geliebten Musik und vor dem Publikum. Je euphorischer die Reaktionen sind, umso grösser wird mein Respekt. Lange beschäftige ich mich mit den Farben. Jede Phrase, jeden Ton will ich vom Ausdruck her verstehen. Ich höre mir Aufnahmen mit anderen Künstlern an - nicht, um sie zu kopieren, sondern um Gestaltungsvarianten zu vergleichen. Dann suche ich nach meinem Zugang zum Werk, um glaubwürdig zu sein. Das braucht Zeit, genauso wie die Vorbereitung auf Auftritte. Anreisen, auf der Bühne ein paar Töne abliefern und darstellerische Fertigstücke dazu bieten, das kann ich nicht.
In Dresden werden Sie mit einem Lied-Konzert und in einer konzertanten Opern-Aufführung zu erleben sein. Wie leicht fällt Ihnen das ungespielte Singen?
Liederabende sind mit ihrer Intimität das Schwerste. Ich kann mich nicht hinter einer Rolle verstecken. Die Gestik muss gegenüber der Oper viel delikater sein. Eigentlich fühle ich mich nur wohl, wenn Gesang und Spiel in einer Balance sind. Sogar bei Schallplattenaufnahmen kann ich nicht still vor dem Mikrophon stehen. Eine emotionsreiche Koloratur brillant, aber äusserlich steril herunterzusingen, ist nicht mein Fall. Deshalb nehme ich keine Platten auf, wenn ich die Partien dem Publikum nicht live bieten werde. Sicher, das widersprecht dem Trend. Dennoch glaube ich, dass man als junger Sänger gut daran tut, das Repertoire langsam zu erweitern, statt sich wie in einem Supermarkt anzupreisen und seine Stimme zu manipulieren.
Sie lehnen derzeit die Carmen ab, weil Sie nur Rollen interpretieren, die Sie in Kopf und in Körper spüren. Ist Ihr Alter von 33 Jahren nicht ideal für eine temperamentvolle Carmen?
Eine Carmen kann man mit 50 sehr überzeugend interpretieren. Warum muss die Carmen sexy sein? Alle „Carmen"-Aufführungen, die ich sah, boten dieses Klischee. Dabei ist die Carmen nicht ordinär, sondern eine emanzipierte Frau. Doch welcher Regisseur hat den Mut und überzeugende Ideen, das zu zeigen? Es ist doch ohnehin so, dass nur wenige Regisseure die Werke und die Sänger respektieren. Ihre Konzepte richten sich oftmals gegen die Musik. Ebenso selten sind Dirigenten, die sich nicht in den Vordergrund schieben. Einer von ihnen ist Sir Colin Davis. Mit ihm und der wunderbaren Sächsischen Staatskapelle habe ich eine Platte mit Mozart-Arien aufnehmen dürfen.
Bulgarische Künstler haben internationalen Erfolg. Wieso hält sich in Westeuropa das Vorurteil, dass osteuropäischen Sängern die kultivierte Linie fehle?
Es verdeutlicht den alltäglichen Rassismus, den es auch in der Kunst gibt. Dabei würde manches Haus im Westen ohne Musiker und Sänger aus Osteuropa nur Mittelklasse-Niveau bieten können. Ich kenne diese Einteilung nicht, nur die, in gute und weniger gute Musiker. Man fragt mich manchmal, warum ich nicht über meine Jahre im kommunistischen Bulgarien schimpfe. Dort wurden Talente in Kunst und Sport gefördert, unabhängig vom Verdienst der Eltern. Fünf Jahre habe ich damals nonstop gelernt, habe parallel zur Gesangs- eine ebenso intensive wie gewissenhafte Schauspielausbildung genossen. Singen ist wie Hochleistungssport, anders ist eine Stimme nicht in den Griff zu bekommen. Und, dass ich durch diese Förderung etwas in der Jugend vermisst hätte, kann ich nicht behaupten.
Sie können Motorrad fahren, leben weltoffen und singen dennoch Werke aus dem 17./18. Jahrhundert. Was hat Belcanto mit heutigem Lebensgefühl zu tun?
Es ist eine artifizielle Tonsprache und kann uns doch mit Wärme und Humanität direkt ansprechen. Nehmen Sie Mozart! Dieser Mann, oft als Komponist des Leichten abgetan, muss wie kein anderer die Menschen gekannt und geliebt haben. Seine Figuren sind nie schwarzweiss charakterisiert. Selbst der Böse hat im Kern noch Grösse. Mozarts Figuren fühlen und handeln, wie ich finde, bis heute nachvollziehbar. Was seine Werke an ausgeklügelter Dramatik und an Farbenreichtum bieten, ist zeitlos überzeugend.
Vesselina Kasarova, la sonrisa eslava
El 3 de mayo, dentro de IV Ciclo de Lied que organiza el Teatro de la Zarzuela en coproducción con la Fundación Caja de Madrid, se presenta en esta ciudad la mezzosoprano búlgara Vesselina Kasarova, uno de los nuevos y más firmes talentos del canto actual. Habitual del Festival de Salzburgo en la etapa de Gérard Mortier, desde que en 1992 sustituyese a Marilyn Horne como protagonista de Tancredi, esta conversación transcurrió en agosto 1997, antes de que la disciplinada cantante se sometiese un día más a lo largos y fatigosas ensayos de La clemenza di Tito. Pero nada de aquel esfuerzo podía advertirse en su rostro, del que emanaba esa especial dulzura propia de las cantantes eslavas. Sus opiniones, sensatas y reflexivas, denotan inteligencia y una contagiosa comunicatividad, unidas con una férrea voluntad y un absoluto amor por su trabajo que le han llevado a instalarse en la primera fila de las jóvenes mezzosopranos.
El Festival de Salzburgo tiene una especial significación para usted. Aquí cantó el papel protagonista de Tancredi en 1992, sustituyendo a Marilyn Horne, lo que fue muy importante para su carrera. ¿Qué recuerdos guarda de aquel Tancredi?
La dirección del Festival me preguntó si podía cantarlo, y yo respondí inmeditamente que sí, sin pensar en la gran responsabilidad que sponía. Para mí era un gran honor cantar Tancredi aquí, en Salzburgo, en el bicentenario del nacimiento de Rossini. Estudié el papel durante veinticinco días, una obra de la que no había cantado absolutamente nada, ni siquiera un aria o un dúo. Pero para mí era una gran oportunidad poder demostrar mis posibilidades vocales. Debo decir que tuve mucha suerte, y todo salió bien.
En aquella ocasíon no quiso cantar Edita Gruberova, aunque después han llegado a ser muy buenos colegas.
No creo que se negase a hacerlo porque yo era una principiante, porque la conozco y es una cantante de tal categoría que está por encima de algo así. Estoy segura de que la rázon fue otra. Al menos, personalmente, no puedo creerlo. Los periodistas muchas veces escriben estas cosas para causar sensación entre los lectores.
Posteriormente, usted ha grabado Tancredi con los dos finales, el feliz del estreno veneciano y el trágico de Ferrara, más fiel al original de Voltaire. ¿Cuál de los dos finales prefiere?
El trágico, sin ninguna duda. Está tan bellamente escrito que, tanto por la música como por el sentimiento que transmite, prefiero el finál trágico al desenlace feliz.
¿Ha vuelto a cantar el papel en un escenario?
No, pero lo haré en diciembre en el Carnegie Hall de Nueva York, en versión de concierto. Por desgracia, esta ópera no se representa con demasiada frecuencia, y es una lástima.
¿Y qué final se hará entonces?
Supongo que el trágico, pero esto depende del director, que es quien decide. Encuentro muy buena la idea de la grabación de RCA, de incluir los dos finales. Así pueden escucharse ambos, y el oyente puede escoger.
Después de Tancredi, usted ha vuelto a Salzburgo prácticamente todos los años. Ha cantado Zerlina en Don Giovanni, Annio en La clemenza di Tito, ha intervenido en el espectáculo sobre las arias de concierto de Mozart titulado Ombra delice ... Puede decirse que Salzburgo se ha convertido en su segundo hogar durante el verano.
Sí, exactamente. Me gusta mucha cantar en Salzburgo. El trabajo que se hace aquí es fantástico. Sólo se trabaja con gente buena, que realmente ama lo que hace. Se ensaya mucho, y se respira una atmósfera muy especial. Tomaré mis vacaciones en otro momento, porque Salzburgo es muy importante para mi desarrollo como artista. Además, puedes ver tantos espectáculos de calidad y encontrarte con tantos colegas artistas que es realmente nuy agradable.
Este verano es especialmente importante para usted, porque tiene mucho trabajo aquí. Ha cantado en la reposición de Mitridate y va a debutar como Sesto en La clemenza di Tito.
He aceptado porque disponía de un mes de ensayos entre las dos óperas, aunque lo he pensado mucho. Siempre había querido cantar Sesto, pero he preferido esperar el momento oportuno. Quería hacerlo con un buen director de escena, como Ursel y Karl-Ernst Herrmann, quienes buscan una mayor teatralidad, una mayor naturalidad, no sólo que te pongas en un escenario y cantes tu aria, sino que pase algo más. Y en La clemenza di Tito esto es muy importante, en especial en los recitativos, donde hay tanto que decir y que expresar, lo cual me produce un gran placer.
Usted ya conoce esta producción, porque ya ha cantado el papel de Annio.
Sí, fue hace tres o cuatro años, pero para ser sincera sólo conservo algunas imágenes en la cabeza. Recuerdo, por supuesto, cómo era Annio, pero Sesto es muy diferente y ahora sólo le tengo a él en mi mente. Además, aunque la producción sigue siendo la misma, han variado muchas cosas en función de los cantantes.
¿Qué proyectos tiene próximamente para Salzburgo?
En 1999 cantaré Margarita en La condenación de Fausto de Berlioz y en el 2000 Idamante en Idomeneo y Dorabella en Così fan tutte.
En mayo debutará en Madrid con un recital en el Teatro de la Zarzuela. La gente, hasta ahora, la conoce en España principalmente por sus grabaciones. ¿Podría hablarnos de sus comienzos? Creo que empezó sus estudios musicales muy temprano, a los cuatro años.
Sí, pero aquello era sólo el aprendizaje del piano. Con el canto comencé a los diecinueve. Mucha gente dice que es muy tarde para empezar con el canto, pero yo lo encuentro estupendo porque la voz tiene que ver con el desarrollo del cuerpo, con las hormonas, con todo. Una voz se transforma, y hasta los dieciséis, diecisiete o dieciocho años no está totalmente terminada. Mucha gente empieza muy joven, casi desde niño, con unas voces bellísimas que luego se estropean. A mi juicio, empezar muy pronto con el canto no es bueno, pero esto, ya le digo, es mi opinión personal. Yo empecé, como le decía, a los diesinueve años. En Bulgaria los estudios de canto son universitarios, y yo iba a clase diariamente, de lunes a viernes, con mi profesora, durante cinco años.
En Bulgaria existe una importante tradición de cantantes, con excelente voces como Boris Christoff, Nicolai Ghiaurov, Anna Tomowa-Sintow, Ghena Dimitrova, Alexandrina Milcheva ...
Sí, aunque se h cuidado poco el repertorio más lírico, especialmente se ha hecho por Mozart. Creo que hay voces, naturalmente, sólo aptas para Verdi y Puccini, aunque ahora comienza a mejorar muchísimo este tema. En Bulgaria hay muy buenas voces en cuanto a material, y también buenos profesores. Mi maestra, por ejemplo, era fantástica, había estado a Weimar y conocía los aspectos técnicos más importantes del canto. Sin embargo, cuando un cantante joven empieza con un repertorio dramático existe el peligro de amortizar la voz demasiado pronto, de destruirla, lo cual es una verdadera lástima.
Usted hizo una audicíon para Herbert von Karajan, aunque no llegó a actuar con él.
No, desgraciadamente sólo pudimos trabajar poco tiempo juntos. Ya estaba muy enfermo. Por desgracia, las jóvenes generaciones no conocemos muy bien los grandes nombres, ni siquiera a los cantantes, aunque podemos esuchar sus discos. Por otra parte, vivimos en una época totalmente distinta. Las puestas en escena son más difíciles que antes, hay más movimiento, una mayor intensidad. Por eso los tempi en Mozart o en Rossini se han vuelto alos más rápidos. Pero en el caso de Karajan, naturalmente, fue una gran experiencia para mí simplemente el conocerle.
Usted está ligada a dos de las principales casas de ópera, la Opera de Zurich y la Staatsoper de Viena. Trabajar a menudo en estos teatros es, sin duda, positivo para un cantante.
Ya no pertenezco a estos teatros, pero actúo en ellos como cantante invitada. De 1989 a 1991 fui miembro de la Opera de Zurich, y de 91 a 93 de la Staatsoper de Viena. Es decir, que estuve dos años fija en Zurich y otros dos en Viena. Los dos teatros han sido muy importantes para mí. En Zurich empecé con pequeños papeles, junto a gente tan buena como Gruberova, Araiza ... lo que me permitió reflexionar mucho sobre lo que ellos hacían, no sólo en cuanto al canto sino hacer música, colorear ...
Sus autores predilectos siguen siendo Mozart y Rossini.
Sí, y poco a poco también Bellini y Offenbach, aunque quiero mantenerme el mayor tiempo posible con Mozart y Rossini, porque necesitan agilidad y coloratura, y cuando una voz tiene coloratura puede conservarse fresca y joven. Es muy importante que una voz permanezca joven el mayor tiempo posible, y sólo con este repertorio puede cuidarse la voz. Aunque poco a poco estoy haciendo otras cosas. Quiero evolucionar, no quedarme sólo en Rosina, aunque sea un papel maravilloso. El público espera cosas nuevas, pero es importante ser cauteloso cada vez que incorporas un nuevo papel.
Usted canta relativamente muchos papeles masculinos.
Sí, porqu hay muchos papeles masculinos para una joven mezzo: Idamante, Sesto, Tancredi ... Esto está muy bien, porque un hombre tiene otra gestualidad. Todos los papeles masculinos de Mozart son muy sensibles, muy emocionales, tienen una determinada elegancia, un erotismo. Son especiales.
En los últimos años también ha cantado bastante ópera francesa: Charlotte en Werther, La bella Helena de Offenbach ...
Sí, y en marzo debutaré La Périchole. La ópera francesa no es peligrosa. En Charlotte hay algo muy frágil, en comparación con Werther. Werther es como Sesto, con sus constantes cambios de ánimo. Charlotte es más romántica, una mujer joven, algo soñadora, como Tatiana en Eugenio Onieguin.
Pero la música de Massenet es dramática, para una gran orquesta.
Sí, pero Mozart también puede ser terriblemente dramático. Es una cuestión del modo de cantar, de frasear. La música de Charlotte no es tan compacta como la de Werther, es casi siempre delicada. También muchas Eboli gritan. ¿Por que? Hay que encontrar la expresión adecuada, no aumentar el volumen de la voz. Por ejemplo, Gruberova es un fenómeno porque es capaz de expresar sin forzar la voz.
Usted ha cantado con directores como Riccardo Muti o Nikolaus Harnoncourt. ¿Es difícil trabajar con ellos?
Sí, es difícil porque son grandes personalidades y tienen una línea de trabajo determinada. Pero también se puede aprender mucho sobre cuestiones de fraseo, de dinámica, cuándo hay que cantar piano, etc. Todos tienen ideas absolutamente únicas sobre tempi, expresión, etc. Sin embargo, es importante conservar al menos un cuarenta por ciento de uno mismo, la intuición interna. Yo trato de mantenerme como soy.
Por ejemplo, esta temporada canta con Harnoncourt La Périchole, un papel muy bello, con muchas posibilidades para actuar.
Sí, es una obra muy alegre, muy divertida. Harnoncourt es un director muy sensible. Ama a los cantantes y le gusta trabajar con ellos. Hoy en día eso es casi una excepción.
Ya hemos hablado de Gruberova. ¿Con qué otros colegas le gusta especialmente cantar?
Con todos. Hasta ahora no he encontrado a ningún colega que no me fuera simpático. He tenido mucha suerte. En esta profesión nunca se sabe hasta dónde puedes llegar, no puedes ser demasiado amable porque a veces la gente no lo comprende. Pero, como le décia, todos los colegas a los que me he encontrado han sido muy agradables. Cada uno tiene algo positivo, y eso es estupendo. No he encontrado aún a nadie poco profesional, o arrogante.
¿Ni siquiera con los tenores, que pasan por ser algo difíciles?
No, eso es un mito. Por ejemplo, Araiza es más inteligente que muchos barítonos. Pero también Deon van der Walt, o Neil Shicoff, todos ellos son muy buenos compañeros, realmente con cabeza, o Michael Schade, que canta aquí en Salzburgo el Tamino de La flauta mágica. O Bruce Ford. Son gente inteligente, con muchas ideas. Tengo que decir que no conozco a ningún tenor estúpido, ni siquiera en otros que son menos conocidos que éstos.
Con Kraus no ha cantado todavía.
No, lo haré el año próximo en Werther. No le conozco personalmente, soy de otra generación, y estoy muy ansiosa porque le tengo un gran respeto.
Y con Carreras, Domingo ...
Hasta ahora no, porque mi repertorio es completamente distinto. Pero Domingo llegará ahora en Chicago, en octubre, con Idomeneo. Será mi primer contacto con él, y tengo muchísimas ganas.
Pero en su repertorio lo que sí hay a menudo dos "prima donnas": Norma, Anna Bolena ... Esto también puede ser peligroso.
¿Por que? Para mí siempre la soprano es la más importante. La mezzo tiene que comprender que su misión es la de acompañamiento. No tengo complejos porque una soprano tenga el papel titular. Hay que pensar únicamente en hacerlo bien, y entonces el público decidirá. En una representación todos somos importantes. Si en Anna Bolena sólo es buena la soprano, el nivel global desciende. Yo trato siempre de controlar mi ego. Esa es una buena receta para cualquier cantante.
Usted cantó en una ocasión en el Liceo de Barcelona, concretamente el papel di Pippo en La gazza ladra de Rossini. ¿Qué recuerdo tiene de aquellas representaciones?
Guardo un recuerdo muy hermoso. Barcelona es una ciudad bellísima, y es una lástima que el teatro se incendiase, aunque gracias a Dios va a ser reconstruido. En España, y en Barcelona en particular, recuerdo que se comía muy bien. La cocina española siempre me encantó. La gente es relajada, un poco como en Bulgaria, habla mucha y le gusta disfrutar de la vida. Pippo es un papel con el que me lo pasé muy bien, me gusta mucho hacer de chico. La pena es que esta ópera no se representa más a menudo.
Su recital en el Teatro de la Zarzuela supondrá su presentación en Madrid. ¿Cuál será el prgrama del mismo?
Será un programa de lieder alemanes, de Brahms, Schubert y Schumann, no un ciclo sino lieder seleccionados.
¿Cuándo comenzó a cantar lied?
Realmente hace poco tiempo, aproximadamente un año. Pero tengo muchas ganas de cultivar este género. Mi profesora sólo cantaba lied, y a mí me gusta también hacerlo.
¿Se encuentra cómoda en el campo de lied alemán?
Sí, mucho. El lied alemán me apasiona. Yo hablo alemán desde la escuela, y es posiblemente el idioma que mejor domino después del búlgaro. En el lied alemán hay mucho romanticismo, es muy rico en sentimientos.
El año próximo debutará también en el Metropolitan de Nueva York.
Sí, exactamente, con la Rosina de Barbero de Sevilla. Además, como ya le he dicho cantaré Tancredi en una versión de concierto en el Carnegie Hall. Tengo muchísimas ganas.
Actualmente tiene un contrato en exclusiva con BMG, con la que ha realizado ya numerosas grabaciones.
Bueno, tampoco han sido tantas. Hace cuatro años grabé el álbum de música francesa, con las Noches de estío de Berlioz, Schéhérazade de Ravel y el Poema del amor y del mar de Chausson. Luego vino el disco de arias titulado A Portrait, a continuación Tancredi y un año después las arias de Mozart. Es decir, que vienen a ser uno o dos discos al año, que es una media bastante normal.
¿Le gustan las grabaciones?
Sí, mucho, porque puedo hacer las cosas por gusto y no por mera obligación. Es mi repertorio, y me produce un enorme placer grabar aquellos papeles que anteriormente he cantado en un escenario.
¿Piensa ya en una Carmen?
Sí, naturalmente, y en otras muchas cosas, como La favorita. Pero son cosas que tendrán qu venir con el tiempo. Como también ocurre con Verdi. Creo que podría cantar Eboli, aunque no una Azucena. Al menos por ahora.
¿Tiene algún modelo?
Christa Ludwig, como personalidad, como cantante, como todo.
Balance von Seele und Stimme
Vesselina Kasarova eröffnet das erste St. Moritzer Festival Snow & Symphony
St. Moritz beginnt ein neues klassisches Festival-Abenteuer: «Snow & Symphny» bringt von heute bis Sonntag hochkarätige Stars ins Engadin. Gespielt wird in ganz besonderer Ambiance: in traditionsreichen Hotelsälen sowie auf dem Corvatsch und der Corviglia. Zum Auftakt des Festivals ein Gespräch mit der Mezzosopranistin Vesselina Kasarova.
Mit Vesselina Kasarova sprach Andrea Meuli
Vesselina Kasarova, Sie wurden 1989 noch während Ihrer Ausbildung an das Zürcher Opernhaus engagiert. Ein märchenhafter Karrierestart ...
... ja, und dennoch war ich damals tief deprimiert und habe gedacht, das schaffst du nie und nimmer. Sie dürfen nicht vergessen, ich verstand kein Wort Deutsch. So werde ich diese erste, schwierige Zeit fern meiner bulgarischen Heimat nie vergessen. Gleichzeitig bot mir Zürich damals die grosse Chance, eine Karriere mit kleinen Partien aufzubauen.
Dann beschleunigte sich alles - und der Aufstieg zum international begehrten Mezzo-Star kam beinahe über Nacht. Jetzt stehen Sie gut sieben Jahre ganz oben auf der Erfolgsleiter. Ist Ihre Angst auf der Bühne grösser oder kleiner geworden?
Von Angst will ich nicht sprechen, aber mehr Respekt habe ich gewonnen. Ich bin mir heute bewusster, was ich mache und wie ich es mache. Ich bin auch kritischer mit mir selber geworden, ohne deswegen bis heute darunter zu leiden oder gar hysterisch zu werden.
Macht das den einzelnen Auftritt schwieriger oder leichter: Ist der internationale Ruf und die damit verbundenen Ansprüche eher Belastung oder Rückendeckung?
Ich meine, man sollte sehr behutsam damit umgehen und darauf achten, nicht krankhaft mehr und noch mehr zu machen. Es ist auch wichtig, mit dem Erreichten zufrieden zu sein, sich auf das eigene Können zu verlassen - und damit locker zu bleiben. Ständige Zweifel machen unsicher und schaden damit auch der Stimme.
Ist das Leben mit dem Sängerberuf schwieriger geworden?
Schwieriger ist es nicht geworden, aber ich denke heute anders als früher. Ich bin eine stärkere Persönlichkeit geworden - und die muss man haben in diesem Beruf. Man muss unverwechselbar sein, auch in der Art, wie man singt. So bin ich glücklich, wenn ich etwas Neues, eine neue Farbe in meiner Stimme entdecke - das sind meine Ziele.
Was bedeutet Ihnen der körperliche Ausdruck für Ihr Singen?
Der körperliche Ausdruck ist Teil meines Singens. Ich liebe daher die Arbeit mit neuen Regisseuren, damit ich mich auch schauspielerisch entwickle. Singen ist meine körperliche Sprache: Wie ich meine Hand bewege, hat auch mit meiner Seele zu tun, ob ich mich traurig, melancholisch oder fröhlich fühle. Das beeinflusst auch die Tonfarbe. Körper und Stimme ganz nahe zueinanderzubringen, daran arbeite ich intensiv.
Ist das nicht eine elementare Voraussetzung für den sängerischen Erfolg?
Nein, ich war früher nicht erwachsen genug. Für junge Sängerinnen und Sänger ist es unwichtig, ob ihre Stimme 30 Dezibel an Volumen hinzugewinnt oder nicht. Vielmehr müssen wir eine Balance von Seele, Emotion und Stimme finden. Das ist die Wahrheit.
Wie ist kürzlich Ihr Debüt an der New Yorker Metropolitan Opera ausgegangen?
Gar nicht! Ich war krank und musste absagen. Hingegen habe ich erstmals in der Carnegie Hall gesungen. Das war eigentlich die grössere Herausforderung, denn ein Konzert ist viel schwieriger zu singen.
Wirklich ...?
Ja, weil man bloss einen Meter vor der ersten Zuschauerreihe steht. Und das ohne Maske. Da kann man sich nicht verstecken, diese Situation ohne Kostüme und Lichtregie hat viel mehr Intimität.
Fürchten Sie denn Ihr Publikum, wenn es so direkt vor Ihnen sitzt?
Das nicht, aber in einem Konzert spüre ich eher die Verantwortung, die auf mir lastet. Man kann sich kaum entspannen. Auf der Bühne ist es einfacher, natürlich zu bleiben und damit der Wahrheit nahezukommen. Ich versuche nie, auf der Bühne schön zu wirken, sondern stets die Wahrheit einer Figur auszudrücken. Das ist ein Teil meines Lebens.
Vesselina Kasarova, Sie haben sich bewusst vom slawischen Repertoire abgegrenzt. Weshalb?
Sprachlich und emotional mögen mir Rollen dieses Repertoires wohl nahe liegen, aber ich habe auch als Pianistin Bach und Mozart gespielt und nicht bloss Rachmaninov. Gegen das Image einer slawischen Sängerin habe ich mich bewusst gewehrt. Ich wollte eine Mozart-Sängerin werden!
War das schwierig?
Am Anfang spürte ich, dass es schwierig ist. So konnte ich zwar schlechte Erfahrungen vermeiden; an Angeboten jedoch, die mich hätten verleiten können, fehlte es nicht: Eine Jeanne d'Arc von Tschaikowsky ist auch für die grösste Stimme mit 24 Jahren nichts!
Welche Komponisten liegen Ihnen heute, im jetzigen Zeitpunkt Ihrer Karriere, am nächsten?
Ich werde nie nur bei Mozart und Rossini bleiben. Bellini zum Beispiel wird immer wichtiger für mich, auch eine «Favorita» würde ich in einigen Jahren gerne machen. Ich habe gelernt, mit der Entwicklung meiner Stimme mitzugehen. Sicher wird irgendwann einmal die Carmen kommen, aber im Moment reizen mich andere Aufgaben mehr; die «Werther»-Charlotte beispielsweise ist viel vielschichtiger. Carmen muss man im richtigen Moment einer Karriere verkörpern und singen - mich im Augenblick danach zu fragen ist ungünstig.
Ein Blick in Ihren - bis ins Jahr 2002 säuberlich geplanten - Terminkalender lässt staunen: Wie haben Sie für St. Moritz so kurzfristig Zeit gefunden?
Dieses Konzert passt zufällig zwischen Konzerte in Paris und München hinein. So habe ich es gerne angenommen und fasse es als Kompliment auf, in St. Moritz zu singen.
Vesselina Kasarova
Zwölf Jahre Klavierstudium bis zum Konzertdiplom, fünf Jahre Gesangsstudium, ein Vertrag ans Opernhaus Zürich noch vor der Abschlussprüfung und ein triumphaler Durchbruch an den Salzburger Festspielen 1992, als sie für Marilyn Horne einsprang: Vesselina Kasarova hat sich in weniger als einem Jahrzehnt ganz nach oben gesungen. Der Terminkalender des bulgarischen Mezzo-Stars ist voll bis ins Jahr 2002 mit Auftritten an den exquisitesten Adressen von Mailand bis New York, von Salzburg und Paris bis London.
Vesselina Kasarova
Suddenly, we're drowning in mezzo-sopranos. Ten years ago, if an opera house wanted to put on a Rossini opera, the top choice of coloratura mezzos was Marilyn Horne; everyone else came in second. Times have changed - Cecilia Bartoli, Jennifer Larmore and Ewa Podles have been on the scene for a few years, and there's a new mezzo star in the firmament - the young, Bulgarian Vesselina Kasarova. And she just may have everything.
Kasarova was the toast of this summer's Salzburg festival, starring in Mozart's early Mitridate and late La clemenza di Tito, and wowing critics and public alike. "The Austrian critics are like lions," Kasarova says, but they loved her, praising both her acting and singing, raving about her emotional range. The voice is bigger than it records (her latest is a collection of Mozart arias; previously she's recorded the title role in Rossini's Tancredi and a group of bel canto arias, all on RCA Red Seal), and is unbroken throughout the range, with a deep, rich, contralto-ish bottom register and a gleaming top; and what's more, the sound itself is very beautiful, with a sensual quality quite individual - and welcome.
Chatting with her in German, Italian (her two languages besides Bulgarian and Russian) with a smidgen of English and the help of a multilingual friend is easy and comfortable - this is a down-to-earth prima donna. "There is no tradition of bel canto singing in Bulgaria," she explains. "But I heard recordings of Callas and others, who sang with the voice on the breath and with rapid coloratura - and this is how I sang, too. My teacher, who studied in Germany, was a chamber singer, very sophisticated, and she prepared me well."
I mention that Kasarova's singing seems as natural as speech. Is this conscious? "I have a good technique and I never, ever force - that is important. When I sang Preziosilla [in Forza], which can be dangerous, I sang it my way. I know how to ‘make the music' - I was a pianist until I was 20 years old. Many singers want only to show off their voices, and they miss the character. If you have no coloratura, you can't learn it - you have to have the ‘intuition" for it."
Future plans? "I would love to sing Carmen - but I am more interested in it theatrically than I am musically. It would depend on the stage director." And her Metropolitan Opera debut this month as Rosina in Rossini's Il barbiere di Siviglia? Is she nervous? "No, I'm more curious. I have great respect for the Met, but angst? No." And since Kasarova has yet to receive a review that is anything other than glowing, it seems she genuinely has little to worry about.
From the heart - and brain
Vesselina Kasarova makes an impressive American debut at Lyric
In 20 years we may look back on the turn of the millennium as the Golden Age of the Lyric mezzo-soprano; never before have lovers of opera enjoyed such a grand array of lusciously low-voiced women. To such names as von Stade, Bartoli, Larmore, Mentzer and Borodina, we can add that of Vesselina Kasarova, the 32-year-old Bulgarian mezzo who made her American debut with the production of Mozart's "Idomeneo" now playing at Lyric Opera of Chicago through Nov. 16.
Tall, slender, attractive and intense on stage, Kasarova has an impressive instrument that the Tribune's John von Rhein compared to "deep dark mahagony, beautiful and even throughout its range." And she is apparently devoid of diva-ish quirks and attitude; low-key and hardworking, she seems to have a spontaneous smile for everyone she meets at the opera house.
Trained first as a pianist in Sofia (corr. Stara Zagora), she was singing professionally with the National Opera of Sofia before she'd even finished school. In 1989 (corr. 1988), Herbert von Karajan invited her to Salzburg; in the same year (corr. 1989), she joined the Zurich Opera. Her career has risen steadily ever since.
In an interview in her dressing room, following the "Idomeneo" dress rehearsal, Kasarova talked about America, Mozart, and the roles she does. She speaks virtually no English; her husband, Roger Kaufmann, assisted in translating her German. (Kaufmann, a Swiss, says he fell in love with her when she sang in a benefit concert in Zurich, his hometown. "She came onstage, and I thought, ‘I must marry this woman!'" He subsequently attended all 18 performances of a production of "Eugen Onegin" in which she sang the role of Olga, and half the performances of an excruciatingly modern piece. That's true love.)
"I knew the U.S. from books and movies, but it is different from what I expected," she said, in a voice that is higher and more girlish than one would expect from hearing her sing. "I didn't expect to be so comfortable! But the people are very kind here.
In the rehearsal department, everybody will help you; it's not difficult to find what you need. At first, my costume didn't fit so well, and they fixed it immediately! In Europe, you have to beg at least a hundred times to get a costume fixed. There, you have to fight for the little things."
Another thing important to an artist's well-being, she believes, is time to unwind and recharge the batteries. "Singers sometimes become anxious, and then they begin to act badly. I want to stay myself. When the performance is over, I really need to relax. If you stay in the world of the theater all the time, you never find peace. I have to get back the power, the energy I give to the audience."
Kasarova unwinds by spending time alone, going for walks and sharing time with friends. She also enjoys going to the movies and watching television (studying actors while relaxing), and, notes her husband, "she goes shopping!"
Kasarova records for RCA, which has just released her exquisite new album of Mozart arias. "For me, Mozart is the clearest composer. His music is so pure-natured, whether he's funny or serious; it's always clear what he means. Even if sometimes he doesn't give very strong commands on how to sing something - he gives the singer freedom to arrange it - you won't be asking how to do it, because it comes spontaneously. With other composers, there are more possibilities for interpretation; with Mozart, you see just what he wants."
Her favorite role is Sesto, in Mozart's other great opera seria, "La clemenza di Tito," because of his "tragic personality. He has a kind of pure love for Vitellia which nowadays you don't find. Desperation makes him strong. Mozart must have loved this role very much, because he filled it with so much wonderful music."
Although she finds Idamante lovable, she notes, "It's a very difficult role for a mezzo-soprano, because it has such a high tessitura - sometimes it's even higher than Illia (Idamante's soprano love interest)! You have to have a good technique to sing it."
Kasarova is, sensibly, thinking about future roles, and planning to take on heavier parts (she mentions Carmen and Dalila as possibilities) as she matures. "I could do Mozart and Rossini for the next 100 years, but that wouldn't be so interesting. That doesn't mean that I want o give them up, but to bring in some other roles as well. I want to go step-by-step and develop. I want to do the heavier roles, but I don't want to get typecast in them. I want variety."
She does a lot of pants roles, and she does them convincingly. Are they a favorite? "It's not that I prefer them; more important for me is the personality, the possibilities for interpretation. I love Charlotte, from ‘Werther', because she is such an impressive character - sorrowful, cheerful. If a role is just one way, it's not very interesting; if it has different sides, you can make something of it onstage."
She also believes in using her voice to communicate emotion, and sometimes that means changing the color of the voice; she's not afraid to change her sound when her interpretation of a role calls for it. "I don't just want to show off my high notes! You must have colors in singing. If you sing normally all the time, it sounds nice, but it says nothing. When the character is sad, if you take away vibrato, you have an interpretation that says something. If somebody suffers, the singer should work with colors to show sorrow.
"Singing must come from the heart and brain together, and it must come automatically. If you have to make emotion, think about it, it's not pure. Music is emotion, and it's never the same; the dress rehearsal may be one way, and the opening night another. When you sing well, the way you feel comes out in the voice."
„Auch leise zu singen ist eine Tugend"
Vesselina Kasarova, Mezzosopran aus Bulgarien mit Schweizer Pass, erklärt im Gespräch mit der „Presse", warum sie so selten in Österreich singt
Jüngst stahl sie im Musikverein einem prominenten Dirigenten die Show. Erst 1999 ist der nächste Auftritt in der Wiener Staatsoper geplant - in der Zwischenzeit singt Vesselina Kasarova an nahezu allen grossen Häusern der Welt. Auch die Salzburger Festspiele wissen um die Zugkraft des immer noch ziemlich neuen Namens. Die Kasarova, die in Wien während den vergangenen paar Jahre Ensemblemitglied war, gilt bereits als Publikumsliebling. Vor allem mit ihrer Gestaltung des Sextus aus Mozarts „Titus" hat sie Furore gemacht. „Ich könnte mir durchaus vorstellen, einmal die Vitellia zu singen" meint die Künstlerin im Gespräch und spielt damit auf die Möglichkeit an, in ihrer deklarierten Lieblingsoper auch die furiose Sopranpartie zu gestalten. In früheren Zeiten sei man nicht so sehr auf Fachgrenzen fixiert gewesen, wie das heute üblich ist, meint die junge Sängerin.
Verdi steckte die Grenzen
„Mozart hat zum Beispiel Fiordiligi und Dorabella in ,Così fan tutte' so konzipiert, dass die Rollen abwechselnd von ein und derselben Sängerin gesungen werden konnten. Wenn Sie nachschauen, wie Opernhäuser heute besetzen, dann bekommen Sie den Eindruck, dass die eine Partie ausschliesslich von hohen Sopranen, die andere von einem Mezzo gesungen werden muss. Und das ist historisch falsch."
Wie weit Vesselina Kasarova ihr Repertoire erweitern möchte, lässt sich an ihrer Zielvorstellung ermessen. Wo ihre „Grenzpartie" liegt, weiss sie wie aus der Pistole geschossen zu sagen: die „Eboli" in Giuseppe Verdis „Don Carlos", eine Rolle, an der schon mache Sängerin gescheitert ist, weil sie ungeahnte Schwierigkeiten birgt und von Koloratur-Leichtigkeit bis zu hochdramatischen Ausbrüchen alles erfordert, was eine Sängerin zu bieten haben kann.
Das Stichwort: „Disziplin"
Die Kasarova scheut vor solchen extremen Anforderungen nicht zurück: „Ich weiss zwar, dass ich bestimmt nie die Azucena im ,Troubadour' singen werde und wohl auch nicht die Amneris in ,Aida'. Aber die Eboli werde ich hoffentlich in jener Phase gestalten, in der ich noch die Koloraturen des ,Schleierlieds' mühelos bewältige, aber schon Kraft genug für die Schluss-Arie habe."
Überhaupt die Kraft: „Viele Kolleginnen glauben, man müsse unbedingt ununterbrochen forcieren, um die sogenannt schweren Partien zu bewältigen. Das stimmt aber überhaupt nicht. Wenn die Stimme richtig sitzt, also ganz vorn, dann kann man auch den explosiven Einsatz singen. Man muss nie brüllen. Ich habe gelernt, nie zu übertreiben und in vielen Rollen nur hier und da mit voller Kraft zu singen."
Dass das ein Lernprozess ist, den viele Kollegen überspringen, dessen ist sich die Kasarova bewusst: „Mir kommt wahrscheinlich doch zugute, dass ich in einer kommunistischen Diktatur aufgewachsen bin. Ich habe gelernt, durchzuhalten und konsequent zu arbeiten." Vor allem „Disziplin" ist das Stichwort.
Abgeschaut hat sich Vesselina Kasarova vieles bei grossen Kolleginnen. Nach Vorbildern befragt, nennt sie sofort Christa Ludwig und Edita Gruberova. Mit der Sopranistin, die ihr gern mit Rat zur Seite steht, wird sie in zwei Jahren eine ausgiebige Tournee unternehmen.
Wien hat das ehemalige Ensemblemitglied nicht vergessen: „Ich habe ja hier", erinnert sich die Künstlerin, „manch schwieriges Debüt gefeiert, zum Beispiel die Rosina im ,Barbier von Sevilla'. Direktor Holender hat auch für etliche Vorstellungen angefragt. Aber leider, mein Terminkalender ist voll. Ich singe keinesfalls mehr als 50 Vorstellungen im Jahr. Und da haben wir erst für 1999 neue Möglichkeiten gefunden. Ich komme für die ,Italienerin in Algier' zurück." Auch in Salzburg pausiert die Künstlerin in der kommenden Saison. Für die nächsten Jahre aber hat sie genügend Pläne.
Und in der Zwischenzeit will sie auch viel Freizeit in ihrer Wahlheimat, Zürich, verbringen, wo man sich offenbar über den Neuzugang der singenden Bürgerin noch gar nicht im klaren zu sein scheint. Auch das Zürcher Opernhaus nennt nur wenige Termine. Ein neuer Star macht sich rar ...
Mich selbst produzieren möchte ich nicht
Ein Gespräch mit der Mezzosopranistin Vesselina Kasarova
Der Stern der bulgarischen Koloratur-Mezzosopranistin Vesselina Kasarova ging auf, als sie im Sommer 1992 bei den Salzburger Festspielen kurzfristig für Marilyn Horne die Titelpartie in Rossinis «Tancredi» übernahm. Seither steht ihr Name regelmässig auf den Programmen der grossen Opern- und Konzerthäuser von München bis Mailand, von Paris bis Wien, von Zürich bis Florenz. Bereits liegen auch mehrere Gesamtaufnahmen und Solorezitals vor, und für Ende dieses Jahres sind die USA-Debüts in Chicago und New York angekündigt. Doch die steil emporführende Karriereleiter dieser jungen Künstlerin, die sich auf die Belcanto-Komponisten Rossini, Donizetti und Bellini, auf Mozart, und ausgewählte Partien des französischen Repertoires spezialisiert hat, steht auf einem soliden, behutsam aufgebauten Fundament: zuerst Konzertdiplom als Pianistin in ihrer Heimatstadt Stara Zagora, dann Gesangsausbildung am Konservatorium von Sofia, Anfängerjahre am Zürcher Opernhaus, wo sie sogleich zum Publikumsliebling wurde, und anschliessend an der Wiener Staatsoper, seit 1993 freischaffend mit den Zentren Salzburg, Zürich und München.
Wenn man Ihren Terminkalender für 1997 anschaut, möchte man fast von einem Mozartjahr sprechen: «Mitridate» und «La clemenza di Tito» in Salzburg, «Figaro» an der Mailänder Scala, «Così fan tutte» in Zürich, «Idomeneo» in Chicago, dazu eine Plattenaufnahme ausschliesslich mit Mozart-Arien. Ist das Zufall, oder haben Sie diesen Schwerpunkt selber gesetzt?
Mozart ist für mich immer bedeutender geworden und bildet heute sicher einen Schwerpunkt in meinem Repertoire. Eine wichtige Voraussetzung dafür war bestimmt meine Entscheidung, im Moment nicht über die Grenzen des Belcanto hinauszugehen und dramatische Partien konsequent abzulehnen. Dass ich aber jetzt gerade fast ausschliesslich Mozart singe hat sich terminlich, also zufällig ergeben. Eine CD mit Mozart-Arien aufzunehmen war natürlich ein grosser Wunsch von mir. Ich war überglücklich, dass ich dann mit Sir Colin Davis und der Dresdner Staatskapelle zusammenarbeiten durfte.
Mozarts Opern werden meines Wissens in Ihrer Heimat Bulgarien nur selten gespielt. Wie haben Sie sein Werk entdeckt? Schon als Pianistin oder erst als Sängerin?
Als Pianistin spielte ich praktisch alle Sonaten von Mozart. Diese intensive Auseinandersetzung hat auch einen ganz entscheidenden Einfluss auf meinen späteren Zugang als Sängerin gehabt. Die Darstellung der Dorabella in Così fan tutte war zwar Bestandteil meiner Diplomprüfung am Konservatorium. Aber als Sängerin habe ich Mozart erst wirklich kennengelernt, als ich unter Maestro Harnoncourt den Annio in La clemenza di Tito in Zürich sang. Seine Art zu musizieren, die Entdeckungen, die ich mit ihm machen konnte, haben meine Liebe zu Mozart geweckt.
Das Rollenspektrum, das Sie in den Mozart-Opern verkörpern, ist denkbar weit, von der jungen Bäuerin Zerlina über die verwöhnte, kapriziöse Dorabella und den schmetterlingshaften Pagen Cherubino zu den tragischen Opera Seria-Helden Farnace («Mitridate»), Sesto («La clemenza di Tito») und Idamante («Idomeneo»). Gibt es etwas, was die Figuren verbindet? Oder anders gefragt: Was ist für Sie das Faszinierende an den Figuren Mozarts?
Mozarts Figuren sind nie einseitig gezeichnet, gut oder böse, sondern vielschichtig, und sie sind unwahrscheinlich reich an verschiedensten Emotionen.
Dieses enorme Spektrum macht sie schauspielerisch so interessant. Dabei haben sie alle im Kern eine gewisse Grösse und Noblesse. Mozart hat sie alle mit Liebe gezeichnet. Und sie wirken in ihrem komplexen Fühlen und Handeln auch heute absolut wahr und glaubhaft, man kann sich mit ihnen identifizieren. Das Geniale ist, dass aus seiner Musik klar hervorgeht, welche Persönlichkeit sie haben und wie man sie gestalten soll.
Empfinden Sie es als schwierig, von Frauen- zu Hosenrollen zu wechseln?
Ich liebe es, mich auf der Bühne zu verwandeln, und versuche, immer die jeweilige Figur darzustellen, in den ganz spezifischen Charakter einzutauchen. Deshalb gibt es für mich diese Unterscheidung eigentlich gar nicht, sondern nur verschiedene Rollen. Die Hosenrollen sind aber sicher anspruchsvoller und fordern mich stärker, weil ich da nie meine eigene, natürliche Bewegungssprache anwenden kann. Sie haben mir auch enorm geholfen, meine schauspielerischen Fähigkeiten zu entwickeln.
Einige der genannten Partien haben Sie mit verschiedenen Regisseuren einstudiert. Kann man sich mit unterschiedlichen Deutungen einer Rolle identifizieren und dennoch seine eigene Auffassung verwirklichen?
Ich fände es grundsätzlich langweilig, einfach meine Interpretation zu wiederholen, ich möchte immer wieder neue Dimensionen einer Figur erkunden. Ich gehe deshalb nie mit einem fertigen Bild meiner Partie zu den Proben, sondern bin offen für neue Ideen. Im Idealfall stimmen meine Vorstellungen mit denen des Regisseurs überein, dann liegt der Akzent bei meiner persönlichen Interpretation. Genauso bereichernd kann es aber sein, einen anderen Ansatz aufzunehmen, da ich dann neue Facetten entdecken kann. Etwas, das ich im Moment nur nach Anweisungen des Regisseurs ausführe, zeigt vielleicht erst später seine volle Wirkung. Es ist sehr wichtig, gute Regisseure zu treffen, denn sie können die schauspielerischen Möglichkeiten eines Sängers erweitern. So haben mich zum Beispiel Karl-Ernst und Ursel Herrmann von einer gewissen Scheu beim Spiel befreit.
Ihr verinnerlichter Ernst in tragischen Partien wirkt ebenso echt und intensiv wie Ihr sprühendes Temperament und Ihr Schalk in heiteren Rollen. Was entspricht denn mehr Ihrem eigenen Naturell? Wo sind Sie mehr sich selbst?
Mich selbst auf der Bühne produzieren, möchte ich nicht, auch habe ich noch nie eine Rolle gespielt, in der ich mich persönlich wiedererkennen könnte. Vielleicht entsprechen meinem Charakter eher die fröhlichen Rollen. Aber die tragischen oder bösen Figuren faszinieren mich dafür um so mehr.
Ein wichtiges Debut in diesem Jahr war Ihr erster Solo-Liederabend mit Werken von Schubert, Brahms und Schumann. Was fasziniert Sie an der Kunstgattung Lied, am Gestalten ohne Rollenkostüm und szenisches Spiel?
Es ist vor allem die Intimität zwischen Sänger und Publikum, schön und schwierig zugleich. Denn es steht niemand dazwischen, keine Rolle, keine vorgeformte Figur. Im Lied können sich die Emotionen ganz natürlich entfalten. Wirklich ich selbst bin ich vielleicht hier. Obwohl man nur das betreffende Lied vorträgt und ganz in dessen Welt eintaucht, offenbart sich dann unweigerlich die eigene Persönlichkeit. Viel direkter als in der Oper wirkt sich meine Stimmung im Moment des Konzertes auf die Interpretation eines Liedes aus, und ich erfahre mich selber dabei intensiver.
Intime Geschichten
Vesselina Kasarova mit Liedern von Schubert, Schumann und Brahms
In München ist sie schon längst eine feste Grösse - nicht erst seit ihrer fabelhaften Giovanna Seymour in der „Anna Bolena", mit der sie alljährlich am Nationaltheater Triumphe feiert. In die Herzen der Münchner Vokalfanatiker hat sie sich schon 1992 hineingesungen, als sie denkbar kurzfristig für eine erkrankte Kollegin einsprang, erst wenige Stunden vor Konzertbeginn erfuhr, dass sie keineswegs nur eine einzelne Arie, sondern einen ganzen Soloabend zu übernehmen habe, sich im Taxi von Wien nach München noch ins Notenstudium vertiefen musste. Eine Zitterpartie, die zum Sensationserfolg geriet. Denn seither gehört es zum Normalzustand für Vesselina Kasarova, dass enthusiastische Kritiker sie mit Lobeshymnen überschütten. Vom „Sonnenstrahl Kasarova" las man nach Patrice Chéreaus Salzburger „Don Giovanni"-Inszenierung, als unerreicht wurde ihr Idamante unter der Leitung von Semyon Bychkov beim Florentiner Maggio Musicale gepriesen, und mit der Aufnahme von Rossinis „Tancredi" erntete sie schon wenige Wochen nach dem Erscheinen der CD's den Preis der deutschen Schallplattenkritik.
Vesselina Kasarova - der neue Superstar am internationalen Opernhimmel, der es sich problemlos leisten kann, selbst neben einer Edita Gruberova aufzutreten? Nun, man würde das künstlerische Potential dieser vollkommen uneitlen Ausnahmesängerin gewaltig unterschätzen, wollte man sie nur auf grandios erfüllte Bühnenrollen und ihre brillante Stimmkultur festlegen. Entscheidend ist ihr grundsätzliches Verständnis von musikalischer Darstellung. Sie wolle, sagte sie einmal, keine theatralischen Übertreibungen bieten, sondern ganz intime Erzählungen vermitteln - so, wie sie ihrer Mutter etwas anvertrauen würde. Und gerade diese dezente Kunst der Kasarova wird eine tragende Rolle spielen, wenn sie in einem Liederabend mit Werken von Franz Schubert, Robert Schumann und Johannes Brahms eine Erkundungsfahrt durch die romantisch geprägte Seelenlandschaft des deutschen Kunstliedes unternimmt. Denn in dieser sensibelsten aller musikalischen Gattungen kann Vesselina Kasarova jene Fähigkeit ausspielen, die das Geheimnis ihrer musikalischen Präsenz ausmacht: die Verbindung von grandioser Stimmkultur und psychologisch verfeinerter Darstellungsweise. Ein Highlight im Herkulessaal für alle diejenigen, denen brillante Spitzentöne allein bei einer Sängerin noch nicht genügen.
Une mezzo bulgare au sommet
De grands yeux noirs et vifs, une chevelure geai, abondante, le visage légèrement à la circassienne, un sourire de ballerine et un charme fou ... c'est Vesselina Kasarova. Ses récents débuts à l'Opéra de Paris dans « Les Capulet et les Montaigu » ont été considérés comme les plus décisifs après son Barbier de Séville de Vienne il y a six ans, pour la carrière de la jeune mezzo bulgare.
En cette année 1997, elle se verra ouvrir les portes de la Scala de Milan et du Metropolitan Opera de New York. Elle aura alors conquis la planète. Happée entre deux continents par les studios de la compagnie discographique RCA où elle vient d'enregistrer des mélodies françaises avec orchestre de Berlioz, Ravel et Chausson ainsi que « Tancrède » et des airs d'opéras italiens, Vesselina Kasarova débarque à l'Arsenal.
Ce sera sa première tournée européenne en récital qui, par Strasbourg avant Metz le 15, la conduira ensuite a Bruxelles le 22 puis à Paris le 27. Une tournée de récitals où figurent aussi bien les Lieder de Schubert, Schumann, Brahms.
Le Lied ? Elle connait bien. Son professeur de chant à Sofia était elle-même chanteuse de Lieder et Vesselina eut l'occasion, à 19 ans, d'accompagner d'autres élèves chanteurs au piano ce qui la conduit à dire : « L'exigence stylistique est la même pour un chanteur que pour un pianiste. » C'est d'ailleurs la raison pour laquelle elle joue d'abord au piano tout ce qu'elle chantera ensuite. Son autre principe de base pour chanter la mélodie ? « L'élégance de l'émission, la fluidité d'une articulation sans excès, l'intuition des couleurs par la simple pronociation des mots. » Pour ses premiers récitals, elle n'a recherché ni la rareté ni la difficulté qu'elle se réserve pour plus tard.
Totale sera donc la découverte en récital de cette nouvelle diva qui intégrait en 1989, la troupe lyrique de l'Opéra de Zurich où elle remportait immédiatement un fulgurant succès avant de faire des débuts remarqués au Festival de Salzbourg das La clémence de Titus, puis de conquérir le public de Vienne, de Florence, du Covent Garden à Londres et du Grand Théâtre de Genève. Ayant rejoint la troupe de l'Opéra de Vienne pour La Dame de Pique, Falstaff et Les noces de Figaro, elle remplaça en 1992 Marilyn Horne initialement prévue pour les représentations concertantes de Tancrède.
Munich, Amsterdam, Berlin, figurent alors sur la trjectoire de cette mezzo que l'Amérique accueille sette année pour la première fois. Une étoile passe. Visible et audible de 20 h 30 à 22 h 30 le samedi 15 mars à l'Arsenal/grande salle. C'est Friedrich Haider, directeur musical de l'Opéra du Rhin et qui a déjà accompagnée plusieurs cantatrices dans leurs tournées au Palais Bofill qui sera au piano.
„Ich liebe böse Partien ..."
Vesselina Kasarova über slawische Musik und Image-Probleme, über Karajan, Gruberova und die hohe Kunst der Diplomatie
Ihr Metier hat sie von der Pike auf gelernt: zwölf Jahre Klavierstudium bis zum Konzertdiplom, fünf Jahre Gesangsstudium, welches ihr noch vor der Abschlussprüfung einen Vertrag ans Opernhaus Zürich einbrachte. Spätestens seit ihrem triumphalen Einspringen für Marilyn Horne an den Salzburger Festspielen 1992 ist Vesselina Kasarova zum neuen Mezzo-Star avanciert.
M&T: Die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova feiert weltweit Triumphe. Was ist aus der Konzertpianistin Vesselina Kasarova geworden?
Was ich auf dem Klavier gelernt habe, nutze ich für mein Singen. Wenn ich etwas Neues studiere, überlege ich mir stets, wie ich das auf dem Klavier spielen würde. Und genau so will ich es auch singen. Das Klavierspiel hilft mir sehr. Wenn man sich mit Bach oder mit Chopin oder Mozart beschäftigt hat, weiss man um die Wichtigkeit der stilistischen Unterschiede. Und im Gesang muss es genau so unterschiedlich sein. Wenn ich Cherubino singe, suche ich mir ganz andere Stimmfarben als für Rossini.
M&T: Erinnern Sie sich noch an das Programm Ihres letzten Klavierabends?
Präludien und Fugen von Bach habe ich gespielt und Chopin. Doch genau erinnere ich mich nicht mehr - es ist lange seither, und ich habe in meiner Pianistenlaufbahn viele Werke gespielt.
M&T: Auch Rachmaninoff?
Nein. Ich habe mich immer mit Komponisten beschäftigt, die nicht slawischer Herkunft sind.
M&T: Weshalb diese strikte Ausgrenzung?
Weil das slawische Repertoire für mich das einfachste, das naheliegendste, gewesen wäre. Und das führt, wenn man Bulgarin ist, sofort zu Vorurteilen. Deshalb würde ich mich auch heute nie mit bulgarischer oder russischer Musik beschäftigen. Denn es ist keine Frage: Würde ich einen Liederabend geben mit Schubert, Schumann und Brahms und anschliessend noch einige russische Lieder singen, so hiesse es automatisch: Die russischen Sachen waren die besten. Und schon ist man gestempelt. Dagegen wehre ich mich - ich möchte mich auch mit anderer Musik beschäftigen. Nur so kann ich mich innerlich entwickeln.
M&T: So kalkulieren Sie bei Ihren Programmzusammenstellungen gleichzeitig die Rezeption Ihrer Programme mit ein?
Ich muss, wenn ich nicht auf das slawische Image festgelegt werden will. Wobei diese Sache mit der Nationalität meiner Meinung nach gar keine wesentliche Rolle spielt. Ausschlaggebend ist, wie man interpretiert. Leider denken lange nicht alle so; viele kommen bereits mit einem gefestigten Vorurteil. Das ist ein psychologischer Mechanismus. Ich habe gegen dieses Image schwer ankämpfen müssen. Viele Manager versuchten in den ersten Jahren, als ich in Zürich Ensemblemitglied war, mich ins dramatische Fach zu drängen. Slawische Stimmen seien dramatische Stimmen, hiess es stets. Wobei es nicht nur die Agenten sind; auch die Operndirektoren sind zum Teil mitschuldig. Sie haben sehr enge Vorstellungen von Stimmen, beurteilen nur nach dem Augenblick und denken nicht an die Zukunft einer Sängerin. Das ist sehr hart, das kann ruinierend sein. Für mich ist es wichtig, dass ich mich entwickeln kann. Denn ein Sänger läuft stets Gefahr, in einem festgefügten Repertoire zu erstarren - in jenem Repertoire, mit dem man ihn identifiziert. Aber ich kann ja nicht zehn oder fünfzehn Jahre lang ausschliesslich Rossini singen. Ein Sänger muss stets an die Zukunft denken, an die Entwicklung seiner Stimme, an Möglichkeiten, Neues zu erarbeiten. Im Moment ist mein Zentrum Mozart, Rossini und etwas Bellini. Vermehrt singe ich jetzt auch Hosenrollen.
M&T: Um auf das Vorurteil zurückzukommen, slawische Stimmen seien automatisch dramatische Stimmen: Hat man Sie in Ihrer bulgarischen Heimat nach den Methoden der russischen Gesangsschule unterrichtet?
Ich hatte grosses Glück. Meine Lehrerin Ressa Koleva wurde in Weimar ausgebildet. Sie hat nie Oper, sondern auch Lieder gesungen. Mein ganzes technisches Rüstzeug verdanke ich ihr - von slawischer Gesangsschule kann also keine Rede sein. Selbstverständlich gibt es diese typisch slawischen, breiten und dunkel timbrierten Stimmen, Paata Burchuladze zum Beispiel. Und selbstverständlich bestand auch die Gefahr, dass man von dieser Gesangstechnik beeinflusst wurde - dass man begann, Töne zu verbreitern und möglichst dunkel zu singen. Kommt hinzu, dass ich während der Ausbildung ein gewisses Repertoire gar nicht gesungen habe, Mozart zum Beispiel.
Wie haben Sie zu Ihrem Repertoire gefunden?
Die Rosina habe ich über eine frühe Schallplattenaufnahme mit Giulietta Simionato kennengelernt. Wobei das in Bulgarien damals sehr schwierig war, an solche Aufnahmen heranzukommen. Ich habe sofort gemerkt, dass hier ganz anders gesungen wird: dass der Text eine wichtige Rolle spielt und dass ganz hell gesungen wird.
M&T: Wie hat sich der Übergang von der Pianistin zur Sängerin vollzogen?
Bereits als Pianistin habe ich sehr oft mit Sängern zusammengearbeitet. Dabei dachte ich mir damals, dass die Sänger eigentlich ein bisschen blöd sind: Immer wieder singen sie zu tief, haben Probleme mit den Noten und der Intonation ... Seit ich selber singe, weiss ich um all diese stimmlichen Prozesse. Die Stimme ist das einzige Instrument, das man nicht fassen kann. Alle anderen Instrumente sind körperlich fassbar. Entsprechend spielen beim Gesang andere Komponenten eine ausschlaggebende Rolle: die innerliche Intuition, die Improvisation auf der Bühne, das Gefühl für den Moment - was letztlich alles mit sängerischer Intelligenz zu tun hat. Erst am Ende kommt die Stimme, das Material.
M&T: Noch während Ihrer Ausbildung wurden Sie nach Zürich engagiert?
Die erste meiner Schlussprüfungen fand im Juni 1989 statt. Und bereits am 15. August kam ich nach Zürich. Ohne Sprache - denn ich verstand kein Wort Deutsch, es war eine Katastrophe. Ich habe damals viel geweint. Und oft habe ich gedacht: Du wirst es psychisch nie schaffen. Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man sich nicht ausdrücken kann. Diese erste Zeit fern meiner Heimat werde ich nie vergessen. Dennoch, Zürich war meine grosse Chance. Hier konnte ich mit kleinen Partien anfangen - Christoph Groszer, der damalige Intendant, hat darauf bestanden. Denn bald einmal standen Agenten da, die mich in grössere, in dramatische Partien drängen wollten. Und ich wollte weiterkommen und beabsichtigte deshalb wegzugehen. Doch Groszer beschwor mich: «Vesselina, bleiben Sie hier!» Er hat in dieser Beziehung sehr viel für mich getan.
M&T: Trotzdem haben Sie Zürich nach nur zwei Jahren verlassen.
Ich hatte bereits vor meinem Engagement in Zürich einen Vertrag mit der Wiener Staatsoper abgeschlossen. Denn Karajan hatte eine Tonbandkasette von mir gehört und mich nach Wien zum Vorsingen eingeladen. Er wollte, dass ich mit ihm - und mit Cecilia Bartoli - Bachs h-moll-Messe mache. Für das Agnus Die arbeitete ich eine ganze Woche mit ihm; Konzertaufführungen und eine CD-Aufnahme waren bereits geplant, doch dann starb Karajan unerwartet. Ich kam also mit einem Vertrag für Wien in der Tasche. Somit konnte ich nur zwei Jahre in Zürich bleiben.
M&T: Waren Sie in Wien glücklich?
Um ehrlich zu sein: Die Staatsoper war sehr wichtig für mich - aber gleichzeitig auch sehr schwierig. Wien ist für alle jungen Sänger schwierig. Tausendmal muss man zeigen, dass man etwas kann - und immer noch hat das Publikum seine Zweifel. Denn die Wiener sind verwöhnt durch grosse Namen. Und sie vergessen nicht, wie ihre einstigen Lieblinge gesungen haben. Um so mehr muss man als junge Sängerin in Wien Geduld haben. Es ist pure Illusion, wenn man glaubt, man könne in Wien debütieren und sei dann sofort beliebt. Wien ist ein harter Boden für junge Sänger. Denn sie sind nicht nur auf Applaus und Erfolg angewiesen, sondern brauchen auch wirkliche Unterstützung. Ion Holender hat mir viel Verständnis entgegengebracht. Er versteht viel von Stimmen, und das ist für Wien besonders wichtig, weil das Orchester bekanntlich ein bisschen höher gestimmt ist als anderswo. Das spürt man als Sängerin unwillkürlich - und es braucht reichlich Erfahrung, um bestehen zu können.
M&T: Nun sind Sie wieder nach Zürich zurückgekehrt. Glücklich?
Ich habe jetzt einen Gastvertrag - und ich habe schöne Aufgaben.
M&T: Warum nur einen Gast- und nicht einen Ensemblevertrag?
Ich habe mir das lange überlegt. Sicher bin ich nicht Gast, weil ich möglichst oft anderweitig singen will. Im Gegenteil: Ich möchte nicht mehr so viel singen. Gegenwärtig plane ich 50 Abende pro Jahr, Oper und Konzert. Das ist das Maximum. Hinzu kommen noch Schallplattenaufnahmen, eine oder zwei im Jahr. Ich bin überzeugt, dass dieses Pensum im Moment ideal für mich ist. Denn ich will Qualität bieten.
M&T: Ist das realistisch überhaupt machbar: Dass man sich als junge Sängerin auf 50 Abende im Jahr beschränkt? Sicher bekommen Sie fast jeden Tag neue Angebote.
Ich könnte jeden Abend singen, wenn ich alle Angebote annehmen würde.
M&T: Kann man unbeschadet «nein» sagen?
Ich habe mittlerweile eine gewisse Position erreicht, wo man die Möglichkeit hat, nein zu sagen. Ob man es wirklich tut, das muss jeder für sich selbst entscheiden.
M&T: Erinnern Sie sich, wann Sie das erste Mal sich «nein» zu sagen getrauten?
Was grosse Anfragen anbelangt, war es ein sehr renommierter Dirigent, der mich für «Trovatore» an die Mailänder Scala engagieren wollte. Auch «Aida» habe ich abgesagt sowie eine Partie in «Rienzi». Selbstverständlich muss man in solchen Fällen diplomatisch nein sagen.
M&T: Wo haben Sie Ihre Diplomatie gelernt?
Man kriegt ein Gespür dafür. Diplomatie ist für mich ein wichtiges Motto, nicht nur in der Oper, sondern überhaupt im Umgang mit Menschen. Es geht ja nicht nur um die Stimme. Bei fünf oder sechs «Trovatore»-Vorstellungen würde meine Stimme höchstwahrscheinlich keinen Schaden nehmen. Aber sofort würde man von mir nur noch «Trovatore» verlangen. Das ist die grosse Gefahr. Bislang habe ich nur eine einzige Ausnahme gemacht: «Adriana Lecouvreur» in Zürich. Und sofort wollten mich alle als Principessa di Bouillon engagieren. Aber ich will diese Partie nicht forcieren, ich will die Tiefe nicht drücken. Das soll sich mit den Jahren entwickeln. Schliesslich muss ich nicht jetzt schon alles zeigen, was ich kann. Es soll immer weitergehen - man möchte ja auch interessant bleiben. Wobei ich die Partie sehr mochte, denn ich liebe böse Partien.
M&T: Wer kontrolliert heute Ihre Stimme?
Ich arbeite sehr viel mit guten Korrepetitoren. Wobei ich mir auch selbst im klaren darüber bin, wie jeder Ton zu sein hat. Darüber hinaus profitiere ich von guten Dirigenten. Allerdings geben die ihre Ratschläge meistens nur einmal - man muss sehr schnell kapieren, was gemeint ist, und versuchen, die Interpretation entsprechend zu modellieren. Flexibilität ist in solchen Momenten das Wichtigste. Denn jeder Dirigent will etwas anderes. Zudem muss ich gleichzeitig auch meiner eigenen Überzeugung und meinem Geschmack treu bleiben. Ich verlasse mich nie ausschliesslich auf einen anderen Menschen. Denn keiner kennt meine Stimme so gut wie ich. In dieser Hinsicht halte ich es wie Christa Ludwig, ein grosses Vorbild von mir. Ich habe ihre Biografie gelesen. Auch sie hat viel durchgemacht und gezeigt: Bleiben werden nur Leute mit Kopf.
M&T: Sie treten auffallend oft mit Edita Gruberova auf - auf der Opernbühne, aber auch in gemeinsamen Liederabenden.
Edita ist eine Maximalistin. Sie macht alles hundertprozentig. Ich habe viel von ihr gelernt. Eine meiner ersten Partien am Opernhaus Zürich war die Alisa in der «Lucia di Lammermoor» mit Gruberova und Araiza. Unwahrscheinlich schön! Als ich Edita zum erstenmal hörte, wollte ich das Singen aufgeben. Wenn man so etwas hört: Man weiss, wie schwierig es ist, und trotzdem klingt es bei ihr, als könnte das jedermann. Das ist Genialität. Man fragt sich dauernd: Wie macht sie das nur? Selbst an den schwierigsten Stellen verfügt sie stets über dieselbe Souveränität. Sie weiss sehr genau, was sie macht, und hat ihre Stimme vollständig im Griff, und sie erlebt alles, was sie auf der Bühne macht. Wirklich alles. Ich bin jedes Mal gerührt von ihren Interpretationen. Wäre sie kalt, wie gewisse Kritiker ihr dies vorwerfen, könnte sie gar nicht so perfekt sein. Viele Leute verwechseln Emotionalität mit Nervosität. Wenn ein Sänger auf der Bühne vor einem hohen Ton Angst hat und seine Nerven sichtbar zu flattern beginnen, denken die Leute: Das sind Emotionen. Dabei sind es nur die Nerven.
M&T: Wie erleben Sie die Schallplattenarbeit im nüchternen Aufnahmestudio?
Ich möchte bei Schallplattenaufnahmen immer meine Persönlichkeit einbringen. Ich will, dass mich mein Publikum wiedererkennt. Denn ich habe viele Schallplatten gehört, wo ich mir dachte: Der Sänger tönt irgendwie anders - ist die Stimme vergrössert worden? Schallplatten sollten natürlich klingen. Doch heutzutage besteht die Gefahr darin, dass vor allem Wert auf Brillanz gelegt wird. Monoaufnahmen waren in dieser Beziehung anders: Ich kenne keine einzige Monoaufnahme, wo ich die Sänger nicht höre. Heute indes ist das Orchester auf den Platten erheblich lauter als früher. Auch die Tonalität ist schärfer; man spielt und singt alles sehr hoch. Deswegen nähern sich Mezzosoprane heute auch oft dem Sopran an.
M&T: Können Sie das genauer erklären?
Ein echter Mezzo muss Tiefe und ein echtes Mezzotimbre haben. Wenn das fehlt, wird die Stimme steril. Wer die richtige Mezzotiefe nicht hat, muss bei Cherubino bleiben und bei Rosina. Denn bereits bei der «Italiana in Algeri», bei «Tancredi» oder bei Mozarts Sextus braucht man diese gewisse Tiefe.
M&T: Wenn Sie Ihre eigenen Aufnahmen im Studio abhören: Sind Sie glücklich? Oder waren Sie vor den Aufnahmen glücklicher?
Ich bin nie zufrieden mit den Aufnahmen. Ich höre meine eigene Stimme grundsätzlich nicht sehr gern. Zudem möchte ich die Spontaneität, die ich fürs Singen brauche, nicht verlieren. Genau das wird zum Problem bei Schallplattenaufnahmen: wenn man fünf- oder sechsmal hintereinander das Gleiche singen muss und dabei stets Charakter zeigen und lebendige Spontaneität einbringen sollte. Oft geht es nur um die Intonation eines einzigen Tones. Ich würde auch nie Opern aufnehmen, die ich zuvor nie auf der Bühne gesungen habe. Vielleicht eine einzelne Arie - aber nie die ganze Oper. Andernfalls treffen umgehend Anfragen für diese Oper ein ...
M&T: Spätestens seit Ihrem sensationellen Einspringen im Salzburger Festspielsommer 1992 für Marilyn Horne zählen Sie zu den Weltstars. Wie kommen Sie mit den Erwartungen zurecht, die an Stars automatisch gestellt werden?
Viele Sänger haben Mühe damit - bekommen Angst, sagen vermehrt ab, weil sie dem Erwartungsdruck nicht gewachsen sind. Ich glaube, man muss vor allem ehrlich mit sich selbst sein, muss mit beiden Füssen auf dem Boden stehen. Und muss auch zu seinen Schwächen stehen können. Denn niemand ist perfekt; jedermann hat Schwächen. Man soll sich deshalb nicht schämen. Und die Leute sollen einen so akzeptieren lernen, wie man ist. Viele Künstler quälen sich mit einer Maske herum, weil sie dauernd in der Öffentlichkeit stehen müssen. Wenn man wirklich ernsthaft Probleme mit sich selbst bekommt, wirkt sich das sofort auf die Stimme aus - und dann vergessen einen die Leute sehr schnell. Das ist das Schlimmste an unserem Beruf.
M&T: Wie halten Sie das aus: ein Leben in Fremdsprachen, fern der Heimat, fern der vertrauten kulturellen Umgebung?
Nicht mehr in der Muttersprache reden zu können ist sehr schlimm. Zum Glück hat es im Zürcher Opernchor Sänger aus Bulgarien; auch mein Mann spricht manchmal etwas Bulgarisch mit mir. Ohne ihn würde ich das alles nicht aushalten. Dennoch, die Sehnsucht nach der Heimat ist immer da - manchmal wünschte ich mir einen jener märchenhaften «fliegenden Teppiche», um schnell nach Bulgarien zu fliegen und dort auf jenen Strassen zu spazieren, wo ich meine Kindheit verlebt habe. Die meisten Leute in meiner Heimat haben ja keine Ahnung, was aus mir geworden ist. Woher sollten sie es auch wissen? Opernfachzeitschriften gibt es in Bulgarien keine zu kaufen - und CD's sind viel zu teuer. Es ist alles sehr traurig.
M&T: Verraten Sie uns zum Schluss Ihre nächsten Pläne für Zürich?
Geplant sind Offenbachs «Périchole» mit Nikolaus Harnoncourt. Dann kommt die Wiederaufnahme des «Rosenkavalier» mit Franz Welser-Möst. Ich möchte meinen ersten Octavian in Zürich singen.
M&T: Und bald einmal werden Sie ins dramatische Fach gehen - wir sind überzeugt davon.
Ich auch ... (lacht). Aber ich lasse mir genügend Zeit.
«Im Lied gebe ich mich selber»
Gespräch mit Vesselina Kasarova vor einer Konzerttournee
1989 hat die bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova am Zürcher Opernhaus ihr erstes Engagement angetreten. Heute steht sie mitten in einer Weltkarriere mit Auftritten bei den Salzburger Festspielen, an der Scala, der Pariser Oper, der Staatsoper München, der Met und mit einem Exklusivvertrag mit dem Label RCA Victor. Dennoch ist Zürich für sie eine zentrale Wirkungsstätte geblieben. Hier hat sie in den letzten Jahren wichtige Rollendébuts gegeben: Offenbachs «Belle Hélène», Adalgisa in Bellinis «Norma» und Charlotte in Massenets «Werther». Vor zwei Monaten konnte das Zürcher Publikum als erstes das zuvor auf CD eingespielte Duett-Programm mit Edita Gruberova hören, und jetzt tritt sie im Opernhaus, begleitet von Friedrich Haider, erstmals in einem eigenen Liederabend auf, dessen Programm sie anschliessend in sieben weiteren Städten präsentieren wird. Im Gespräch mit Marianne Zelger-Vogt erzählt Vesselina Kasarova von ihrer Beziehung zum deutschen Lied und von den Vorbereitungen zu dieser Konzerttournee.
Das deutsche Lied gilt noch immer primär als Domäne deutschsprachiger Sängerinnen und Sänger. Wie haben Sie diese Kunstform für sich entdeckt? Gehörte das Fach Lied schon während Ihres Studiums an der Musikakademie von Sofia zum Lehrstoff?
Das Liedstudium war in den oberen Semestern obligatorisch. Zudem ist meine Lehrerin Ressa Koleva eine Spezialistin für das deutsche Lied, sie hat in Weimar studiert und konnte mir viel von dieser Kunst vermitteln. Ich habe sehr viele Lieder mit ihr erarbeitet. Später hörte ich mir auch Plattenaufnahmen an, vor allem von Christa Ludwig. Als Liedersängerin ist sie mein grösstes Vorbild. Doch ich möchte meinen eigenen Weg, meine eigene Interpretationsweise finden.
Zwei Instrumente vereint
Ihr erstes Instrument war nicht die Stimme, sondern das Klavier. Erst nach dem Konzertdiplom als Pianistin haben Sie mit dem Gesangsstudium begonnen. Lässt sich Ihre Liebe zum Lied auch damit erklären, dass hier Ihre beiden Instrumente zusammenfinden?
Ich habe während der Klavierausbildung oft Sänger in Liedprogrammen begleitet, und ich empfand schon damals diese Form des gemeinsamen Musizierens als besonders schön: diese echte Partnerschaft, wenn alles stimmt. Der Pianist ist genauso wichtig wie der Sänger, er muss spüren, was der Sänger will, muss mit ihm gehen - aber auch umgekehrt.
Das dritte Element des Liedes ist die Sprache, und sie hat weit mehr Gewicht als in der Oper. War das ein Problem für Sie?
Ich musste mir dieses Element natürlich erarbeiten, die Aussprache, die Phonetik. Das Verstehen des Textes war kein Problem. Aber das rein sprachliche Verständnis ist keine Garantie dafür, dass man ein Lied richtig interpretiert. Wichtiger ist der richtige Ausdruck, das Erfassen der Geschichte oder der Situation. Und da liegt der Schlüssel in der Musik. Es geht um die Stimmfarben, die Nuancen in Tempo und Lautstärke.
Nach welchen Kriterien haben Sie das Programm dieses Liederabends zusammengestellt?
Mehr nach inhaltlichen oder nach musikalischen?
Das Programm sollte nur Lieder erfassen, die mir emotional nahe sind, deren Gefühlswelt mir vertraut ist. Deshalb möchte ich vorläufig noch keine Liedzyklen und auch keine Lieder mit tiefem philosophischem Gehalt singen. Auch mit Liedern von Hugo Wolf will ich noch zuwarten. Die Wahl ist also auf Schubert, Brahms und Schumann gefallen. Mein wichtigster Berater war Friedrich Haider, der als Liedbegleiter eine enorme Erfahrung hat und mit dem ich schon für den Duo-Abend mit Edita Gruberova intensiv zusammengearbeitet habe. Bei der Zusammenstellung der Lieder habe ich darauf geachtet, dass es einen Wechsel zwischen traurigen und fröhlichen Stücken, zwischen Ruhe und Bewegung gibt.
Wie haben Sie die Lieder sprachlich und musikalisch erarbeitet?
Ich habe die Lieder zuerst selber am Klavier einstudiert - die Vorbereitungszeit dauerte insgesamt mehr als ein Jahr -, dann habe ich mit Friedrich Haider die Feinheiten erarbeitet. Wir haben gemeinsam überlegt, welche Farben, welche Atmosphäre die einzelnen Lieder verlangen. Wir haben auch bei jedem Stück ausprobiert, welche Tonlage die beste ist, nicht die für die Stimme bequemste, sondern die für das betreffende Lied, die jeweilige Situation passendste, wo die Stimme am meisten Ausdruck vermitteln kann. Das erhöht auch die Textverständlichkeit.
In der Oper sind Ihre grosse Spezialität die Koloraturpartien. Profitiert von dieser Technik auch der Liedgesang?
Koloraturen erfordern grosse stimmliche Beweglichkeit und Leichtigkeit, das ist natürlich auch im Lied von Vorteil, wo auf kleinem Raum Farbe und Ausdruckswerte wechseln.
Fremdes und eigenes Ich
Bei Ihren Opernauftritten fasziniert immer wieder die Intensität, mit der Sie Ihre Rollen verkörpern. Fehlt Ihnen das Element der szenischen Darstellung nicht, wenn Sie Lieder singen?
Wenn ich eine Opernrolle spiele, zum Beispiel die Rosina in Rossinis «Barbiere», bin ich eine andere Person, ich denke mir aus, was diese Figur für einen Charakter hat, wie sie reagiert. Im Lied bin ich viel mehr ich selbst, die Identifikation ist weit grösser, ich drücke meine eigenen Gefühle aus, gebe mich selber. Das macht es so schwierig, aber auch so schön. Es erfordert eine grosse Ehrlichkeit und Natürlichkeit gegenüber dem Publikum, zu viel Gefühl wirkt unecht, zu wenig macht das Lied statisch. Das Ideal wäre erreicht, wenn das Publikum den Sänger vergisst, wenn es in den Liedern sich selber wiederfindet. Denn eigentlich drücken diese Werke ja aus, was alle Menschen fühlen oder erleben können.
Weshalb beginnen Sie Ihre Liedtournee gerade in Zürich?
Es war für mich sehr wichtig, mein Début als Liedersängerin an einem Ort zu geben, wo ich mich wohl fühle. Ich kenne hier nicht nur das Haus und seine Akustik, sondern auch das Publikum, und das Publikum kennt mich, das gibt mir eine gewisse Sicherheit und Ruhe.
Zürich, Opernhaus, 3. März. Weitere Tourneestationen: Opéra du Rhin, Strassburg, 6. März; Konzerthaus Wien, 11. März; Arsenal Metz, 15. März; Herkulessaal München, 19. März; Théâtre de la Monnaie, Brüssel, 22. März ; Salle Gaveau, Paris, 26. März ; Théâtre Sinne, Mülhausen, 4. Mai. Anschliessend CD-Aufnahme desselben Programms.
In the frame
The star of last summer's Salzburg Festival Don Giovanni the mezzo-soprano Vesselina Kasarova has recorded a collection of celebrated mezzo arias for RCA entitled "Portrait"
In the early years of an international career every engagement can mark up another ‘first'. In fact, the night before RCA's press conference for her in Paris, Vesselina Kasarova had scored two firsts - her first performance as Romeo in Bellini's I Capuleti e i Montecchi and her operatic début in Paris. She declares with touching honesty that she was very nervous, but nobody in the audience will have noticed. The production was a success, and not least for Kasarova's concentrated portrayel, which made Romeo the centre of the drama.
Dinner after the show at the restaurant next door to the Opéra Bastille lasted into the early hours, but Kasarova does not let herself look in the least tired when she arrives punctually at RCA's French headquarters to face a demanding band of pan-European journalists. Her eyes are as bright and her face as youthful and attractive as she looked on stage. The questions mostly focus on her recordings. Her début disc for RCA, a recital of French songs with orchestra (9/95), and Rossini's Tancredi (12/96) have already been issued; pre-release copies of her second recital, "Vesselina Kasarova: a Portrait", are being handed out around the room. After that, there will be a Lieder recital with songs by Schubert, Schumann and Brahms, which is due for release in the spring, a Mozart aria disc under Sir Colin Davis, Weber's Oberon with Inga Nielsen and Peter Seiffert, and - naturally - there are plans for Bellini's I Capuleti e i Montecchi with a cast that will include Eva Mei, Ramón Vargas and Samuel Ramey. That should keep her busy for quite a while.
Kasarova herself is philosophical about the place records have in a singer's career. "They say that recordings by themselves cannot make a career, because the grounding is always in live performances", she explains later, after the press conference has disbanded. She reflects on how her own career developed as she learned her craft in the theatre, first as a company member in Zurich for two years, then in Vienna for a further two. That had prepared her for big dates like the Bellini opera in Paris, with which she seemed happy all round. "Journalists often believe that there is a lot of pressure on singers, but in fact an opera never depends solely on one singer. The input of the conductor and producer are essential, as they certainly were here. For my part, the crucial thing to judge was communication, given the vast size of the Bastille. Do too little and the emotion just don't come over, because the audience in this theatre is so far away."
Her Romeo was an old-fashioned performance in the very best sense of the term. There was nothing in the slightest superficial about it: every note was given full value, every word cleanly enunciated, even her physical performance had an aura of dignity that recalled the standards and the style of an earlier generation. Was that because music tuition in her native Bulgaria had managed to retain an old-school tradition that had been lost in the West? "I spent five years in the music academy. We had five days a week of intensive training, a vigorous and demanding schedule, which was a huge benefit. It isn't enough to have a couple of hours a week with your professor. Sport and music were two things that the state invested in heavily then. It was a tough system, in which only the best would survive and reach the top, while the others would drop away. Here in the West there are many students who have the talent, but don't have the money to progress further, which I think is a shame."
"So far none of my contemporaries from college has achieved an international career, but that may be because of other problems in their teaching. Many of the students had a lot of colour and drama in their singing, which is natural in Bulgarian voices, but they were pushed into the dramatic repertoire too soon. I had a very good teacher, who hadn't had a big enough voice for opera herself and so didn't push me aggressively into dramatic roles. You must appreciate that in Bulgaria the repertory is based heavily on Verdi and Puccini. Mozart and Rossini aren't done so much, so there are fewer opportunities there. But she started me straight off with Rossini - the right thing, right from the beginning. Gott sei dank!"
To progress out of college and get a career started in the West often depends on contacts. Kasarova says that she has tried to help some Bulgarian colleagues by assisting with auditions for her agent, but sadly without any positive results so far. "I was fortunate in being given a helping hand by Ann Murray, especially at La Scala. We met in La clemenza di Tito, when I was singing Annio and she was Sesto. That was six years ago in Zurich and I really wanted to get to know her, because she was so open and friendly, but my German wasn't good enough. I think it's marvellous when two colleagues can be close. People shouldn't assume that two mezzos automatically have to be rivals. We are two different people with different personalities."
Now that she has made her débuts at most of the major opera houses in Europe, that first stage is behind her. She has reached the really challenging part, when there are more offers than days in the year and the future is being booked today. There is not much Handel ahead, which seems a pity. "His operas aren't staged so often, which I regret, because I've enjoyed the Handel I've done in Munich". Mozart plays a larger role and will continue to do so. "It was important for me to work with Sir Colin Davis, because I find him the most inspiring Mozart conductor of all. I only needed eye-contact with him to feel I know exactly what he wants from the music. And the Dresden Staatskapelle, too. How marvellously they play Mozart!" Mitridate in Salzburg, Idomeneo in Chicago and Così fan tutte in Zurich are all dates in her diary.
Then there are roads leading off in various directions. "I don't want to be limited to any specialist Fach. Of course there will be more bel canto, because that is an extension of the styles of Mozart and Rossini, building on the piano writing of Mozart and the coloratura of Rossini, then using the shaping of the bel canto line to make its own demands over and above those. I have really enjoyed singing bel canto duets - Semiramide, Norma, Anna Bolena - with Edita Gruberová, who has the best technique I know. In the future I would like to progress slowly towards La favorite, towards Carmen, towards Charlotte in Werher. But I will not record them until I have sung them on stage. What the public hears on records, it expects to hear when it goes into the opera house." Kasarova has set her standards from the outset. And, as in her singing, they are the most honourable standards, in the best old-fashioned sense of the term.
Mezzo for the Millenium
Bulgarian mezzo-soprano Vesselina Kasarova is a rising star. Ever since we played her debut disc on our CD critics have been hungry for more - one year one there's a new recital. Neil Evans talks to this passionate actress with the seriously beautiful voice
"After my first aria I wanted to fly like Batman" says opera's new sensation, a short young woman with an enigmatic, androgynous face who has just come off the huge stage of Paris' Bastille Opera dressed as Romeo. "There was this huge chasm in between me and the audience" she says. But watching her in Bellini's I Capulet e i Montecchi she seemed far from nervous. Sword in hand she swaggered about the stage and looked just how Romeo should, a racy, impulsive adolescent.
"Romeo has to be strong but also romantic and sad, like a boy." she says. In her love duet with Juliet there is no coyness or awkwardness about the acting, nothing stately aloof: she is, quite simply, natural and affecting. Watching Arnold Schwarzenegger helped her for the action scenes and some frighteningly assured fencing. In the poison duet her acting reaches high tragic proportions and at one point Romeo's emotional breakdown shakes her singing to silence.
She says it is all in the composer's score. "In a great dramatic scene, where you want to bring a lot of energy but the music is still marked piano, you have to find a quiet way of bringing out all the intensity." It is testimony to her success that even in the huge space of the Bastille her soft singing and intimate stage presence came across. When she sings, she once said, she tries not to offer a theatrically exaggerated interpretation, but an intimate account of the character, just as if she were telling it to her mother.
Why she is not a run-of-the-mill mezzo
Off stage Kasarova, 31, is petite, elegant and charming. With a surprisingly light and high speaking voice, you would have thought she was a soubrette rather than a deep mezzo. A press conference is held after her performance as Romeo to launch her exclusive recording contract with RCA. A star of the opera stage for some years now, it is only recently that she has become known to CD buyers. When Classic CD was sent her first RCA recording of Berlioz's Les nuits d'été and Ravel's Shéhérazade last year, we reviewed a relative unknown plunging confidently into well-loved French song cycles, already famously recorded by Regine Crespin, Suzanne Danco and Janet Baker. But she blowed us over and we featured an excerpt of the Berlioz on the cover disc. With such a sense a style, elegance and feel for the texts it wasn't long before we were receiving letters asking: "Who is she? When can we hear more?"
Well, the next major disc, Rossini's Tancredi arrived last December and her new solo CD is largely and unashamedly a vehicle disc with the usaual "Voi che sapete" from The Marriage of Figaro and Rossini standards. But it is the scenes from Donizetti's Anna Bolena and Bellini's Romeo (I Capuleti e i Montecchi) which indicate that there is nothing run-of-the-mill about this mezzo. We have here a fully-fledged dramatic coloratura mezzo, in the exciting tradition of Agnes Baltsa. The raison d'être behin the disc is simple. "It is everything I will be singing in the near future" she says. "I wanted the most beautiful arias, of course, but I had to be careful that they were all right for me."
But Kasarova points out that vocal skills and range were not the most important criteria. Dramatic versatility was also crucial. "I wanted to portray the different characters I portray on stage. There is always a danger that however many vocal colours you are able to bring to a solo recital disc the voice will always sound the same. That is why you must vary the programme on the dramatic side."
Within that dramatic side Kasarova refuses to be opera's equivalent to the "method" actress. She is not concerned with portraying characters who are miles removed from her own personality just for the sake of playing them. "You can't always anticipate what is going to be dramatic in an opera" she says, "but it is important to communicate whatever drama you find in a role - with your own personality."
Why the secret has to be in the acting
To this end the phrasing is all important. Kasarova says that characterisation shapes the line. Rossini, Bellini and Donizetti invite embellishments but when asked if she sings, say, Rossini in a long, smooth, legato line or an embellished or disjointed staccato she talks of characterisation rather than vocal technique. "You must have a character in mind when you phrase Rossini. You are not trying to show off with lots of ornaments or clever runs. Yes, Rossini invites the singer to use imagination but that is not the same as showing off."
A fine tragedienne, Kasarova revels in dramatic variety and is just as happy singing Offenbach's witty La belle Hélène as she is Bellini's Romeo. "I feel it is healthier to sing a mix of comic and tragic roles. If I sing Rosina and then Romeo and come back to Rosina I will have discovered something new about her character that I did not think of before. It is like retourning to a favourite novel - you find your new experiences of life affect the way you see characters and situations."
She says Mozart and Rossini - still her core repertoire - are still the composers she would take to her desert island. And it was in Rossini, playing Tancredi, that she scored her biggest triumph. Just as the CD was released recently to great acclaim - and heard on our December cover disc - she sang the role sensationally on stage. In concert performances at the 1992 Salzburg Festival she replaced an unwell Marylin Horne, perhaps the greatest Rossini mezzo of her day. Kasarova has the greatest respect for Horne but she says she was not too daunted by the challenge and was eager to make the first complete recording of the original version of the opera. "When Marylin Horne recorded the role she was in her fifties" she says. "And I would be delighted if I could still sing it as magnificently as that in my fifties. But I am a very young Tancredi and it is important to have this youthful interpretation on disc too."
Horne is one of Kasarova's heroines, as is the great coloratura soprano Edita Gruberova with whom she has sung several times - they recently released a disc of duets (including the Cat's Duet) which was heard on the December cover disc alongside the Tancredi. "Edita Gruberova is a great technicien. When I sing with her she gives me so much energy that we bounce off each other. It is like a fast game of tennis where you can take more risks. Very exciting."
Those lucky enough to have heard her take such risks as Romeo in the Bastille will be delighted RCA has recorded it. Apart from her beloved Mozart and Rossini if she could choose any does she have a dream or fantasy role? as she giggles away she says Wagner and bursts into the "Ride of the Valkyries". Move over, Birgit Nilsson!
Als Mann erfolgreich
Auf der Bühne hat die bulgarische Mezzosopranistin gern die Hosen an. Vor allem die des Normannenkriegers Tancredi, denn diese Rolle aus Rossinis Oper hat ihr Leben verändert.
So scheu der Blick, so willensstark das Kinn, so sinnlich die Lippen. Der bulgarischen Mezzosopranistin Vesselina Kasarova lag letztes Jahr nicht nur Salzburg zu Füssen, sondern auch die Kritik, die sie für ihre Aufnahme des Tancredi in Rossinis gleichnamiger Oper pries - eine Hosenrolle, mit der sie schon Anfang der Neunziger Jahre in Salzburg Furore machte, als sie Hals über Kopf für Marilyn Horne einsprang.
Salzburg im August. Die Stadt quillt über von Touristen und Festspielbesuchern - und Autos. Das Verkehrschaos macht auch vor Vesselina Kasarova nicht halt; sie hat grosse Schwierigkeiten, einen Parkplatz zu finden, und so fallen Interview und Fototermin zusammen. Statt im Büro ihrer Plattenfirma unterhalten wir uns auf einem Spaziergang durch Salzburg.
Vom Verkehrsstau kommt Vesselina Kasarova zum Thema Pünktlichkeit: „Wenn man nicht pünktlich ist, bekommt man bei den Leuten gleich ein falsches Image", sagt sie, während wir uns am Festspielhaus vorbei den Weg bahnen. „Sie denken dann, man habe Starallüren, und dabei sollten wir als junge Generation von so etwas weit entfernt sein."
Als Vesselina Kasarova mit achtzehn am Konservatorium in Sofia Gesang zu studieren begann, hatte sie bereits ein Diplom als Konzertpianistin in der Tasche. Ist sie dadurch anderen Sängern überlegen? „Ein guter Pianist macht noch keinen guten Sänger. Man muss eine tiefe Intuition für den Gesang haben. Trotzdem hilft es mir unglaublich viel, denn bei manchen Sachen denke ich zuerst: ‚Wie kann ich das spielen?' und dann erst: ‚Wie kann ich das singen?'" Öffentlich spielt sie schon lange nicht mehr Klavier; ihr Mann ist der einzige, der sie noch als Pianistin erlebt.
Doch der Wechsel vom Klavier zum Gesang war kein Bruch: „Ich habe schon immer gesungen. Bei uns in Bulgarien hatte das Gymnasium ein sehr hohes Niveau, und der Gesang gehörte zur musikalischen Ausbildung. Und die Oper habe ich immer geliebt." In einem entscheidenden Moment ihrer Laufbahn als Sängerin war Vesselina Kasarova besonders glücklich, das pianistische Handwerkszeug zur Verfügung zu haben. Das war 1992, als Marilyn Horne in Salzburg die Titelrolle in Rossinis „Tancredi" absagte.
Die mit flinken Koloraturen gespickte Partie des Normannenkriegers gehört zu den schwierigsten Mezzorollen, und Vesselina Kasarova hatte nur zwanzig Tage Zeit, das ihr unbekannte Werk einzustudieren. Während sie als Sängerin die Rolle übte, prägte sie sich als Pianistin den Klavierauszug des Orchesterparts ein. „Jede junge Sängerin hätte ja gesagt bei einem solchen Angebot, so wie jeder ehrgeizige junge Rennfahrer einspringen würde, wenn er für Michael Schumacher ein Rennen fahren dürfte. Heute würde ich vielleicht etwas länger überlegen."
Tancredi ist eine sogenannte Hosenrolle, bei der ein Mann von einer Frau dargestellt wird, und Vesselina Kasarova hat sich ein bisschen auf solche Rollen spezialisiert, etwa auch den Cherubino in Mozarts „Figaro". „Es ist das Schönste an einer Mezzostimme, dass man solche Partien singen kann. Und sie kommen meiner Liebe zum Theaterspielen sehr entgegen. Man muss sich dabei sehr auf die Darstellung konzentrieren, darf nichts übertreiben."
Mittlerweile sind wir am Fuss des Mönchsbergs entlang zum Aufzug spaziert, mit dem wir zum „Café Winkler" hinauffahren. Gelassen können wir hier auf die Stadt und den Festspieltrubel hinabblicken. Der Panoramablick verlockt zu „letzten" Fragen: Was wünscht sie sich für die Zukunft? „Ich möchte eine gewisse Ruhe im Leben behalten und bleiben, wie ich bin. Ich weiss, das sagen viele, es ist aber schwer zu erreichen. Ich möchte in meiner Persönlichkeit nicht die ‚Künstlerin' aufbauen. Wir sind oft einfacher als die Leute des Publikums."
Lady in Hosen
Die bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova singt den Farnace in Mozarts Mitridate, rè di Ponto bei der Salzburger Mozartwoche
Wieder ist es eine Hosenrolle, mit der Vesselina Kasarova ihr Repertoire erweitert. Im November hat sie als Romeo in Vincenzo Bellinis I Capuleti e i Montecchi Paris im Sturm erobert. Nun singt sie bei der Salzburger Mozartwoche erstmals den Farnace in Mitridate, re di Ponto. Mozarts erste Opera seria, die der 15jährige für Mailand komponierte, wird im Kleinen Festspielhaus von Jonathan Miller inszeniert. Am Pult steht Roger Norrington.
Hosenrollen sind zwar nicht ihr Schicksal. Aber Vesselina Kasarova schlüpft gern in die Psyche junger Männer. „Vielleicht auch deshalb, weil ich auf der Bühne am liebsten Figuren darstelle, die von ihrem Wesen und ihrem Charakter her ganz anders sind als ich. Schauspielerisch bieten Hosenrollen auf jeden Fall mehr als beispielsweise die Rosina."
Und doch war es das verliebte, listige Mündel des Doktor Bartolo in Rossinis Il barbiere di Siviglia, mit dem die heute 31jährige Bulgarin im September '91 in Wien ihren triumphalen Einstand feierte. Zwei Jahre gehörte Vesselina Kasarova dem Ensemble der Wiener Staatsoper an. „Wien war für mich eine wichtige Zeit", zieht sie positiv Bilanz. „An der Staatsoper gibt es eine grosse Tradition. Auch als junger Sänger wird man an ihr gemessen. Das kann zwar ins Auge gehen, ich aber habe Glück gehabt. Ich bin dadurch gewachsen und habe mich weiterentwickelt."
Nicht nur ihr sinnlicher, farbenreicher Mezzo ist es, dem Vesselina Kasarova ihren singulären Rang als Sängerin verdankt. Was bei Publikum und Kritik auf nicht minder grosse Begeisterung stösst, ist die hohe Kunst ihrer bravourösen, ausdrucksstarken Gesangs. Eine schlanke, beinahe instrumental geführte Stimme ist das Markenzeichen der Senkrechtstarterin. Das hat wohl mit Vesselina Kasarovas Vergangenheit zu tun. Denn bevor sie auf Gesang umsattelte, hatte sie ein Diplom als Konzertpianistin erworben. „Ich glaube, dass es da einen Zusammenhang gibt. Ich singe so, als würde ich ein Instrument spielen. Mozart, Rossini und Bellini verlangen das auch. Man muss jederzeit in der Lage sein, einen Ton aus dem Forte ins Piano zurückzunehmen. Wenn das gelingt, ist die Stimme gesund. Singen findet auch im Kopf statt. Wichtig ist, nicht breit, sondern schlank zu denken. Nur so kann man die Leichtigkeit der Stimme lange erhalten."
Trotzdem ortet Vesselina Kasarova einen gravierenden Unterschied zwischen der Stimme und einem Instrument. „Die Stimme kann ich nicht mit den Händen fassen. Bei einer Klaviertaste zum Beispiel weiss ich, wie ich sie anschlagen muss, um dem Ton eine bestimmte Dynamik zu geben. Beim Singen ist alles viel komplizierter. Da laufen verschiedene Prozesse im Körper ab, die schwerer zu kontrollieren sind."
Kontrolle ist wichtig, schliesst aber Gefühle nicht aus. Und wer Vesselina Kasarova auf der Bühne erlebt hat, weiss, dass sie sehr emotional ist. „Das war ich schon als Kind, und manchmal leide ich darunter. Die Bühne ist gefährlich. Da passieren Dinge, die mich leicht aus der Fassung bringen können. Als Sängerin kann ich es mir aber nicht leisten, zu sagen: ‚Jetzt gehe ich ab.' Das Spiel muss weitergehen."
Vesselina Kasarova ist verheiratet und lebt in Zürich. Gastspiele führen sie mittlerweile an fast alle grossen Häuser der Welt und zu den Salzburger Festspielen. Aber auch in ihrer Wahlheimat ist sie als Sängerin aktiv. Im Juli hat sie an der Zürcher Oper erstmals die Charlotte in Massenets Werther gesungen, unter dem Dirigenten Franz Welser-Möst. „Er ist zwar noch jung an Jahren, aber unwahrscheinlich reif, was seine Ideen anlangt. Wenn er am Pult steht, geht von ihm eine enorme Kraft aus."
Mozart, Bellini und Rossini bilden das strahlende Dreigestirn in Vesselina Kasarovas Repertoire. Wie wird es weitergehen? „Sicher kommt einmal die Eboli, wahrscheinlich auch die Carmen. Sie erfordert, vom letzten Bild abgesehen, gar nicht soviel dramatische Kraft. Als Figur ist sie ein Mythos, daher ist der Regisseur sehr wichtig." Ganz besonders freut sich Vesselina Kasarova darauf, eines Tages den Octavian zu singen. Womit sie nach Cherubino, Idamante, Romeo, Sesto und Farnace wieder einmal bei den Hosenrollen wäre.
Die bulgarische Mezzosopranistin im Gespräch mit Bernd Hoppe nach der Pariser „Capuleti e i Montecchi"
Kein geringes Wagnis bedeutete es für Vesselina Kasarova, als sie am 9. November ihr Debüt an der Pariser Opéra Bastille als Bellinis Romeo gab, einer zentralen Partie des Belcanto Repertoires, in der legendäre Sänger wie Giuditta Grisi und Maria Malibran einst Triumphe gefeiert hatten. Die Partie stellt in Gesangstechnik, Virtuosität und Ausdrucksvermögen hohe ANforderungen an die Interpretin; zudem verlangt der Travestie-Charakter eine glaubhafte Darstellung und passende körperliche Erscheinung.
Am Abend der Premiere lag das Pariser Publikum der bulgarischen Mezzosopranistin zu Füssen und feierte sie als einen neuen Star, was in einer Stadt, in der die Französin Martine Dupuy in diesem Fach als Primadonna herrscht, durchaus keine Selbstverständlichkeit bedeutet. Vesselina Kasarova hat sich diesen Erfolg durch einen klugen Aufbau ihrer Laufbahn errungen, die im Opernhaus Zürich begann, wo sie in der Partie der Wellgunde debütiert hatte und ganz organisch . über die Alisa in der "Lucia" und die Olga in "Eugen Onegin" - in grössere Aufgaben (Annio in "La clemenza di Tito") hineinwuchs. "Meine Entwicklung ist langsam, aber bewusst. Zürich ist ein nicht zu grosses Haus, und die kleinen und mittleren Partien waren anfangs für meine Entwicklung genau richtig. Lamberto Gardelli, unter dem ich dort gesungen habe, sagte mir immer, dass ich mit meiner Stimme und meiner Technik singen soll. Uns so habe ich es stets gehalten, auch dann, als die Aufgaben grösser wurden. Die Stimme künstlich zu verdunkeln oder sie in der Mittellage zu verbreitern, bedeutet sie zu manipulieren. Die Folgen sind ein Verlust in der Höhe und eine Gefährdung ihrer natürlichen Struktur. Genauso riskant ist es, andere Sänger, und seien sie noch so berühmt und erfolgreich, zu imitieren. Jede Stimme ist anders, hat ihre Stärken, aber auch Probleme. Natürlich singe ich nicht jede Partie gleich, sondern versuche, ihr eine jeweils eigene Farbe zu geben. Das scheint mir überhaupt das Wichtigste zu sein, welche Farben man hat - je mehr, desto besser."
Das bringt unser Gespräch auf Vesselina Kasarovas Repertoire, das man zwischen Mozart und den Partien Rossinis, Bellinis und Donizettis sowie einzelnen Ausflügen in das französische fach einordnen kann, und ihre persönliche Definition des Belcanto. "Für mich heisst das mit zwei Worten: Kultur und Geschmack. Eine Stimme, die diese Rollen singt, muss vor allem Schönheit und eine belkanteske Linie, also absolut perfektes Legato, besitzen. Überaus wichtig sind auch die Accompagnato-Rezitative, in denen man keinesfalls an Stimme sparen darf. Das sind ja die Momente, in denen etwas geschieht, und daher müssen sie besonders spannend sein. Für mich ist wichtig, wie ich meine Gefühle ausdrücke, dass sie jeder Zuschauer versteht, auch wenn ihm die Worte in dieser Sprache fremd sind. Gelingt das dem Sänger nicht, sind gerade die Rezitative höchst langweilig. Man kann beispielsweise grosse Wirkung erzielen, wie man die Pausen setzt, aber das bedeutet auch, dass die Zusammenarbeit mit dem Dirigenten und Regisseur ideal sein muss."
Es bietet sich an, die Sängerin an dieser Stelle eine paar Worte zu ihrer Mitwirkung als Zerlina in Patrice Chéreaus Inszenierung des "Don Giovanni" bei den Salzburger Festspielen 1995 und ‘96 sagen zu lassen. "Die Arbeit mit ihm war faszinierend und schwierig zugleich. Von Anfang an hatte er alles vor seinem geistigen Auge - wie in einem Film. Er wollte auch keine Oper machen, er wollte Theater. Und jede Bewegung bei ihm bedeutete etwas, jede Bewegung war erotischer Ausdruck. Dieses Singen ohne einen Moment körperlicher Ruhe war natürlich wahnsinnig schwer, und er hat auch sofort gemerkt, wenn man einmal nur an das Singen gedacht hat. Sein Mozart ist sicher in einem kleineren Opernhaus besser zu verstehen. Das Bühnenlicht war im zweiten Jahr zwar klarer, das hat schon geholfen, aber prinzipiell sind die Dimensionen des Grossen Festspielhauses für eine solche Arbeit nicht geeignet."
Ihre Mozart-Partien rechnet Vesselina Kasarova ebenfalls zum Belcanto-Gesang. In ihnen verbindet sie vokale Kultur, Virtuosität und expressive Gestaltung zu eindrücklichen und lebendigen Porträts. Der Idamante in "Idomeneo" beim Maggio Musicale Fiorentino in diesem Jahr, dem die Neue Zürcher Zeitung das Prädikat "Unerreicht" verlieh, lebte von dieser Kombination und darüber hinaus von der absoluten Glaubwürdigkeit in der Darstellung der seelischen Empfindung der Figur. Wer die Kasarova in dieser Rolle oder auch als Cherubino, Dorabella und Zerlina erlebt hat, ist verblüfft über die stupende Verwandlungen der Sängerin, die in jeder Partie ein neues Gesicht zeigt und sich deren Charakter gleichsam wie eine zweite Haut überstülpt. Diese bedingungslose Ehrlichkeit in der schauspielerischen Formung, das Zurücktreten des Stars, der sie trotz ihrer Jugend mittlerweile durchaus ist, hinter das erklärte Ziel, die Figuren durch Wahrhaftigkeit und Kunst lebendig erstehen zu lassen, nacht Vesselina Kasarova zu einer jener seltenen Sängerinnen, denen Eitelkeit, Allüren und Arroganz fremd sind. Und so ist sie auch privat und im Gespräch eine bezaubernde Frau von natürlichem Charme, femininer Zartheit und wachem Verstand ohne jede divenhafte Exaltiertheit.
Die Musik Mozarts wird die Sängerin auf ihrem Weg auch weiterhin begleiten. Unmittelbar nach der Zerlina in Salzburg ging sie für ihr neues Mozart-Recital unter Colin Davis bei BMG ins Dresdner Aufnahemestudio. Die Arbeit bezeichnet sie als "grosse und bereichernde Erfahrung", das Spiel der Dresdner Staatskapelle als "beglückend". Das Programmenthält auch Sestos "Deh per questo" aus "La Clemenza di Tito", eine Partie, die sie erstmals 1997 bei den Salzburger Festspielen und 1999 auch an der Bayerischen Staatsoper München singen und sich damit einen ihrer grössten Träume erfüllen wird. Dass sie für die CD auch Vitellias "Non più di fiori" ausgewählt hat, ist mit Sicherheit ein Verweis auf die Zukunft, die ihr zudem bestimmt auch den Octavian und die Carmen bringen wird.
Im Moment jedoch und in den nächsten sechs bis sieben Jahren möchte Vesselina Kasarova in ihrem Repertoire bleiben und neben den Mozart-Partien Bellinis Romeo, die Adalgisa in "Norma", die Giovanna in Donizettis "Anna Bolena" und natürlich ihre Rossini-Rollen vertiefen. Die Rosina im "Barbiere" zählt zu ihren ersten ganz grossen Erfolgen, als Isabella in der "Italiana" wurde sie auch an der Deutschen Oper in Berlin umjubelt. Nun wünscht man der Sängerin bald eine Cenerentola, bevor sie sich später auch den heroischen Partien nähert.Auch bei Rossini ist differenziertes Singen für sie oberstes Gebot. "Man muss mit den Tönen spielen, ihnen Farben und Charakter geben. 'Cenerentola', ‘Italiana', ‘Tancredi' sind doch ganz verschieden; und es ist ein Missverständnis, alles gleich zu singen. Von entscheidender Bedeutung in diesem Fach, beim Belcanto wie bei Mozart, ist, ob meine Stimme im Timbre zum Sopran passt. Mein Ziel ist stets, mich im Klang meiner Partnerin anzupassen - so, dass die beiden Stimmen sich wie zwei Instrumente harmonisch verbinden. Gerade das war auch meine Absicht un der ‘Tancredi'-Aufnahme mit Eva Mei. Es gab diesbezüglich auch kritische Stimmen, die den heroischen Aplomb einer Marylin Horne vermissten. Aber man muss auch bedenken, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Einspielung in Venedig bereits Fünfzig war, ich dagegen habe die Partie mit Dreissig aufgenommen und werde sie sicherlich in zwanzig Jahren auch anders singen. Im übrigen sollte man nicht immermit den älteren Sängern und früheren Schallplattenproduktionen, die oft viel schwerer und dramatischer waren, vergleichen. Man sollte auch positiv denken: Wir haben jetzt eine neue Sängergeneration, und deren Stil ist eben ein anderer. Heutige Aufnahmen sind in den meisten Fällen im Klangbild auch viel brillanter. Und wenn ich als Tancredi die Stimme nicht übermässig gross und laut gemacht habe, dann lag es nicht daran, weil ich die stimmlichen Mittel oder die konditionellen Möglichkeiten dafür nicht gehabt hätte, sondern weil ich meine vokalen Potenzen nicht ausstellen will. Ich möchte musizieren.
Gegen das verbreitete und auch heute noch existierende Vorurteil, dass es Sängern aus Osteuropa in ihrem gesang an kultivierter Linie mangele und sie für den Belcanto nicht geeignet seien, setzt sich Vesselina Kasarova entschieden zur Wehr. (Im übrigen hat sie in ihrer Landsmännin Anna Tomowa-Sintow, deren gültige Interpretationen von Mozarts Donna Anna, Fiordiligi und der Contessa weltweit gefeiert wurden, den lebendigen Gegenbeweis für diese irrige und oberflächliche Annahme) "Entscheidend bei Mozart wie bei Rossini sind der Stil und die Kultur. In meinen ‘Tancredi'-Duetten mit Eva Mei als Amenaide, in denen es ja um Liebe und stärkste Gefühle geht, war es mein Ziel, mit ihrer Stimme total zu verschmelzen als Ausdruck vollkommener Harmonie. Denn: Niemand liebt sich laut."
Deh! Tu, bell'anima
Vesselina Kasarova über emotionale Überwältigung auf der Bühne, riskante Rollenangebote und den Umgang mit dem Mikrophon im Gespräch mit Gerhard Persché
Gestern abend in der Premiere von «I Capuleti e i Montecchi» an der Opéra Bastille gab es einen ganz besonderen Moment: als Romeo Abschied nimmt von der totgeglaubten Julia: «Deh! Tu, bell' anima». Ein plötzliches, schmerzvolles Anhalten, so, als sei nicht nur Romeo, sondern auch die Sängerin Vesselina Kasarova völlig überwältigt von der Situation. Kann man so etwas planen, kalkulieren?
Nein. Es kam auch für mich völlig überraschend, war beinahe unkontrollierbar. Ich hätte fast nicht weitersingen können. Als hätte etwas von oben auf uns eingewirkt - die Sopranistin hat an dieser Stelle plötzlich auch geweint. Ich bin sehr beunruhigt darüber, dass es mir passierte, habe die ganze Nacht gegrübelt ...
Muss eine so empfindliche Sängerseele Grund zur Beunruhigung sein? Wie schön, dass es nicht nur kühl berechnende, vor allem sich selbst darstellende Stimmverkäufer gibt. Der sensible Teil des Publikums dürfte Ihnen dankbar gewesen sein.
Vielleicht. Dennoch ist die Bühne eine andere Welt; man darf nicht zu privat werden, sollte die Aktionen sozusagen in einen Rahmen setzen wie ein Bild, damit das Publikum sich mit der Figur identifizieren kann. Natürlich muss man die jeweiligen Rollen mit privaten Gefühlen, mit innerlichen Emotionen ausstatten - und manchmal scheinen sie einen dann auch zu überwältigen ... Aber das Private, Persönliche, Intime ist die letzte, feinste Farblasur in der Zeichnung einer Figur, die ansonsten in grosszügigeren Dimensionen angelegt werden muss. Damit meine ich nicht das manieristische Element, das ja auch häufig ein Teil der Oper ist, nicht irgendwelche Posen. Posen verhindern die ehrliche Gestaltung, man spielt sich mehr oder weniger bloss selbst. Das interessiert mich nicht. Ein Opernsänger muss auch ein guter Schauspieler sein.
Wobei Sänger als Schauspieler von der Ausbildung her nicht selten Dilettanten sind. Haben Sie Schauspielunterricht gehabt?
Ich habe fünf Jahre lang neben meinem Gesangsstudium auch Schauspiel studiert und dabei die für mich so wichtige Balance zwischen musikalischer und körperlicher Darstellung zu finden gelernt.
Was man an Ihrer Darstellung gestern erneut auffiel, war die absolute Übereinstimmung von musikalischer und körperlicher Gestik. Alles schien von innen, von der Musik her, entwickelt, ohne dass es ein blosses physisches Nachvollziehen des musikalischen Ausdrucks gewesen wäre. Haben Sie sich dies im Hinblick auf den Romeo während den Proben hier erarbeitet?
Dazu wäre die Zeit zu kurz gewesen. Ich beschäftige mich mit dieser Partie schon seit mehr als einem Jahr; mir liegt viel daran, jede Phrase, jeden Ton vom Ausdruck her ganz zu verstehen und zu fühlen. Ich habe alles gehört, was es gibt - nicht um zu kopieren, sondern um die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten zu vergleichen. Ich habe überlegt: Was kann man mit dem Text machen, vor allem mit den Rezitativen, die sehr frei sind, sehr emotionell. Ich denke, dass ich sie trotz aller genauen Vorbereitung nie ganz gleich machen kann, dass sie in jeder Vorstellung etwas anders werden. Ich suche ständig weiter, nach neuen Nuancen.
Sie gelten als „Rehearsaholic", probieren ausgesprochen gern. Ein paar Tage vor einer Vorstellung anzureisen und Darstellungsklischees anzubieten, wie mache Kollegen das tun, scheint Ihnen nicht zu liegen.
Ich kann nur für mich sprechen: Auf die Bühne gehen, dort hauptsächlich Töne abliefern und darstellerisch auf Dinge zurückgreifen, die ich mir irgendwo anders schon zurechtgelegt habe, das kann ich nicht. Selbst bei Partien, die ich häufig singe, wie die Rosina im „Barbiere di Siviglia", möchte ich ständig andere Facetten entdecken. Vor allem aber bei neuen Partien, wie hier beim Romeo, brauche ich die Vorbereitung nicht nur in musikalischer Hinsicht. Das Spiel ist für mich so wichtig wie das Singen; die Rollengestaltung kommt aus der Musik, beeinflusst aber im Gegenzug auch den Gesang.
Nehmen die Regisseure Ihre Darstellungsangebote voll an? Auch solche, die mit starren Konzepten auf die Proben kommen? Oder jene, die eine Inszenierung bereits anderswo, mit anderen Sängern herausgebracht haben - wie etwa diese Produktion von «I Capuleti e i Montecchi», die ja vor sechs Jahren in Genf ihre Premiere hatte und dort überdies später mit einer anderen Sängerbesetzung wiederaufgenommen wurde?
Ich habe in dieser Hinsicht meist Glück gehabt. Wichtig ist, dass man Respekt voreinander hat; es ist ja ein Geben und Nehmen. Eine falsche Geste, etwas Äusserliches, was nicht aus mir selbst kommt, kann den ganzen Abend zerstören - weil ich dann unglaubwürdig bin, auch mir selbst gegenüber. Ich würde verunsichert; mein Spiel würde darunter leiden. Ich fühle mich nur wohl, wenn alles, Gesang und Spiel, in einer Balance ist. Das gilt übrigens, so komisch das klingt, auch für meine Schallplattenaufnahmen. Ich möchte starke Gefühle geben - auch wenn eine Aufnahme fünfmal wiederholt wird; ich stelle mir vor, wie ich auf der Bühne spielen würde, bewege mich dementsprechend vor dem Mikrophon. Da kann ich nicht nur denken: Hier musst du besonders brillant sein. Ich kann zum Beispiel Koloraturen nicht einfach äusserlich heruntersingen, das ist mir zu steril. Sie bedeuten ja etwas, auch wenn der Text bloss aus Wiederholungen besteht; sind im Sinne des Wortes Färbungen, ich möchte sagen: Seelenfarben.
In einem Gespräch vor einiger Zeit haben Sie gesagt, dass die dramatischen Mezzo-Partien Ihre «geheime Liebe» wären. Dennoch haben Sie bislang nichts überstürzt, Ihre Partien sehr klug ausgewählt - obwohl es genug Auswahl im dramatischen Fach gab: von der Amneris in Zürich unter Harnoncourt bis zum Adriano in Wagners «Rienzi» an der Wiener Staatsoper, mit Zubin Metha.
Das wäre nicht gut für meine Entwicklung gewesen. Ich muss eine Rolle im Kopf und im Körper spüren, um mich reif dafür zu fühlen. Das ist bislang noch nicht einmal bei der Carmen der Fall. Ausserdem bezieht sich der Begriff «dramatisch» für mich nicht nur darau, wie viel Stimme man geben muss; auch der Romeo ist eine sehr dramatische Rolle - von der Dramatik der Figur und der dafür notwendigen Emotion her.
Im Belcantorepertoire gibt es noch so vieles, was ich ausprobieren möchte, oder auch bei Mozart. Mozart ist für mich alles: Dramatik, Lyrik. Er hat die Menschen sehr geliebt. Ein Paradox, dass man sagt, Mozart sei «leicht». Mozart ist sehr schwer. Wenn ich an den Idamante denke: wie viel Tragik steckt da drin!
Es heisst, man müsse vorsichtig sein, vor allem bei wichtigen Leuten im Musikbusiness: einige Absagen, und eine Karriere wäre gefährdet. Nun haben Sie unter anderem, wie erwähnt, den Adriano in Wien abgesagt, die Amneris in Zürich, und Ihre Karriere blüht dennoch ...
Freilich habe ich Angst gehabt bei diesen Absagen. Es ist ganz schwierig; ich glaube, man muss vor allem diplomatisch sein. Aber jeder wirklich künstlerisch denkende Dirigent, Intendant, Agent wird ehrlichen Argumenten gegenüber aufgeschlossen sein. Es hat ja keinen Zweck, einen Sänger zu etwas zu zwingen, was er dann vielleicht nur mit letzter Kraft schafft. Wenn ich mit Angst auf die Bühne gehe, kann das Ergebnis nur unbefriedigend sein. Ich versuche immer, mich meinen Grenzen von unten her zu nähern, sie vielleicht anzutippen, aber nie zu überschreiten. Die rein stimmliche Kraft für gewisse dramatische Partien habe ich auch jetzt schon, das weiss ich. Aber Kraft, Power allein ist unbefriedigend. Es interessiert mich nicht, zu zeigen: Ich kann auch das, bin stark genug für diese Partie. Wenn ich nicht mit ihr spielen kann, wenn meine Stimme ihre Leichtigkeit und Flexibilität verliert, kann ich nicht überzeugend sein.
Und gewisse Partien zunächst auf Platte auszuprobieren - würde sie das nicht reizen?
Warum soll ich etwas aufnehmen, was ich dem Publikum dann auf der Bühne nicht bieten kann? Wenn andere es tun, ist das ihre Sache. Ich kritisiere niemanden; nur denke ich, dass das Spektrum jenes Repertoires, das ich zur Zeit singe, gross und reich genug ist. Da gibt es noch vieles zu entdecken.
Es war naheliegend, dass man anlässlich Ihrer Zerlina in Salzburg auch den Namen Ihrer Partie-Vorgängerin in dieser Produktion ins Spiel brachte; jenen von Cecilia Bartoli - so auch heute bei der Pressekonferenz Ihrer Schallplattenfirma hier in Paris. Irritieren Sie solche Vergleiche?
Überhaupt nicht, weil man uns nicht vergleichen kann, auch wenn sich unsere Partien zur Zeit teilweise überschneiden. Unsere Stimmen sind einfach zu unterschiedlich.
In nächster Zeit geben Sie eine Reihe von Liederabenden mit Werken von Schbert, Schuman und Brahms - ein sehr anspruchvolles Programm, das auch auf Schallplatte eingespielt werden soll. Als Sängerin des deutschen Liedes sind Sie noch weithin unbekannt. Was reizt Sie an diesem Genre?
Zunächst: Ich liebe das Lied, seine Intimität, die gegenüber der Oper delikatere musikalische Gestik. Ich mag die Situation von Liederabenden: Man muss dem Publikum «ungeschützt» gegenübertreten, kann sich hinter keinem Kostüm verstecken. Wir haben das Programm sehr sorgfältig ausgewählt, vor allem Lieder genommen, die man mit einem gewissen naiv-romantischen Gefühlsausdruck gestalten kann - Hugo Wolf wäre mir im Moment noch zu schwierig. Dabei habe ich versucht, nicht nur bei den Tonarten eine gewisse Dramaturgie einzuhalten, sondern auch vom Ausdrucksgehalt her.
Vesselina Kasarova
In occasione di una recente rappresentazione al Maggio Musicale Fiorentino, abbiamo incontrato il giovane mezzosoprano bulgaro, protagonista del neouscito "Tancredi" di Rossini pubblicato dalla RCA Victor
Esce proprio in questi giorni una registrazione della RCA che segna il debutto discografico, in un ruolo operistico, di una giovane ma già apprezzata cantante di origini bulgare: l'opera incisa è il tanto atteso Tancredi di Rossini (RCA 09026 68349 2), presentato in un'intelligente edizione che include sia il lieto fine scritto per la rappresentazione di Venezia sia il finale tragico per quella successiva di Ferrara; e la giovane cantante è Vesselina Kasarova, che dà la sue voce al ruolo del titolo ed è affiancata per l'occasione da Eva Mei (Amenaide) e Roberto Abbado, artisti già apprezzati nel Don Pasquale di Donizetti pubblicato sempre dalla RCA qualche anno fa.
Il vero e proprio debutto discografico di Vesselina Kasarova in casa RCA era però già avvenuto nei mesi passati, con un CD (RCA 09026 68008 2) dedicato a tre importanti cicli per voce e orchestra (Les nuits d'été di Berlioz, Shéhérazade di Ravel e Poème de l'amour et de la mer di Chausson), dove la cantante, ben assecondata dalla direzione sicura di Pinchas Steinberg, si dimostra capace di un fraseggio sempre molto accurato e mette in luce tutte le qualità particulari della sua vocalità. Qualità particolari, perché e la sua voce è ufficialmente classificata come quella di un mezzosoprano, in realtà il timbro scuro e la robustezza des volume fanno talvolta pensare a qualcosa di molto vicino alla tessitura di un contralto: non a caso accanto a ruoli mozartiani (Annio della Clemenza di Tito, Cherubino delle Nozze e Dorabella di Così fan tutte), la Kasarova riesce ad affrontare con disinvoltura e proprietà stilistica anche quelli rossiniani, Rosina, Isabella e appunto Tancredi, che com'è noto furono pensati per un registro appena più grave di un mezzosoprano odierno.
Dopo l'esordio del 1994 nel Barbiere di Rossini, Vesselina Kasarova è tornata a calcare le scene del Teatro Comunale di Firenze durante il 59° Maggio Musicale, interpretando Idamante nel nuovo allestimento coprodotto con l'Opéra de Lausanne dell'Idomeneo di Mozart; e fra una replica e l'altra ho potuto scambiare qualche parola con lei.
Vesselina Kasarova mi accoglie nel suo camerino con rara gentilezza, quasi timorosa; ho la certezza di trovarmi di fronte ad una persona particolarmente sensibile, estranea a certi antipatici vezzi isterici delle grandi star. Si scusa più volte per il suo inglese (in compenso parla un eccellente tedesco), e cerca sostegno negli occhi del marito, che si offre di fare da intermediario linguistico per facilitarci il colloquio. Una volte rassicurata, Vesselina Kasarova dà vita ad una piacevole conversazione. Ricorda gli inizi: gli studi di canto intrapresi ad appena quattro anni e quelli di pianoforte subito dopo; e parla, non senza commozione, del suo primo pianoforte, fatto arrivare da Dresda non senza aver dovuto affrontare le mille difficoltà frapposte da un governo comunista poco tollerante. Fra i ricordi riemerge il debutto all'Opera Nazionale di Sofia, che la vede, appena ventenne e ancora studentessa, rivestire i panni della Rosina rossiniana; e poi qualche parola su Ressa Koleva, l'insegnante di canto che l'ha formata professionalmente: "Una cantante di musica da camera, non di opera, specializzata in Schumann e Schubert; mi ha insegnato la tecnica, ma soprattutto a conoscere perfettamente i ritmi del mio corpo: se uno conosce perfettamente il proprio corpo sa anche come esprimerlo; se un pianista sa quali sono le caratteristiche del suo pianoforte nel suonarlo ne sfrutterà al meglio le capacità espressive". È questo un concetto molto importante per la cantante, perché torna a ribadirlo anche quando parliamo della sua prima registrazione per la RCA: "Les nuits d'été di Berlioz, Shéhérazade di Ravel e il Poème de l'amour et de la mer di Chausson sono trei cicli vocali molto difficili, perché la musica è elegante e leggera: per cantare questo particolare tipo di repertorio ci vuole molto gusto, come per Mozart. L'interprete deve far capire le parole del testo e valorizzare le sfumature della musica che per quelle parole è stata pensata: la musica di queste pagine è in fondo come un velo, e non è pertanto una questione di potenza vocale, quanto piuttosto di riuscire a cesellare ogni parole e contemporaneamente cercare di estrarre da quelle note un valore espressivo che spesso è sottilissimo per non dire nascosto. In questo, sono stata guidata dal direttore Pinchas Steinberg, un profondo conoscitore della voce. Perché, come le dicevo prima, la voce è in sostanza come uno strumento musicale, anche se uno strumento difficile da controllare, perché con esso un cantante non ha un contatto diretto come può averlo un violinista col suo violino. E la difficoltà, in fondo, per un artista che affronta soprattutto questo repertorio è proprio quella di far uscire dalla sua voce quella varietà di colri che il testo musicale non ha espressamente indicati, ma che esige. Si tratta di far capire con il canto quello che il testo esprime letterariamente: perché la musica è un linguaggio universale, e io devo far comprendere la poesia delle Nuits d'été anche a chi non è francese".
Parlando, Vesselina Kasarova fa trapelare il suo interesse per il genere del Lied, e in particolare di Schubert, Schumann e Brahms (pare che a Lieder di Brahms sarà dedicata una delle sue prossime incisioni per la RCA, con l'accompagnamento pianistico di Friedrich Haider, marito di Edita Gruberova), ma poi il discorso scivola quasi inevitabilmenre su un autore sul quale forse più di ogni altro si è concentrata, Rossini: "È un mucista che ha scritto parti molto significative per la voce di coloratura e per questo lo trovo particolarmente affascinante. Ho affrontato e affronto ruoli rocciniani. Rosina, Isabella, Tancredi, ma cerco anche di cambiare, perché la mia voce ora necessita di una certa varietà". Ed ecco spuntare l'altro musicista prediletto, Mozart in alternativa a Rossini: "Mi piace anche Mozart, soprattutto perché mi impegna mentalmente. In fondo, Rossini richiede talento per la coloratura e il canto dei suoi ruoli punta direttamente a suscitare emozioni. Quando invece canto Mozart, non mi posso permettere un solo momento di distrazione, perché le sue parti, per essere comprese in maniera approfondita, esigono un costante lavoro di disciplina e di controllo. Rossini è insomma l'emozione allo stato libero per quanto sia sempre molto preciso -, Mozart richiede il ragionamento, la riflessione, un impegno di cervello: sono due autori di teatro musicale fondamentali, l'uno complementare dell'altro".
Passiamo poi ad altri musicisti, e Vesselina Kasarova mi racconta dell'entusiasmo che ha provato nel cantare Giovanna Seymour nell'Anna Bolena di Donizetti, accanto ad Edita Gruberova in una produzione di Monaco con la regia firmata da Jonathan Miller ("Anna Bolena - dice - è un'opera che in sostanza combina lo stile di Rossini e quello di Mozart, e una volta compreso questo non è di difficile realisazione"), della sua ammirazione per Bellini (ha cantato Norma e I Capuleti e i Montecchi) e della particolare predilezione per il teatro francese ("Fra qualche tempo, ma solo fra qualche tempo - sottolinea - vorrei affrontare la parte di Carmen"). Le chiedo a questo punto se ha qualche cantante a cui guarda come ad un punto di riferimento, e lei, senza scomodare tanto i morti e infilarsi in un ginepraio di classifiche, risponde confessandomi il suo rispetto quasi reverenziale, la sua stima profonda per Christa Ludwig ("modello di interprete, apprezzabile anche per la presenza scenica"), con questo non disdegnando la lezione che possono fornire anche altri grandi cantanti viventi.
Vorrei ancora parlare con Vesselina Kasarova, mi colpisce la dolcezza del carattere e la chiarezza d'idee di questa cantante; ma ormai il tempo a nostra disposizione è terminato e ci congediamo amichevolmente sull'elenco delle sue prossime incisioni per la RCA: I Capuleti e i Montecchi di Bellini, Oberon di Weber (nella parte di Fatima) diretto da Marek Janowski, l'Ottava Sinfonia di Mahler con Colin Davis e un CD con arie di Gluck, Mozart, Rossini e Händel già registrato e che verrà distribuito da qui a poco.
Rossinis »Tancredi« ist in der Biographie Vesselina Kasarovas von entcheidender Bedeutung. Als Einspringerin übernahm sie diese Partie 1992 bei den Salzburger Festspielen kurzfristig und mit spektakulärem Erfolg für die erkrankte Marilyn Horne; und just diese Rolle eröffnet nun auch die Reihe der Operneinspielungen bei ihrem neuen Platten-Label. Ralf Tiedemann sprach während des Maggio Musicale Fiorentino anlässlich ihres Idamante-Debuts mit der Bulgarin in ihrem Lieblingscafé in Florenz - dem einzigen Ort, den sie dort ausserhalb des Opernhauses kannte.
Waren Sie nach der gestrigen Aufführung des »Idomeneo« über den kräftigen, aber im Ganzen doch sehr kurzen Beifall nicht enttäuscht? Nach über 3 ½ Stunden Oper gerade einmal 3 Minuten Applaus, bei den Pausen reichte es nicht einmal zum Hervorrufen der Protagonisten ...
Ehrlich gesagt, habe ich das Gefühl, dass Mozart ein fremder Komponist für diese Menschen hier ist, obwohl auf italienisch gesungen wird. Mailand ist etwas anderes - aber Florenz ... ich weiss es nicht. Vielleicht war auch das Publikum ein bisschen arrogant. Sie kennen wohl den »Idomeneo« auch nicht so gut und wissen nicht, wann man klatschen muss und wann nicht.
Mozart hat aber ja gerade beim »Idomeneo« versucht, dieses starre Prinzip der Opera seria zu durchbrechen, durch offene Schlüsse die Handlung am Laufen zu halten.
Das ist richtig, aber auch am Ende habe ich den Applaus doch als ein bisschen blass empfunden. Nicht nur, weil ich Sängerin bin! Ich denke, wir haben das schon nicht schlecht gemacht. Es ist eine schwere Oper. Und für mich und für Deon van der Walt waren es ja auch Rollendebuts; ebenso für Hillevi Martinpelto, die es nach der Einspielung mit Gardiner zum erstenmal auf der Bühne gemacht hat.
Hat Ihnen die Regie bei dieser ersten Interpretation des Idamante geholfen?
Es war eine sehr angenehme Arbeit mit Jonathan Miller. Er lässt den Sängern einfach die Persönlichkeit, das ist sein Ziel. Idamante bietet wahnsinnig viel, allein schon in der Musik. Auch ohne Worte, nur die Melodie, dort ist alles geschrieben. - Ich liebe einfach diese Hosenrollen! Aber für diese Partien muss man mehr arbeiten, mehr überlegen, weil man sich kontrollieren muss: bei den Bewegungen, bei den Gefühlen. Frauenpartien sind mir näher, aber deswegen nicht leichter. Doch bei einem Mann muss man sehr aufpassen, dass man nicht übertreibt, aber eben ach nicht zu wenig macht. Den Mittelweg zu finden ist das Schwierigste.
Neben den meist ernsten Hosenrollen begeistern Sie andererseits gerade in den charmant-witzigen Frauenpartien, wie z.B. der Rosina ...
... Ich liebe diese unterschiedlichen Partien, das ist das Schönste für mich. Ich könnte nicht nur Männerrollen singen. Ich würde nicht mehr so ehrlich sein und diese Natürlichkeit verlieren, weil dann die Routine kommt. Natürlich ist es immer wichtig, mit welchem Regisseur man arbeitet. Ich sage das immer, aber für mich war es etwas ganz Besonderes, mit den Herrmanns in Salzburg zu arbeiten. Wahrscheinlich habe ich dort viel von meiner Persönlichkeit entwickelt. Ein junger Sänger braucht eine gewisse Zeit, um zu zeigen, was er kann, er braucht eine gute Entwicklung. Und Entwicklung heisst für mich, das zu öffnen, was man hat: Gefühle, meine innerste Intuition.
Diese innere Intuition wird sicherlich gerade auch über die Musik angesprochen. Haben sie einen besonderen Zugang zu den momentanen Schwerpunkten Ihres Repertoires: Mozart und Rossini?
Ja, besonders zu Mozart; er ist für mich eine ganz andere Welt. Er ist der reichhaltigste Komponist an Farben; das gibt einem kein anderer Komponist. Ich war lange Zeit Pianistin, und immer wenn ich Mozart gespielt habe, habe ich gedacht: Mozart gibt einem alles, bietet Dramatik, Eleganz, Feinheit - alles!
Wie kamen Sie nach Ihrem langen Klavier-Studium dazu, zum Gesang zu wechseln?
Weil ich sehr oft Sänger gehört habe und auch viel mit Sängern während des Studiums gearbeitet habe, sie am Klavier begleitet habe. Und ich muss sagen, ich habe die Sänger immer ein bisschen unterschätzt. Ich habe immer gedacht: es genügt eine Stimme - und sie singen! Und seit ich selbst singe, habe ich verstanden, wie schwer das eigentlich ist.
Hat man Ihnen gleich zugeraten, das Gesangsstudium aufzunehmen?
Meine Mitschüler sagten: „Du hast eine schöne Stimme, warum versuchst du es nicht?" Ich habe eigentlich zufällig angefangen. Gott sei Dank, denn es ist das Schönste, was ich habe - bis jetzt. Während der letzten zwei Kurse an der Akademie in Sofia habe ich dann im Opernhaus schon gesungen. Ich habe Rosina und Preziosilla gemacht, »Così fan tutte«, solche Partien.
Und dann gewannen Sie bei dem noch jungen deutschen Gesangswettbewerb in Gütersloh ...
Ich war schon als Solistin am Opernhaus Zürich, und der damalige Direktor hatte die Idee, zu diesem Wettbewerb zu gehen. Es war ein riesiges Erlebnis für mich, aber ich habe mir gesagt: Nie wieder „Concours"! Nicht, weil ich keinen Respekt habe, sondern weil ich mit den Nerven fix und fertig war! Obwohl ich keine Angst vor der Bühne habe.
Wegen der Konkurrenz-Situation?
Ja, genau! ... die Konkurrenz ...
Würden Sie aber trotzdem sagen, dass es wichtig für Sie war, an diesem Wettbewerb teilgenommen zu haben?
Ich finde diese Wettbewerbe gut. Aber Sie wissen: der 1., 2. oder 3. Preis, das ist immer Geschmackssache. Das Wichtigste aber ist am Ende doch, ob dann die Leute auch Arbeit bekommen.
Aber Sie selbst haben dadurch in Zürich nicht bessere Partien bekommen, weil Sie in Gütersloh gewonnen haben?
Nein. Aber ich bin natürlich stolz; denn ein erster Preis ist etwas ganz besonderes, für jedermann.
Dann kam das grosse Thema Salzburg: '91 Debut in der »Clemenza« und gleich im nächsten Jahr das grosse Aufsehen, das Sie mit dem Einspringen für Marilyn Horne erregten. Wie kam es, das ausgerechnet Sie für die Horne einsprangen? Man muss ja eigentlich sagen: einspringen „durften".
Ja, absolut! Ich habe damals Annius gesungen und war halt gerade bei den Festspielen. Das war die schönste »La clemenza di Tito«, die ich je gesehen habe. Wirklich: die Farben, die Kostüme, alles war so schön. Es war richtiges Theater! Für mich ist Oper nicht nur singen. Heutzutage ist es auch Theater geworden, und das ist sehr wichtig! Ich finde manches schon so altmodisch - wenn ich das sagen darf. Ich bin ja noch jung für diesen Beruf und habe wenig gesungen. Aber ich liebe mehr die beweglicheren Sachen. Damit meine ich nicht Bewegung im Sinne von „chaotisch", sondern: mehr Theater! Und dann kommt alles auf die Stimmung an. Wenn man mit einer Truppe szenisch gut zusammenarbeitet und alles stimmt, dann kommt das sofort in die Stimme. Man findet Individualität.
Entschuldigen Sie, jetzt bin ich ganz woanders gelandet. Direktor Mortier ist also gekommen, und hat gefragt: „Vesselina, kannst du »Tancredi« für mich singen?" Ich habe mich zuerst wahnsinnig gefreut. Für die ersten paar Sekunden habe ich nicht daran gedacht, ob ich das schaffen kann, ob ich das in der kurzen Zeit lerne. Es war ja nicht einmal mehr ein Monat. Ich habe mich nur riesig gefreut und zugesagt. Das war's. Ich habe wahnsinnig viel Zeit investiert. Und Gott sei Dank war ich Pianistin! Sonst hätte ich das nicht geschafft.
Sie haben sich die Rolle also selbst am Klavier angeeignet?
Ich habe selbst gespielt, aber auch mit Maestro Robert Kettelson, dem Assistenten von Riccardo Muti, sehr viel und sehr gut gearbeitet. Er hat mir auch mit Ideen weitergeholfen, denn es war ja wirklich eine sehr kurze Zeit. Ich war relativ müde von »La clemenza«, aber es ist trotzdem gutgegangen. Denn da auch Maestro Steinberg mir sehr geholfen hat, war es von allen Seiten positiv für mich.
Sie haben ja schon mit sehr namhaften Dirigenten gearbeitet. Würden Sie sagen, dass es da jemanden gibt, der besonders förderlich für Sie war?
Ich bin ehrlich, und ich sage das nicht, weil ich irgendwie diplomatisch sein möchte: jeder von diesen grossen Persönlichkeiten hat etwas Spezielles, Gutes, hat eine gute Intuition und man versteht, was die Leute meinen. Auch wenn man den einen sofort, den anderen erst lange Zeit gar nicht versteht.
Also eine an einen bestimmten Dirigenten geknüpfte Entwicklung, wie sie einige Ihrer Kollegen durchlaufen haben, die ohne diesen Einfluss in dieser Form vielleicht ganz andere Karrieren gemacht hätten, hat es zumindest bisher bei Ihnen nicht gegeben?
Nein. Ich würde sagen, mir haben vorwiegend Kollegen geholfen, indem ich diese guten Sänger hören durfte. Für mich waren es in Zürich Edita Gruberova oder auch Araiza; sie auf der Bühne zu erleben, wie sie musizieren! Ich war damals noch ganz jung in Zürich, vor 7 Jahren, als ich in »Lucia di Lammermoor« die Alisa gesungen habe. Und ich wollte diese Sänger nur hören. Nicht imitieren, sondern sehen, wie sie Musik machen und nicht nur singen. Von solchen Sachen kann man viel lernen. Ich spreche nicht von Imitation! Man muss sich entwickeln, aber man muss auch das behalten, was man hat: die Persönlichkeit. Wir haben über Dirigenten gesprochen: natürlich trifft man viele gute Dirigenten, aber man muss sich nicht nur die Meinung eines Dirigenten gefallen lassen. Ich muss auch das, was ich habe, behalten; irgendwie modulieren, aber immer auch bei mir bleiben.
Inzwischen haben Sie mit einer so grossartige Sängerin wie der Gruberova schon einiges zusammen gemacht. Hat neben der von Ihnen beschriebenen Wirkung auf Ihren Umgang mit einer Rolle auch eine künstlerisch-technische Arbeit mit Frau Gruberova stattgefunden?
Sie hat mir nicht gezeigt, wie ich etwas machen muss. Aber wir haben uns irgendwie verstanden, und dann kommt so etwas automatisch. Die Gruberova ist schon etwas Besonderes, nicht nur ihre Technik! Ich versteh' einfach nicht, wie man sagen kann, sie sei eine „kalte" Sängerin. Die Leute suchen wohl etwas, um zu kritisieren. Ich habe sie als Anna Bolena auf der Bühne erlebt. Wir haben 5 Vorstellungen gehabt, und wenn sie am Ende starb, habe ich ständig eine Gänsehaut bekommen. Das ist unglaublich. Das kann kein Mensch ohne Gefühle machen. Natürlich gehe ich dann auch mit ihr mit. Wenn man neben einer so tollen Künstlerin steht, gibt man selbst auch alles. Man hat einen grossen Respekt, du dieser Respekt gibt einem Kraft. Eine erste grosse Partie war im Wiener Konzerthaus »Beatrice di Tenda« mit Steinberg. Dort hatte ich noch sehr Angst; jetzt mit der Zeit ist es zwar immer noch Respekt, aber nun ich erwachsener, professioneller geworden. Inzwischen bespreche ich fast immer meine Pläne mit ihr, und sie gibt mir wirklich gute Ratschläge.
Und es macht Ihnen keine Probleme, neben so einem Star in der Oper die Mezzo-Partie zu singen, sozusagen nur 2. Geige zu spielen?
Ja, aber der Mezzo muss immer diese Frauen begleiten! Ich begleite gerne, schliesslich war ich Instrumentalistin.
Sie würden also auch nicht daran denken, später einmal selbst in den Sopran-Bereich zu wechseln?
Jetzt kommt so etwas natürlich nicht in Frage. Ich habe zwar auch relativ hohe Töne in meiner Stimme, die hohe Lage ist sozusagen nicht begrenzt. Aber ich denke, ich bin ein Mezzo!
Fühlen Sie so etwas wie Konkurrenz, wenn Sie erleben, wie eine Fach-Kollegin wie Cecilia Bartoli, mit der Sie ja auch schon zusammengearbeitet haben, so sehr in den Medien präsent ist?
Ja - ich schätze sie sehr. Sie ist sehr musikalisch und eine starke Persönlichkeit. Ich finde es nur positiv, wenn sie die Möglichkeit hat, in die Medien zu kommen. Heutzutage gibt es sicher ein paar sehr gute Mezzosopranistinnen, und es werden auch sehr gute neue kommen. Es gibt eben nicht nur einzelne, die gut sind. Aber für das Publikum sind die Medien sehr wichtig; es denkt dann: die macht Schallplatten, also ist sie die Beste.
Gerade als junger Mensch ist man sehr in Versuchung, Plattenverträge anzunehmen, die vielleicht nicht gerade förderlich sind ...
... da muss man sehr aufpassen. Und das Gefährlichste bei allem ist: wenn man etwas aufnimmt, muss man das nachher auch auf der Bühne zeigen. Alle erwarten das. So muss man also sehr gut überlegen, was man aufnimmt. Vor Publikum gibt es dann keine Kompromisse. Natürlich ist jeder von uns froh, wenn er Publicity haben kann. Das hilft einem ja auch.
Sie haben zunächst bei Nightingale aufgenommen, haben nun einen Exklusiv-Vertrag bei BMG. Was umfasst dieser Exklusiv-Vertrag?
Er umfasst Opern, aber auch Lieder, verschiedene Sachen. Und ich bin sehr froh, weil ich mit BMG Sachen machen kann, die ich will. Aber es sind nicht nur meine Wünsche; die Ideen passen einfach zusammen. Wir verstehen uns gut, was das Repertoire angeht.
Bleiben Sie trotzdem noch frei für andere Projekte?
Natürlich. - Natürlich muss man mit der Firma sprechen.
Die Frage drängt sich auf, was aus den Plänen zu weiteren Opern-Einspielungen mit der Gruberova wird, deren eigens gegründete Platten-Label Sie ja gerade erst verlassen haben.
Ja, natürlich. Aber man kann ganz ruhig mit den Leuten von der BMG sprechen, ich habe einen guten Kontakt zu ihnen.
Wie fiel die Wahl für Ihre erste Solo-Platte gerade auf das französische Repertoire?
Das war eine Idee von BMG. Sie haben das vorgeschlagen, und ich habe natürlich akzeptiert. Zudem ist es eine Musik, die mich sehr interessiert. Sie liegt irgendwie in meinem Charakter. Schauen Sie, ich habe ein Schicksal: ich komme aus Bulgarien. Ich singe nie in meiner Sprache, das ist ganz klar. Ich liebe französische Musik. Aber es gibt eben Leute, die sagen: sie kommt aus Bulgarien, also muss sie auch ein entsprechendes Fach singen. Natürlich gibt es eine typisch italienische oder deutsche Musik. Aber die Musik ist nicht etwas, das begrenzt ist. Es heisst oft, nur italienische Sänger sollten italienische Opern singen, aber entscheidend ist doch, dass man versteht, was man singt. Jeder versteht die Worte, aber nicht unbedingt das, was zwischen den Noten steht. Und das ist etwas, das man nicht lernen kann, entweder man hat es oder nicht. Ich habe sehr um mein Image gekämpft. Viele assoziieren mit den Sängern aus dem Ex-Ostblock sofort dramatische Sachen, ich weiss auch nicht warum. Und ich wollte immer zeigen, dass wir auch Belcanto, auch Rossini machen können. Trotzdem gab es für mich immer ein bisschen dieses Image-Problem, und man leidet manchmal. Aber jetzt bin ich weit weg von diesen Sachen.
Hatten Sie von Anfang an diese Leichtigkeit für Koloraturen in der Stimme, oder mussten Sie daran intensiver arbeiten?
Die habe ich immer gehabt. Ich denke, Koloratur in der Stimme kann man verbessern, aber erlernen? Das ist fast unmöglich. Koloraturen zu machen, ohne sie zu „haben", das geht nicht. Es ist ein Talent.
Wie halten Sie es mit stilistischen Fragen; arbeiten Sie z.B. nur mit eigenen Strophenvariationen oder Verzierungen bei Kadenzen oder mit denen anderer?
Mit der Zeit bekommt man eine Phantasie für die Koloraturen. Wenn man ein paar solche Rollen singt, bekommt man auch Ideen. Ich habe in Wien mit Giancarlo Andretta, einem tollen Pianisten, der jetzt auch Dirigent ist, viel Koloraturen gemacht und darüber gesprochen.
Wenn Sie eine Rolle beherrschen, probieren Sie also nach und nach Alternativ-Kadenzen aus. Spontane Entschlüsse gibt es demnach nicht?
Nein, aber man muss auch manchmal eine gewisse Improvisation machen können. Das passiert manchmal auf der Bühne, z.B. durch ein anderes Tempo. Man muss Phantasie haben und sofort reagieren.
Es ist zwar immer noch relativ selten, aber die Hosen-Rollen, die sie singen, werden doch immer wieder auch von Männern gesungen, von Counter-Tenören. Empfinden Sie das als Bereicherung oder eher als vergeblichen Versuch, authentisch zu sein, da das „originale" Klangbild eines „Kastraten" nicht mehr erreicht werden kann.
Ein guter Counter-Tenor würde es sicher machen können. Es ist immer die Qualität wichtig. Ich akzeptiere das.
Es gibt ja beim »Idomeneo« eine von Mozart selbst nachkomponierte Fassung, in der die ursprünglich für einen Kastraten geschriebene Rolle des Idamante von einem Tenor gesungen wird. Dadurch verschiebt sich aber insbesondere in den Duetten und Terzetten vieles vom Spannungsfeld der Stimmen.
Es ist immer wichtig, was die Stimmen für Farben haben. Es gibt Mezzos, die haben nicht genug Farbe in der Stimme, so dass alles gleich klingt. Wenn eine Stimme verschiedene Farben bietet, geht es. Aber in einem Terzett müssen eben die Stimmen auch sehr gut zueinander passen. Für Mozart ist dieser Zusammenklang sehr wichtig, und bei einem Counter-Tenor ist es z.B. ganz oft so, dass er sich mit dem Sopran reibt.
Der Regisseur dieses »Idomeneo« hat sich auf das Prinzip der Opera Seria gestützt und sich sehr auf die Sänger konzentriert, auf jedes Beiwerk verzichtet. Sie sagten vorhin, Sie wären mehr für Bewegung ...
... »Idomeneo« muss man wahrscheinlich so machen. Es ist eine sehr schwere Oper ... Und genau richtig für Italien, würde ich sagen. Jonathan Miller ist ein sehr intelligenter Mann, der genau weiss was er macht.
Sie sprechen ja schon sehr gut deutsch; wann führt Sie Ihre Richtung auch zu den deutschen Hosenrollen?
Ja ... ich möchte wahnsinnig gern den »Rosenkavalier« machen!! Der »Rosenkavalier« ist so wahnsinnig schön ! Ich liebe die deutsche Oper!
Insbesondere Strauss oder auch andere?
Strauss, ja, aber ich liebe auch Wagner-Opern. Ich singe sie natürlich nicht. Beim ersten Mal, als ich Wagner gehört habe, hatte ich ein bisschen Schwierigkeiten. Wagner muss man wirklich ein paar Mal hören - und zwar mit guten Leuten!
Gibt es weitere Rollen, die sie im Moment noch nicht angehen können, aber irgendwann unbedingt singen wollen?
Ja, ... ja. ... Aber ich spreche lieber langsam über das, was ich jetzt machen werde, z.B. den Romeo in »I Capuleti e i Montecchi«.
Der ist ja bereits geplant ...
Ich spreche ja auch eher über das im Moment Mögliche. Natürlich: »Rosenkavalier« und Belcanto, „leichtere" Koloraturen, was natürlich nicht im professionellen Sinn gemeint ist. »Tancredi« habe ich gerade aufgenommen, und ich möchte das auch unbedingt richtig auf der Bühne machen. Später möchte ich natürlich »Carmen« versuchen, aber jetzt singe ich erstmal »Werther«. Ich möchte auch gerne »Favorita« machen, aber immer alles sehr langsam. Mich haben schon viele Dirigenten nach diesen Rollen gefragt, aber ich bin sehr vorsichtig.
Denken Sie noch nicht an den für Mezzos auch sehr ergiebigen Bereich der Barock-Musik?
Ja schauen Sie, es kommt immer darauf an, mit wem ... Das klingt jetzt sicher wie eine Schablone, die jeder Sänger in einem Interview sagt, aber das ist schon sehr wichtig. Händel würde ich schon sehr gerne machen, der hat sehr schöne Sachen geschrieben.
Leider kommen Sie nach der momentanen Planung in diesem Jahrtausend nicht mehr nach Hamburg ...
Nein, leider, es gab eine Idee für »Cenerentola« ... Es ist wirklich ein tolles Theater, und ich denke Hamburg und München sind die beiden besten Opernhäuser in Deutschland. Das weiss ich zumindest von Kollegen.
Können Sie bei dem stets wachsenden Ruhm Beruf und Privatleben noch akzeptabel verbinden?
Ja; aber es ist nicht einfach, mit einem Sänger zu leben. Ich meine vor allem: wir Künstler sind schwierig! Mein Mann hilft mir sehr und spricht viel mit dem Management. Gott sei dank ist er kein Künstler! Ich muss auch sagen, fast alle Freunde von mir sind keine „Künstlerischen". Ich möchte in meiner freien Zeit nicht nur über Musik sprechen; man muss auch ein bisschen das normale Leben fühlen. Und Künstler sprechen mehr oder weniger nur über Musik.
„Ressentir ce qui convient à la voix"
Depuis quelque temps déjà, le mezzosoprano chaud et timbré de la jeune cantatrice bulgare Vesselina Kasarova a emporté les cœurs des mélomanes. L'enregistrement en français d'un CD de Chausson, Ravel, Berlioz, ainsi que l'enregistrement en duo avec Edita Gruberova ont été particulièrement remarqués. En juin dernier, elle a fait ses débuts à l'"Opernhaus" de Zurich dans le rôle de Charlotte du "Werther" de Massenet, un important rôle de mezzo dans le répertoire français et une partie qui lui convient comme un gant. Les 8 et le 14 décembre prochain, Vesselina Kasarova chantera Rosine dans le "Barbier de Séville" à l'Opernhaus de Zurich. Le 30 décembre, elle participera sur cette même scène à une soirée de Lieder en compagnie d'Edita Gruberova. La reprise de "Werther" est prévue pour la saison 97/98. Entretien.
Vesselina Kasarova, la partie de Charlotte a été pour vous un début. Vous vous êtes ainsi conquis un autre rôle important du répertoire français. Quelles sont les particularités de cette partition et où se trouvent ses difficultés ?
Ce rôle offre une palette incroyablement vaste de possibilités d'expression ; c'est un rôle qui permet à une cantatrice d'utiliser tous les registres et de montrer toutes les facettes de sa voix ; on y trouve des parties lyriques, dramatiques, romantiques. Ce qui rend l'interprétation plus aisée pour une jeune cantatrice. Côté voix, je me sens très à l'aise danc ce rôle ; côté performance physique, la partie est très exigeante ; au troisième acte, par exemple, Charlotte est presque constammant présente. De plus, pour moi, le personnage présente également un défi du point de vue psychique.
Francisco Araiza, votre partenaire, a déjà interprété Werther plusieurs fois ; par contre, Franz Welser-Möst, le chef d'orchestre, travaille cette œuvre pour la première fois. Ces conditions de travail très différentes ont-elles été pour vous un avantage, un enrichissement ?
Pour moi, cette situation a été extrêmenment positive. Je trouve très agréable de travailler avec Araiza, qui n'est pas simplement un musicien hors-pair, mais aussi un artiste lyrique intelligent et capable de nuances très subtiles ; en outre, il est non seulement un collègue très pertinent, mais aussi et surtout un remarquable partenaire. A mon avis, un Werther idéal.
Le travail avec Welser-Möst a également été extrêmement postitif. C'est un jeune chef, plein d'idées, ouvert à toutes suggestions. Il se met à la place des artistes avec beaucoup de facilité ; il perçoit comment ces derniers se sentent à l'aise. C'est plus particulièrement dans les éléments dyamiques qu'il nous a été d'un soutien important. Malgré son jeune âge, je le considère comme une personnalité musicale très mûre et j'espère bien à l'avenir pouvoir travailler à nouveau avec lui. Le travail que nous avons fourni pour "Werther" nous a prouvé que nous avions de nombreuses "affinités d'esprit".
Charlotte, jeune femme partagée entre deux hommes, se sacrifie pour le devoir et la vertu. Comment ressentez-vous cette image de la femme, vous qui êtes jeune et indépendante.
C'est exact : Charlotte est une victime ; elle est prisonnière de sa situation. La mort de Werther entraîne sa propre mort, si ce n'set corporelle, du moins spirituelle. Même si je n'ai, bien entendu, rien vécu de semblable, le rôle correspond à mes propres sentiments, et ce notamment, grâce à la musique. Je sens que les émotions exprimées correspondent en grande partie aux miennes. C'est un rôle idéal pour une jeune mezzo tant du point de vue de la voix, qu'à travers l'échelle des sentiments. Il me convient à un point tel que j'ai vraiment dû me retenir à certains moments pendant les répétitions pour ne pas pleurer. C'est exatement ce que je veux dire quand je parle de poids psychique : le sort de Charlotte me touche beaucoup.
Vous vous consacrez souvent au répertoire français, vous avez enregsitré Chausson, Berlioz, Ravel. D'où provient cette affinité avec le répertoire français ?
Il est vrai que j'ai une préférence prononcée pour la musique française. Le répertoire français pour mezzo-soprano est parmi les plus riches. Ce qui me fascine spécialement, c'est la couleur, l'élégance, le parfum. Il va sans dire que le répertoire italien est plus approprié au chant. Mais c'est quand-même une question de travail. Il faut veiller à ce que l'articulation n'influence pas le ton. Mais, c'est surtout une question de technique. Pourtant bien que le répertoire français soit à cet égard plus compliqué, c'est un préjugé que d'affirmer qu'il est moins approprié à la voix.
Outre l'opéra, vous vous consacrez également aux Lieder dont vous allez sous peu publier un disque. Le lied a-t-il pour vous une signification particulière ?
Le lied est à mes yeux une sorte de pierre de touche. A l'opéra, il est parfois possible de tricher, si vous me permettez l'expression. L'interprétation de Lieder est ouverte est claire, on entend chaque petite nuance, il est impossible de se cacher. J'ai d'abord été pianiste et en tant que telle, j'ai souvent eu l'occasion de travailler avec des cantatrices. Mon dernier enregistrement avec Edita Gruberova m'a aussi conforté dans ce sens. Travailler avec cette artiste lyrique a été pour moi une chance fantastique. Cette musicienne maîtrise sa voix d'une manière phénoménale, tout en étant capable d'exprimer chaque nuance. C'est là un objectif que je me suis également fixé. Je ne veux pas la copie, mais apprendre d'elle - et d'autres. Il ne s'agit pas seulement pour moi de produire des sonorités agréables à entendre, mais de reproduire un contenu - sentiments et expressions - à l'aide d'harmonie, de manière à ce que le texte puisse être compris au-delà du langage.
Y a-t-il des rôles que vous rêvez d'interpréter un jour ?
Mes prochains rôles seront ceux de Sesto dans le "Titus de Mozart" et de Roméo dans "I Capuleti e i Montecchi", deux personnages que je me réjouis beaucoup d'interpréter. Je suis également très attirée par le Tancrède de Rossini. Et comme chaque mezzo, je rêve d'interpréter un jour Carmen. Pour moi, ce personnage n'est pas une femme brutale voire primitive. Elle consciente d'elle-même, elle sait qu'elle peut séduire presque tous les hommes. Pourtant, elle n'a rien d'ordinaire, même si elle a trop souvent été interprétée de cette manière. Pour moi, c'est un défi tendant que de traduire ce mélange de fierté et de confiance en soi et d'avoir l'impression d'être totalement livrée à ses propres sentiments et à Eros. Mais, pour cela, il me faut encore attendre quelques années. De plus, j'aimerais travailler ce rôle en vue d'une première, parce qu'alors, on accorde suffisamment de temps au travail d'ensemble et il ne s'agit pas seulement de s'intégrer dans une production déjà prête.
Je ne veux rien faire à la va-vite. Ma voix doit se préparer lentement pour un nouveau répertoire ; nous connaissons suffisamment d'exemples négatifs d'artistes qui se sont laissés imposer une partie trop tôt. Je n'aime pas non plus que l'on compare la jeune génération de chanteurs à la génération antérieure. Que celle-ci ou celle-là ait déjà chanté Octavian à tel ou tel âge, qu'est-ce que cela peut bien vouloir dire, je vous prie ? C'est en premier lieu une question d'évolution individuelle et dépend le plus souvent de circonstances purement extérieures - telles qu'engagement, chef d'orchestre, etc ... Il n'est pas toujours facile de refuser, mais je ne veux pas aller à l'encontre de la "volonté de ma voix". C'est pour cela que je reviens toujours à Mozart, que je contrôle, par exemple, à l'aide des deux arias de Cherubino, si ma voix possède toujours la légèreté nécessaire. C'est clair, que cela finira bien un jour, mais Mozart reste le compositeur idéal pour polir une voix.
Il y a un autre problème : à mon avis, les artistes lyriques d'aujourd'hui sont confrontés à des exigences de plus en plus fortes concernant la présentation extérieure, le talent et la présence sur scène. Aujourd'hui, tout est plus dynamique, plus compétitif. L'intensité et la concentration nécessaires sont énormes, et à tous les niveaux. La scène moderne est plus libre, plus ouverte, plus vide même et c'est à l'artiste de la combler grâce à sa personnalité, à ses expressions. L'intérêt du public se concentre sur chacune des caractéristiques de l'artiste : ses qualités autant que ses faiblesses ou ses manies. Ce qui nécessite des nerfs solides et un contrôle de soi permanent.
„Spüren, wo's der Stimme wohl ist"
Die junge bulgarische Sängerin Vesselina Kasarova hat die Melomanen mit ihrem warm timbrierten Mezzosopran längst für sich eingenommen. Besondere Beachtung fanden ihre CD mit französischer Musik von Chausson, Ravel, Berlioz und eine Duettaufnahme mit Edita Gruberova. Am Zürcher Opernhaus debütierte sie im letzten Juni in der Rolle der Charlotte aus Massenets «Werther», einer grossen Mezzo-Rolle aus dem französischen Repertoire und einer Partie, die ihr auf den Leib - und ins Herz! - geschrieben zu sein scheint. Am 8. und am 14. Dezember wird Vesselina Kasarova die Partie der Rosina aus Rossinis «Barbiere» im Opernhaus Zürich singen. Am 30. Dezember findet ebenda ein Liederabend mit Edita Gruberova statt. Die Wiederaufnahme des «Werther» mit der Sängerin ist für die Saison 97/98 geplant. Begegnung.
Vesselina Kasarova, die Partie der Charlotte war ein Debüt für Sie. Sie erschlossen sich damit eine weitere wichtige Rolle des französischen Reperoires. Wo und allenfalls welcher Art sind die Schwierigkeiten oder Besonderheiten dieser Partie?
Die Rolle bietet ein unerhört breites Feld an Ausdrucksmöglichkeiten; eine Rolle, die einer Sängerin erlaubt alle Register auszuloten und alle Facetten ihrer Stimme zu zeigen; da sind lyrische Partien, dramatische, romanische. Das ist natürlich für jede Sängerin eine dankbare Sache, vor allem aber für eine junge. Stimmlich fühle ich mich sehr wohl; obwohl die Partie eine grosse Anforderung an die physische Leistung - im dritten Akt ist Charlotte fast pausenlos präsent - und für mich auch eine psychische Herausforderung darstellt.
Francisco Araiza als ihr Partner hat den Werther schon mehrmals verkörpert; Franz Welser-Möst, der Dirigent, dagegen erarbeitet das Werk neu. Waren diese gegensätzlichen Bedingungen für Sie ein Vorteil, eine Bereicherung gar?
Die Situation war für mich äusserst positiv. Ich arbeite ausgesprochen gern mit Araiza zusammen, der nicht nur ein Vollblutmusiker, sondern auch ein intelligenter, differenzierter Sänger ist; und mehr noch: ein feiner Kollege, ein Partner. Nach meinem Dafürhalten ein idealer Werther.
Auch die Arbeit mit Welser-Möst war sehr bereichernd. Er ist ein junger Dirigent, der voller Ideen, aber auch offen für die Anregungen anderer ist. Er kann sich ausgezeichnet in die Rolle der Sänger versetzen; er spürt, wo sich die Sänger wohl fühlen. Gerade im Dynamischen war er uns allen eine grosse Stütze. Ich empfinde ihn trotz seiner Jugend als sehr reife Musikerpersönlichkeit und hoffe sehr, dass ich auch künftig mit ihm zusammen arbeiten kann. Die Arbeit am «Werther» hat uns gezeigt, dass wir eigentlich mit denselben Gefühlen und Auffassungen ans Werk gingen ... eine Art von «Seelenverwandtschaft».
Charlotte ist eine junge Frau zwischen zwei Männern, die sich für die Pflicht und die Tugend aufopfert. Wie kommen Sie als junge, eigenständige Frau mit diesem Frauenbild zurecht?
Das ist richtig: Charlotte ist ein Opfer, eine Gefangene ihrer Situation. Mit dem Tod Werhers stirbt auch se, nicht körperlich, sondern seelisch. Auch wenn ich natürlich nichts derartiges erlebt habe, entspricht mir die Partie gefühlsmässig, und zwar vor allem über die Musik. Ich fühle, dass da sehr viel von dem ausgedrückt wird, was ich empfinde. Die Partie ist nicht nur vom stimmlichen, sondern auch von der Gefühlsskala her ideal für eine junge Mezzosopranistin. Sie entspricht mir so sehr, dass ich mich auf den Proben bei gewissen Stellen richtig zusammennehmen musste, um nicht zu weinen - und genau das meine ich mit der erwähnten psychischen Belastung: Charlottes Schicksal geht mir sehr nahe.
Sie beschäftigen sich häufig mit dem französischen Repertoire, haben Chausson, Berlioz, Ravel aufgenommen. Woher diese besondere Affinität zum französischen Repertoire?
Es ist richtig, dass ich eine grosse Vorliebe für die französische Musik habe. Das französische Repertoire für Mezzosopranistinnen ist eines der reichsten. Was mich daran so besonders fasziniert, ist die Farbigkeit, die Eleganz, das Parfum. Zweifellos bietet sich das italienische für den Gesang stärker an. Es ist jedoch eine Frage des Studiums; das Französische ist in dieser Beziehung etwas komplizierter, aber es ist ein Vorurteil, dass es weniger ideal für den Gesang sei. Man muss sehr darauf achten, dass die Artikulation die Tongebung nicht beeinträchtigt, und das ist lediglich eine Frage von Arbeit und Technik.
Sie pflegen neben der Oper auch intensiv den Liedgesang. Nächstens wird eine Platte mit deutschen Liedern von ihnen erscheinen. Das Lied hat für Sie eine besondere Bedeutung?
Das Lied ist für mich etwas wie ein Prüfstein. In der Oper kann man sich manchmal ein bisschen durchschummeln, wenn ich das so formulieren darf. Bei der Liedinterpretation ist alles klar und offen, da hört man jede Kleinigkeit, da ist kein Verstecken möglich. - Dazu kommt, dass ich zuerst Pianistin war und viel mit Sängern gearbeitet habe. Auch meine jüngste Aufnahme mit Edita Gruberova hat mich auf diesem Weg bestätigt. Es war für mich eine grossartige Chance, mit dieser Sängerin zu arbeiten. Sie ist eine Musikerin, die ihre Stimme nicht nur phänomenal beherrscht, sondern damit auch jede Regung ausdrücken kann. Ein Ziel, das auch ich mir gesetzt habe. Ich will sie nicht kopieren, aber von ihr - und von anderen - lernen. Es geht mir nicht nur darum, schöne Töne zu produzieren, sondern Inhalt - Gefühle und Empfindungen - durch Klang wiederzugeben, so dass der Text über das Sprachliche hinaus verständlich wird.
Gibt es für Sie Traumrollen, auf die sie gezielt hinarbeiten?
Als nächstes werde ich Sesto in Mozarts «Titus» machen und den Romeo in Bellinis «I Capuleti e i Montecchi», beides Wunschpartien. Auch Rossinis Tancredi auf der Bühne würde mich reizen. Und natürlich möchte wohl jeder Mezzo einmal die Carmen singen. Ich empfinde diese Gestalt nicht als brutale oder gar primitive Frau. Sie ist selbstbewusst, weiss, dass sie fast alle Männer haben kann, aber sie ist nicht ordinär, obwohl sie bisweilen so dargestellt wird. Für mich eine spannende Herausforderung, diese Mischung von Stolz, Selbstbewusstsein und Ausgeliefertsein an Gefühl und Eros darzustellen. Aber erst in ein paar Jahren. Und ich möchte sie als Première erarbeiten, wo man sich also genügend Zeit für die Ensemblearbeit nimmt und nicht in eine fertige Produktion hineinspringen muss.
Ich möchte überhaupt nichts auf die Schnelle machen. Meine Stimme muss sich das neue Repertoire langsam erarbeiten; wir kennen genügend Beispiele von Sängern, die sich zu schnell in zu schwere Partien drängen liessen. Ich mag es auch nicht, wenn wir Jungen immer mit der älteren Generation verglichen werden. Die und die hat in diesem Alter schon den Octavian gesungen, bitte, was heisst das? Erstens ist es eine Frage der individuellen Entwicklung und fast noch stärker der rein äusserlichen Umstände - Engagement, Dirigent usw. Es ist nicht immer leicht, nein zu sagen, aber ich will nicht gegen meinen ‹Willen von Stimme› arbeiten. Darum gehe ich immer wieder zu Mozart zurück, prüfe zum Beispiel an den beiden Cherubino-Arien, ob meine Stimme noch die nötige Leichtigkeit besitzt. Klar, dass dies einmal vorbei sein wird, aber Mozart ist immer wunderbar zum Polieren der Stimme.
Ein weiteres Problem ist, dass von den heutigen Sängern nach meinem Empfinden grössere Anforderungen an die äussere Erscheinung, an die Spielbegabung und Bühnenpräsenz gestellt werden. Heute ist alles dynamischer, sportlicher. Die Belastung und die Ansprüche an die Konzentration auf mehreren Ebenen sind enorm. Die moderne Bühne freier, offener, leerer, und diese muss der Sänger dann mit seiner Persönlichkeit, seinem Gefühl füllen. Das Interesse des Publikums konzentriert sich auf jede Einzelheit des Sängers, aber auch auf eine allfällige Schwäche oder Marotte. Das erfordert gute Nerven und eine ständige Kontrolle.
Singen ist schwerer als gedacht
Für die 31jährige Mezzosopranistin Vesselina Kasarova war Wien das Sprungbrett zur Weltkarriere. In Salzburg, wo sie heuer die Zerlina singt, wird sie 1997 in der Neuproduktion von „Mitridate" mitwirken.
Von Sängern hatte Vesselina Kasarova zunächst keine gute Meinung. Als Musikstudentin mit Hauptfach Klavier kam sie öfters mit solchen in Kontakt. Sie hielt sie für unmusikalisch und dachte, Singen sei viel leichter als das Spielen eines Instruments. Doch seit Kasarova die Fronten gewechselt hat, weiss sie es besser: „Die Stimme ist wahrscheinlich das am schwersten zu beherrschende Instrument. Die Abläufe im Körper sind kompliziert. Ausserdem spielt auch das seelische Empfinden eine grosse Rolle. Ich habe jetzt viel mehr Respekt vor Sängern."
Vesselina Kasarova stammt aus Bulgarien. Schon im Alter von vier Jahren begann sie Klavier zu spielen und absolvierte zunächst eine Ausbildung als Konzertpianistin. Anstatt jedoch diese Laufbahn dann auch einzuschlagen, studierte sie in Sofia Gesang. An der Nationaloper der bulgarischen Hauptstadt erhielt sie ihr erstes Engagement, dem 1989 eines in Zürich folgte. Entscheidend wurde für die junge Mezzosopranistin aber schliesslich die Wiener Staatsoper.
Dort gelang ihr im September 1991 - dies war die erste Saison der Direktion Waechter/Holender - als Rosina in Il barbiere di Siviglia der grosse Durchbruch. In Ioan Holenders neuem Ensemble nahm Vesselina Kasarova von da an einen wichtigen Stellenwert ein. Doch auf Dauer konnte der entdeckungsfreudige Staatsoperndirektor die erfolgreiche Sängerin nicht halten: „Im Ensemble kann man keine optimale Karriere machen. Wenn sich einem jungen Sänger daher die Möglichkeit bietet, anderswo zu gastieren, sollte er diese Chance unbedingt nutzen."
Kasarova hat sie genutzt. Die 31jährige zählt heute zu den gefragtesten Mezzos ihrer Generation und gastiert an vielen ersten Bühnen. Auch mit der Staatsoper schliesst sie seit zwei Jahren nur mehr Gastverträge ab.
Doch der Erfolg birgt Risiken, setzt junge Sänger unter Druck. Im Falle Kasarovas ist es ihr bulgarisches Image, gegen das sie anzukämpfen hat. „Viele glauben, ein slawischer Mezzo sei automatisch für dramatische Partien geeignet", klagt sie über die Verständnislosigkeit mancher Intendanten. Selbst grosse Dirigenten sitzen diesem Irrtum auf. Einer wollte sie unbedingt als Azucena, ein anderer als Amneris haben. „Da muss man stark sein und nein sagen können. Solange es geht, möchte ich Mozart und Rossini singen. Ich bin mit meinem lyrischen Fach vollauf zufrieden."
Die bisher dramatischste Partie in ihrem Repertoire ist die Giovanna Seymour in Donizettis Anna Bolena. Die hat sie vor einem Jahr an der Seite Edita Gruberovas in München erstmals gesungen. „Es kommt immer auch darauf an, wer die Partner sind. Beherrschen diese eine Pianokultur, dann kann man sich auf solche Dinge einlassen, weil man daneben nicht forcieren muss."
In Zukunft möchte Vesselina Kasarova ihr Repertoire behutsam in Richtung Belcanto erweitern. Die Adalgisa in Bellinis Norma hat sie schon in Zürich gesungen, in Paris wird demnächst der Romeo in Bellinis Shakespeare-Vertonung folgen.
Meine slawische Seele
Opernfestspiele: Interview mit Vesselina Kasarova
Ihr Münchner Debüt hat sie noch in bester Erinnerung. Alles beruhte auf einem Missverständnis: Sie war auf zwei Arien eingestellt und erfuhr dann in letzter Minute, dass sie einen ganzen Abend, 90 Minuten allein gestalten sollte. „Ich packte mein Kleid und mein Mann sämtliche Klavierauszüge. Wir fuhren nach Wien aus im Taxi nach München, weil es keinen Flug mehr gab, und die Taxlerin kannte sich in München nicht aus. Als wir endlich im Herkulessaal ankamen, strömten die Leute bereits hinein ..."
Vesselina Kasarova steht der Schrecken noch heute auf der Stirn. Doch schon damals im März 1992 eroberte sie die Herzen der Münchner im Sturm. „Gott hat mir geholfen - und meine slawische Seele. Ich bin stark. Vielleicht das einzig Positive, was der Kommunismus bewirkt hat. Die Angst sorgte für Disziplin", gesteht die 31jährige aparte Bulgarin.
Seit jenem denkwürdigen Abend hat sich einiges geändert. Mittlerweile geht es bei ihren
Münchner Auftritten weniger hektisch zu. An der Bayerischen Staatsoper behauptet sie sich in der Rolle der Jane Seymour als höchst gefährliche Gegenspielerin Edita Gruberovas in Donizettis „Anna Bolena". Die nächsten Vorstellungen: diesen Sonntag und kommenden Donnerstag, 11. Juli, jeweils 19 Uhr, im Nationaltheater.
Und Mozarts Sextus im „Titus" hat sie bereits für Mai 1999 im Visier. Zuvor wird sie die Partie bei den Salzburger Festspielen singen, wo sie bereits 1991 als Annius in der gleichen Oper debütierte.
Auch heuer ist der Mezzosopran wieder in Salzburg zu hören: als Zerlina in Mozarts „Don Giovanni". Sie sang Masettos Braut bereits im Vorjahr und erinnert sich an die Proben mit Patrice Chéreau: „Die ersten acht Tage waren schrecklich. Er ist so ungeduldig. Aber dann ..." (die Kasarova strahlt) - „er ist ein Genie".
Sie liebt es, auf der Bühne nicht bloss herumzustehen, und schwärmt ebenso von der Zusammenarbeit mit Karl und Ursel Herrmann beim Salzburger „Titus" und bei „Ombra Felice": „Ich denke nicht, ich muss schön sein auf der Bühne. Der Ausdruck muss stimmen. Oper - das ist Theater."
Bei Vesselina Kasarova spürt man die Freude am Spiel. Nicht umsonst schlüpft sie - fachgemäss - so freudig in die Hosenrollen. „Ich singe gern Männer. Das verlangt eine besondere Ästhetik, reduzierte Gesten. Und ich laufe nie Gefahr, auch nur ein bisschen ich selbst zu sein."
Trotzdem geniesst die natürlich-bescheidene, temperamentvolle Sängerin es, wenn sie einen charmanten Partner hat. Bei ihrer jüngsten Premiere, Massenets „Werther" in Zürich, war es Francisco Araiza. „Er war ein wunderbarer Werther für mein Rollendebüt als Charlotte. Er spielt mit Eleganz und ist ein Gentleman."
Alle Mozarts, natürlich Rossini, Donizetti und auch Bellini, schliesslich die Händel-Partien möchte die Kasarova in der nächsten Zeit singen. In zehn, fünfzehn Jahren sollen es die „Carmen" und „La Favorita" sein, dann Verdis Eboli und die Franzosen. „Ein Sänger muss langsam reifen für das dramatische Fach. Er lernt dabei hauszuhalten, eine Partie ökonomisch aufzubauen, so wie der Komponist sie geschrieben hat, mit Piano und Mezzavoce und nicht nur Forte."
Vesselina Kasarova, die als Fünfjährige mit dem Klavierunterricht begann und in ihrer Gymnasialzeit jeden Tag eine Stunde mit ihrer Klavierlehrerin arbeitete, geht noch heute als Pianistin an ihre Gesangspartien heran: „Ich denke immer zuerst: Wie würde ich das spielen? Für viele Sänger gibt es keinen Unterschied zwischen Bach, Mozart und Rossini. Aber auch ein Sänger muss Musiker sein. Nur Stimme - das reicht nicht."
Für die sympathische junge Künstlerin gehören auch „Seele" und Respekt vor den Kollegen dazu. „Man darf nicht egoistisch werden und muss selbstkritisch bleiben", meint Vesselina Kasarova, deren Mann Roger - ein Schweizer Ökonom - ihr ehrlichster Kritiker ist: „Wenn er sagt, es war nicht so gut, dann tut das wirklich weh. Natürlich liebe ich die negative Kritik nicht, aber man muss sie ertragen. Auch die gedruckte."
Dem Lied, speziell dem deutschen, wird sie sich ab 1997 verstärkt zuwenden. In Zürich, wo sie lebt, wird sie Schubert, Schumann und Brahms - „für Wolf ist es noch zu früh" - ausprobieren, bevor sie im März '97 damit nach München kommt. Im gleichen Jahr wird sie in München zusammen mit der Gruberova Duette aufnehmen und mit Sir Colin Davis und der Dresdner Staatskapelle Mozart-Arien einspielen. Bereits in diesem Herbst kommt „Tancredi" mit dem Bayerischen Rundfunkorchester heraus.
Und irgendwann will Vesselina Kasarova dann auch an ein Baby denken: „Schliesslich ist das doch das Wichtigste im Leben."
Vesselina Kasarova: „Singen ist eine direkte Äusserung des Körpers"
Vorm Konzert: Gespräch mit der Mezzo-Sopranistin
Am Rosenmontag und Faschingsdienstag singt „Shooting Star" Vesselina Kasarova bei den von der Berliner Morgenpost präsentierten „Pop & Proms"-Konzerten im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. Wir sprachen mit der bulgarischen Mezzo-Sopranistin.
1989 war für Sie ein wichtiges Jahr. Sie feierten Erfolge am Züricher Opernhaus, Sie gewannen den Gesangs-Wettbewerb „Neue Stimmen" in Gütersloh. War für Sie als Bulgarin der Schritt in die westliche Opernwelt schwierig?
Das war keine einfache Zeit. Ich musste erst einmal Deutsch lernen - für uns eine recht komplizierte Sprache.
Mit vier Jahren haben Sie angefangen, Klavier zu spielen. Nach dem Konzertdiplom folgte eine fünfjährige Gesangsausbildung bei Professor Ressa Koleva an der Musikakademie in Sofia. Warum haben Sie das Klavier sein lassen?
Mit 19 Jahren fing ich an professionell zu singen. Die Oper liebte ich schon immer. Das schwierige „Instrument" Stimme hat mich ganz einfach fasziniert. Singen ist etwas ganz Besonderes. Es ist, anders als beim Spielen eines Instrumentes, eine direkte Äusserung des Körpers.
Bringt eine solide Klavierausbildung für einen Sänger Vorteile?
Auf jeden Fall! Was man im Klavierunterricht gelernt hat, etwa Phrasierung beim Vortrag von Musik Mozarts, kann für einen Sänger sehr nützlich sein.
Studieren Sie neue Stücke am Klavier ein?
Das kommt ganz auf die Musik an. Traditionelle Stücke, beispielsweise von Mozart, kann ich prima vista singen. Bei Berg hingegen ist das schon schwieriger. Ich habe kein absolutes Gehör.
Sie geben auch Liederabende. Ende des Jahres zum Beispiel im Opernhaus Zürich mit Edita Gruberová. Was reizt Sie am Liedgesang?
Wohl durch meine Ausbildung als Pianistin habe ich eine besondere Vorliebe für die Kammermusik. Das Lied ist eine Herausforderung, die ich brauche. Ich will meine Möglichkeiten ausprobieren und so den richtigen Weg finden.
Zum wievielten Male sind Sie jetzt in Berlin?
Das vierte Mal.
Wie gefällt Ihnen die Stadt?
Hier läuft wahnsinnig viel. Die Opernhäuser, die Konzerte, und auch die anderen Kulturbereiche interessieren mich. Es scheint mir wichtig, sich über sein eigenes Fach hinaus umzusehen.
Was haben Sie in der näheren Zukunft für Pläne?
Schallplatten, Opern, Liederabende - mein Terminkalender ist voll.
Wie steht es da mit der Freizeit?
Ich achte immer darauf, dass zwischen den Auftritten auch längere Pausen liegen. Besonders junge Sänger sollten darauf achten, ihre Stimme nicht zu überfordern.
Auf der Bühne kann ich alles
Die bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova
In diesem Moment steht sie als Giovanna Seymour in Donizettis Oper „Anna Bolena" in München auf der Opernbühne, im Salzburger Festspielsommer 1995 war sie als Zerlina in Mozarts „Don Giovanni" zu hören, und inzwischen liegt ihre erste Solo-CD mit Aufnahmen von französischen Orchesterliedern (Chausson, Ravel, Berlioz) vor. Ein Anlass, nach dem Werdegang von Vesselina Kasarova und ihren weiteren Plänen zu fragen.
Im südbulgarischen Stara Zagora geboren, begann Vesselina Kasarova bereits im Vorschulalter mit dem Klavierspiel. Pianistin wollte sie werden und hat dieses Ziel auch konsequent bis zum Konzertdiplom verfolgt. Daneben sang sie als Schülerin im Chor, und mit 18 wollte sie - wenn die stimmlichen Voraussetzungen es ermöglichten - das Risiko eingehen, Sängerin zu werden. Ihre Eltern waren darüber zunächst gar nicht glücklich; die Unabwägbarkeiten dieses Berufes sind bekanntermassen sehr gross, während man als Pianist, wenn man sich erst einmal Renomée erworben hat, auch beruhigt alt werden kann.
Aber Vesselina Kasarova liess sich nicht beirren und fügte ihrer zwölfjährigen Ausbildung zur Pianistin noch ein fünfjähriges Studium am Konservatorium von Sofia bei Ressa Koleva hinzu. Noch vor dem Abschluss war sie bereits mit einigen Mozart-Partien am Opernhaus in Sofia zu hören. Der damalige Intendant der Züricher Oper, Christoph Groszer, hörte sie kurz vor ihrem Abschluss und bot ihr für die Saison 1989/90 einen Zweijahresvertrag an seinem Haus an. Auch die Wiener Staatsoper war aufmerksam geworden und engagierte sie ebenfalls für zwei Jahre (1991 - 1993).
In Zürich sang sie zunächst kleinere, bald auch schon mittlere Partien (etwa Annio in Mozarts „Clemenza", Stéphano in „Roméo et Juliette" von Gounod und die Anna in „Les Troyens" von Berlioz). Im April 1994 sang sie - damals allerdings schon nicht mehr als Ensemblemitglied - die Principessa di Bouillon in Cilèas „Adriana Lecouvreur" eine Partie, von der Vesselina Kasarova anfangs glaubte, dass sie ihr zu dramatisch sein würde. Die Wertschätzung, die sie bei der Intendanz geniesst, kann man daran erkennen, dass man ihr anbot, die Partie abzugeben, wenn sie (wider Erwarten) stimmliche Probleme bekommen würde. Zwar ging alles gut, aber die Principessa ist nach Vesselina Kasarovas Meinung keine Partie, die ihr in die Stimmbänder geschrieben wurde; sie wird sie nicht mehr singen. Andere Rollen, die sie in Zürich - inzwischen an kein Haus mehr fest gebunden - mit grossem Erfolg und viel Freude singt, sind die Titelrolle in Jacques Offenbachs komischer Oper „La belle Hélène" (Dirigent: Nikolaus Harnoncourt, Inszenierung: Helmut Lohner, Kostüme: Jean-Charles de Castelbajac) und eine der anspruchsvollsten Mezzopartien des Belcanto-Fachs, die Adalgisa in Bellinis „Norma". Beide Rollen, die vom künstlerischen Anspruch nicht gegensätzlicher sein könnten, gerieten für Vesselina Kasarova zu einem persönlichen Triumph: Hier die kecke, verführerische Helena, in musikalisch federleichten Couplets, operetten-nah und heiter, dort die sich betrogen wähnende Liebende, die alle Emotionen von Hass, Liebe, Eifersucht und Enttäuschung durchlebt, aber auch Freundschaft und Verantwortung für ihre Gegenspielerin Norma und deren Kinder empfindet und schliesslich zu Versöhnung und Verzicht fähig ist. Die Züricher Oper ist für die Sängerin mittlerweile eine Art künstlerische Heimat, umsomehr, als sie inzwischen auch in der Schweiz lebt und mit einem Schweizer verheiratet ist. Es ist ein Haus, an das sie immer wieder gern zurückkehrt, zumal man dort bemüht ist, ihr Aufgaben zu bieten, die ihrem Können entsprechen, so zum Beispiel eine Wunschpartie, nämlich die Charlotte in Massenets „Werther", der für Juni 1996 geplant ist.
Nachdem sie bereits 1991 bei den Salzburger Festspielen unter Colin Davis' Leitung den Annio („Clemenza") gesungen hatte, sprang die damals Sechsundzwanzigjährige 1992 für Marilyn Horne kurzfristig ein und sang die Titelpartie in „Tancredi", der aus Anlass des 200. Geburtstags des Komponisten zweimal konzertant aufgeführt wurde. Der Einsatz, die virtuose Riesenpartie, die vor Schwierigkeiten nur so strotzt und endlose Kantilenen ebenso aufweist wie dramatische Ausbrüche, innerhalb von nur 20 Tagen zu lernen, hat sich gelohnt, denn es war der internationale Durchbruch. Die Handlung dieser „heroischen Oper", die Rossinis Ruhm einst begründete, spielt in Syrakus im Jahre 1005, wo man sich gegen die herannahenden Sarazenen zum Kampf rüstet. Die bevorstehenden militärischen Auseinandersetzungen beschleunigen den Entschluss einer Versöhnung zwischen zwei der führenden Stadtväter, wobei die Heirat der Tochter des Argirio, Amenaide, mit dem Oberhaupt der Stadt, Orbazzano, den plötzlichen Freundschaftsbund noch verstärken soll. Diese ist natürlich längst andersweitig liiert, nämlich mit Tancredi, der sich schändlich verraten fühlen muss. Rossini hat für die jeweiligen Aufführungen an den Opernhäusern von Venedig (Uraufführung: 6. Februar 1813 am Teatro La Fenice), dem Teatro Comunale von Ferrara und dem Teatro del Re, Mailand, im gleichen Jahr insgesamt drei Fassungen mit jeweils vielen Alternativarien geschrieben. Die Urfassung sieht ein lieto-fine vor, die Ferrara-Fassung ein tragisches Ende, nämlich den Tod Tancredis in der Schlacht. Marilyn Horne, die in den vergangenen Jahrzehnten eine der erfolgreichsten Sängerinnen des Tancredi war und mit deren Namen man diese Partie immer verbunden hat, konnte sich mit ihren Partnern und Dirigent Pinchas Steinberg nicht über die Wahl der aufzuführenden Fassung einigen und sagte ab, Edita Gruberova schloss sich ihr an. Das Publikum, zunächst überrascht und vielleicht auch enttäuscht, merkte bald, dass es keinen schlechten Tausch gemacht hatte. Bei allen Verdiensten als Künstlerin, insbesondere Rossini-Interpretin, ist die 1934 geborene Marilyn Horne, die inzwischen ihren Abschied von der Opernbühne genommen hat, in dieser Rolle als jugendlicher Befreier von Syrakus nicht mehr glaubwürdig. Dass die selten aufgeführte Oper musikalisch viel Substanz zu bieten hat und nicht nur an Sopran und Mezzo, sondern auch an den Tenor (Argirio) Höchstanforderungen stellt, kann jeder an der Oper Interessierte anhand der Neueinspielung des Werkes, die in diesem Herbst bei Naxos erschienen ist, nachvollziehen. Die interessantere Version, nämlich eine Aufnahme mit allen Alternativ-Arien und Vesselina Kasarova in der Titelpartie sowie Eva Mei als Amenaide und Ramón Vargas als Argirio ist bereits für RCA Red Seal in diesem Sommer produziert worden. Roberto Abbado leitete den Chor des Bayerischen Rundfunks, der als Co-Produzent fungierte, und das Münchner Rundfunkorchester. In nur zwei Wochen entstand die Aufnahme, die etwa anderthalb mal so lang wie die Normalversion sein wird. Bei der Aufnahmesitzung waren alle Solisten bestens vorbereitet, Vesselina Kasarova benötigte sehr wenige Korrekturen und Wiederholungen. Nicht nur, weil sie die Partie gründlich studiert hat, sondern auch, weil sie unermüdlich und konzentriert bei der Sache ist. Aufnahmeleiter Torsten Schreier versteht es zwar, immer wieder Mut zu machen und „nur zur Sicherheit" noch einmal wiederholen zu lassen, aber es ist nervenaufreibend, wenn bei jeder Wiederholung etwas anderes nicht stimmt: mal im Orchester, mal im Chor und mal bei den Sängern. Insbesondere der (Männer)chor des Bayerischen Rundfunks hat harte Sommerwochen mit vielen Aufführungen hinter sich. Roberto Abbado weiss um die psychologische Wirkung eines Lobs vom Chef und lässt es sich nicht nehmen, den Choristen persönlich zu danken und sie in die wohlverdienten Sommerferien zu entlassen, als ihr Part beendet ist. Aber auch die Solisten werden nach vollbrachter Arbeit mit dem verdienten Lob verabschiedet. Für Vesselina Kasarova geht es noch am gleichen Abend nach Salzburg, zu den „Don Giovanni"-Proben, der mit Ferruccio Furlanetto in der Titelpartie und Daniel Barenboim am Pult wiederaufgenommen wurde.
Das Repertoire von Vesselina Kasarova ist weitgespannt, aber nicht fachtypisch. Mozart und Rossini bilden einen Schwerpunkt, daneben französische und deutsche Oper. Sie legt Wert darauf, als lyrischer Koloraturmezzo betrachtet und nicht in allzu dramatische Partien gedrängt zu werden. An Angeboten für Partien wie Amneris oder Santuzza hat es nicht gefehlt. Abgesehen von allzu veristischen und dramatischen Partien ist es für Vesselina Kasarova oberstes Gebot, sich Vielfalt und Frische zu erhalten und sich nicht auf ein Fach festlegen zu lassen. Abwechslung und Vielfalt braucht ein Sänger, um sich die Freude am Singen zu erhalten. Sie sagt dazu: „Meine Stärke ist die Fähigkeit der individuellen Farben, je nachdem, ob es sich um Mozarts Cherubino oder Mahlers Achte handelt. Viele Sänger haben die Tendenz, alles auf die gleiche Art zu singen. Ich versuche, möglichst zu differenzieren, andere Farben hineinzubringen, so dass man den Eindruck hat, eine andere Stimme zu hören.
An der Wiener Staatsoper hat Vesselina Kasarova zwei interessante „Lehrjahre" im Ensemble verbracht, sie ist dort unter anderem in Produktionen von Rossinis „Barbiere di Siviglia" und der „Italiana in Algeri" regelmässiger Gast. Und bei einer Vorstellung des „Barbiere" ist ihr auch einmal ein „schrecklicher Fehler" unterlaufen: Sie hat zwei „Barbiere"-Inszenierungen, wobei sie in beiden die Rosina singt, miteinander verwechselt. Ein Sängergedächtnis muss ja nicht nur das Werk, sondern auch die jeweilige (oft sehr unterschiedliche) Inszenierung im Kopf haben. Damals ist der Schreck über die Panne gross gewesen, heute kann sie schon darüber lachen, und das Publikum in Wien muss nicht einmal etwas bemerkt haben, denn es war kein grosser Schnitzer: „Ich stand in Wien als Rosina auf der Bühne, und in Genf lief ebenfalls eine Produktion, in der ich die Rosina sang, aber die war völlig anders. Nach sieben Vorstellungen in Genf komme ich zurück nach Wien, um dort wieder die Rosina zu singen. Und an einer Stelle, wo ich ein Rezitativ habe, gehe ich anschliessend seelenruhig von der Bühne. Und noch während ich in Richtung meiner Garderobe gehe, höre ich die alarmierte Stimme des Inspizienten: ‚Kasarova, bitte sofort auf die Bühne!!' Und in derselben Sekunde ist mir blitzartig eingefallen, dass ich hier in Wien nicht hätte von der Bühne abgehen dürfen, das war nur in der Genfer Inszenierung so gewesen. Ich rase also zurück, es kam mir vor, als wäre ich Stunden weg gewesen, obwohl es natürlich nur ein Augenblick war. Bartolo, der einen Augenblick allein gewesen war, hatte das geschickt überbrückt, und anschliessend ging alles glatt. Aber ich habe mir geschworen, dass mir so etwas zum ersten und letzten Mal passiert ist ..."
Lampenfieber oder Ängste auf der Bühne kennt Vesselina Kasarova glücklicherweise nicht. Sie ist ein echtes Bühnentemperament - ein unschätzbarer Vorteil für einen Sänger, und zudem etwas, was man nicht lernen kann. Die Bühnensicherheit hilft ungemein, sich uneingeschränkt den musikalischen Anforderungen zu stellen. Vesselina Kasarova kann von sich sagen, dass sie sich auf der Bühne zu Hause fühlt. Wenn also das Umfeld stimmt, die Partner, die Inszenierung, und Übereinstimmung mit dem Dirigenten herrscht, dann „kann ich auf der Bühne alles! Unsicher bin ich im Leben. Auf der Bühne fühle ich mich ziemlich sicher. Das ist ein grosser Vorteil. Ich habe Kollegen gesehen, die am ganzen Körper vor Lampenfieber zittern und sich, selbst wenn sie die Rolle bestens beherrschen, nie völlig davon freimachen konnten."
In München gibt Vesselina Kasarova mit der Giovanna Seymour in Donizettis selten gespielter Oper „Anna Bolena" ihr Debüt in einer Opern-Neuinszenierung an der Seite von Edita Gruberova als Titelheldin. Roberto Scandiuzzi ist der blutrünstige Heinrich VIII., Jonathan Miller inszeniert das englische Königsdrama. Vesselina Kasarova ist hier die liebliche, duldsame Gegenspielerin der energischen, kämpferischen Anne Boleyn, deren Tod dennoch beschlossene Sache ist. Mit Fabio Luisi steht in München ein junger Dirigent am Pult, der viel Sinn für die reizvolle Melodik von Donizetti mitbringt und der sich in den letzten Jahren als Operndirigent profiliert hat. Generell hat Vesselina Kasarova die Erfahrung gemacht, dass Dirigenten oft dazu neigen, dem machtvollen Orchesterforte zuliebe einen Sänger zum Forcieren zu zwingen. „Heutzutage kann es für einen Sänger auch bei Mozart-Partien gefährlich werden. Zwar gibt es auch im dramatischen Repertoire lyrische Stellen, aber die Versuchung, die dramatische Seite eines Werkes in den Vordergrund treten zu lassen und das Lyrische ganz allgemein zu vernachlässigen, ist gross. Sänger haben oft unter dieser Tendenz bei Dirigenten zu leiden."
Dass Dirigenten auch nachtragend sein können und Absagen eines Sängers mit lebenslänglicher Nichtbeachtung „ahnden", ist nicht erst seit der Absage von Grace Bumbry an Herbert von Karajan bekannt, der die Sängerin nach dem Triumph der „Carmen"-Produktion in Salzburg Mitte der Fünfziger Jahre als Donna Anna verpflichten wollte, und sie nach ihrer Absage nie mehr engagierte. Allerdings war die legendäre „schwarze Venus" damals bereits so bekannt, dass es ihr nicht geschadet hat. Trotzdem - eine Absage an einen prominenten Dirigenten ist der künstlerischen Freundschaft meist nicht förderlich. Vesselina Kasarova hatte den Mut, in drei Fällen nach reiflicher Überlegung an namhafte Dirigenten Absagen für Verdi-Partien („Trovatore"/Azucena und „Aida"/Amneris) sowie einer Wagner-Rolle in „Rienzi" zu erteilen. Wagner und Verdi liegen für sie in weiter Ferne, sie plant zunächst nur für die nächsten drei bis vier Jahre. Auch das slawische Fach, das ihr häufig angeboten wird, reizt sie nicht. Neue Projekte für die nächste Zeit sind „Idomeneo" (Idamante) zuerst beim Maggio Musicale 1996 unter Bychkov und im Oktober/November 1997 in Chicago; Aufnahmen von Webers „Oberon" (Fatima) im Januar 1996 für BMG und vier konzertante Aufführungen unter Gardiner bei den Salzburger Festspielen 1996; Bellinis „Capuleti e i Montecchi" (Romeo) zunächst unter Evelyn Pidò an der Pariser Bastille (November 1996), dann unter Muti an der Scala (1997), bei der Salzburger Mozartwoche im Januar 1997 Mozarts „Mitridate, rè di Ponto" (Farnace). Auch das Met-Debüt von Vesselina Kasarova als Rosina („Barbiere") steht schon fest: Dezember/Januar 1997/98.
Bleibt eigentlich nur noch ein Thema, das für jeden Sänger von grosser Wichtigkeit ist: die Schallplatte. Auch hier liegen konkrete Pläne vor, erste Schritte auf dem Weg zu einer künstlerisch aussagefähigen Diskographie sind bereits gemacht, und zwar mit den Orchesterliedern von Berlioz, Ravel und Chausson für RCA/BMG. In diesen poetischen Miniaturen, die je nach Stimmung und Charaktere elegische, melancholische oder emphatische Gefühlsäusserungen illustrieren, kann Vesselina Kasarova eine glänzende Visitenkarte ihrer stimmlichen Qualitäten abgeben. Sie fasziniert nicht nur durch makellose Technik mit bruchlosen Registerwechseln und samtiger, voller Mittellage, auch Spitzentöne in Sopranlage und tiefe Noten machen ihr keine Schwierigkeiten. Mit Edita Gruberova als Partnerin hat sie bereits Kammerduette von Brahms, Schumann und Mendelssohn aufgenommen, Mahlers achte Sinfonie unter der Leitung von Colin Davis und mit prominenten Partnern ist ebenfalls bereits eingespielt, desgleichen der bereits erwähnte „Tancredi", für RCA/BMG. Für Januar 1996 sind die Aufnahmen von Webers „Oberon" für RCA/BMG geplant, im März 1996 soll ein weiteres Solo-Recital für die gleiche Firma entstehen und für April 1997 sind Aufnahmen von Bellinis „Capuleti e i Montecchi" geplant. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Vesselina Kasarova am Beginn einer internationalen Karriere steht. Ihr stimmliches Material, ihre Ausdrucksfähigkeit auf der Bühne und ihr sicheres Stilempfinden bilden das nötige Rüstzeug dazu. Sie ist klug genug, nichts zu forcieren, genügend Pausen zwischen den Engagements einzulegen, und ausserdem findet sie „Singen muss Spass machen!"
Beim Singen Denken!
Die bulgarische Mezzosopranistin traf Bernd Hoppe in Salzburg
Vesselina Kasarova stammt aus Stara Zagora, einer traditionsreichen Stadt Bulgariens mit dem ältesten Opernhaus des Landes, wo auch Anna Tomowa-Sintow geboren wurde. Und wie Bulgariens grosse Sopranistin studierte Vesselina Kasarova am Konservatorium von Sofia, jener Sängerschmiede des Balkans, die auch Ljuba Welitsch, Raina Kabaivanska und Ghena Dimitrova hervorgebracht hat. Eine musikalische Ausbildung hatte Vesselina bereits als Kind von vier Jahren im Musikunterricht und danach am Musikgymnasium erhalten, wobei sie zunächst die pianistische Richtung einschlug und diese mit dem Konzertdiplom abschloss, was ihr heute beim Einstudieren ihrer Partien hilfreich entgegenkommt. Die auffallend schöne Stimme wurde jedoch bald entdeckt, und noch als Gesangsstudentin trat sie an der Nationaloper Sofia als Fenena, Rosina und Dorabella (ihre Staatsexamenspartie 1989) auf. Bereits 1988 hatte sie mit fünf ausgewählten Studenten an einer einmonatigen Frankreich-Tournee teilgenommen, wo Ghena Dimitrova sie in einem Konzert hörte. Die bekannte Sopranistin war von der Qualität des Vortrages so angetan, dass sie spontan ein Konzert in Sofia organisierte, dessen Mitschnitt Herbert von Karajan geschickt wurde. Vesselina Kasarova erhielt eine Einladung nach Salzburg und Wien ...
„Ich erinnere mich noch genau an diese Aufregung, denn erst eine Stunde vor dem Flug bekam ich mein Visum. Ich traf Herrn von Karajan während der Salzburger „Ballo"-Produktion, als er schon sehr krank war. Ich sang ihm das ‚Agnus Dei' aus der ‚h-Moll-Messe' vor, was ihn so beeindruckte, dass er das Werk mit mir zur Aufführung bringen wollte, doch kam es durch seinen Tod leider nicht dazu. Danach ging ich nach Wien (ohne ein Wort Deutsch zu sprechen!), weil Ion Holender mich hören wollte und mir nach dem Vorsingen sofort einen Zweijahresvertrag an die Staatsoper ab 1991 anbot."
Ihr erstes Engagement im Ausland führte sie jedoch schon zwei Jahre vorher, also unmittelbar nach dem Abschluss ihres Studiums, an das Opernhaus Zürich. Direktor Groszer hatte die junge Sängerin bei einem Gesangswettbewerb in Stara Zagora gehört und sie an die renommierte Schweizer Bühne verpflichtet. Erste Partien waren die Wellgunde und 2. Norn im „Ring", wie sie zunächst überhaupt das ganze Fach der kleinen Rollen wie Olga, Alisa in der „Lucia", Stéphano in „Roméo et Juliette" und Anna in „Les Troyens", zu singen hatte. „Im Nachhinein bin ich froh über dieses Engagement in Zürich, obwohl ich dort gebunden war und manches Angebot von ausserhalb nicht annehmen konnte. Meine grösste Aufgabe war der Annio in ‚La clemenza di Tito' unter Nikolaus Harnoncourt mit der wunderbaren Ann Murray als Sesto. Das war ein unvergessliches Erlebnis für mich. Nach diesen zwei Jahren hätte ich natürlich auch in Zürich bleiben, den Vertrag verlängern und Holenders Angebot absagen können. Aber Wien ist eben etwas Besonderes, allein als Stadt - und dann die Oper! Natürlich war es auch ein Risiko, aber: Ich liebe Wien!"
Das Debüt war die Rosina, dann kamen zwei Produktionen unter Seji Ozawa, den sie als „ganz tollen Musiker" erlebt hat - die Paulina in der „Pique Dame" und die Meg Page im „Falstaff" - sowie Cherubino und Dorabella. „Nach wiederum zwei Jahren hätte ich auch diesen Vertrag mit der Staatsoper verlängern können, aber ich wollte frei sein. Der Repertoirebetrieb in Wien ist ein Problem, eine Partie dort zu singen ist nur möglich, wenn man sie schon mehrfach auf anderen Bühnen interpretiert hat. Bei einer szenischen Einweisung durch den Abendspielleiter kann man in Regiedetails nicht eindringen, man muss sie selbst finden." Vesselina Kasarovas Verhältnis zur Regie ist ebenso offen wie kritisch. „Grundsätzlich lasse ich mir durch den Regisseur vor der Bühne nicht angst machen - das wirkt sich sofort auf die Stimme aus. Und viele Kollegen haben tatsächlich Komplexe vor der Bühne! Gefährlich sind jene Regisseure, die nur sich inszenieren und von der Musik ablenken. Da gibt es einen ganzen Zirkus von Dilettanten! Leider haben viele keinerlei Respekt vor dem Werk und vor den Sängern. Roberto de Simone bei der ‚Così' im Theater an der Wien hat mit uns fast einen Monat nur die Rezitative gearbeitet, und entsprechend musikalisch war dann auch die Wirkung dieser Produktion. Nein, Singen ist etwas ganz Spezielles - wie der Sport: Man geht auf die Bühne und muss in diesem Moment präsent sein wie bei einem 100-Meter-Hürdenlauf. Singen können nur intelligente Menschen, denn man muss auf so vieles reagieren - und das sehr schnell. Wie man singt auf der Bühne, wieviel man gibt, das ist eine innere Intuition, die muss man haben, denn man bekommt sie auch von einem Lehrer nicht vermittelt. Mann muss denken beim Singen!"
Befragt nach weiteren Gefahren für einen jungen Sänger, nennt Vesselina Kasarova nach den Regisseuren die Dirigenten. „Es ist ein grosser Unterschied, ob man dirigiert oder singt. Die meisten Dirigenten haben heute zu wenig Respekt vor der menschlichen Stimme. Auf die Zusammenarbeit mit solchen muss man dann eben verzichten. Ein Dirigent hört einen Sänger ganz anders, spürt nicht dessen Kopfresonanzen. Aber er muss eine Intuition besitzen, mit dem Sänger zu singen ... Gefährlich sind auch die Manager, die jungen Sängern zu früh dramatische Rollen abverlangen wollen. Ich habe damit durchaus meine Erfahrungen gemacht, doch sind heute, dank meines Agenten, Germinal Hilbert, solche Angebote ausgeschlossen. Dass aber Theaterdirektoren unadäquate Vorschlage machen, kommt manchmal noch vor. Als Bulgarin kämpfe ich beispielsweise häufig gegen das Klischee, dass wir slawischen Stimmen prädestiniert seien für das dramatische italienische Fach. Ich bekam bereits die Eboli und Amneris angeboten, aber ich bin sehr vorsichtig mit neuen Rollen. Ich treffe viele Sänger und höre, wie sich deren Stimmen entwickeln. Meine Partien sind die lyrischen - auch in Zukunft. Ich möchte Mozart singen und das Belcanto-Repertoire."
Das ist das Stichwort für einen Lieblingskomponisten der Sängerin, dem sie ihre bisher grössten Erfolge verdankt: Rossini. Nachdem sie bei den Salzburger Festspielen 1991 als Annio unter Colin Davis debütierte und auch in einer Mozart-Martinee mit Konzertarien mitgewirkt hatte, war sie ein Jahr später wiederum der Annio, diesmal in der Neuinszenierung von Karl-Ernst und Ursel Herrmann, als sie überraschend das Angebot bekam, für Marilyn Horne einzuspringen, die die Titelrolle in zwei konzertanten „Tancredi"-Aufführungen drei Wochen vorher abgesagt hatte. „Als ausgebildete Pianistin fiel es mir nicht schwer, die unbekannte Partie in so kurzer Zeit zu lernen. Ich studiere alle meine Rollen selbst ein und kann auch Partitur lesen, was während unseres Studiums gelehrt wurde. Dazu höre ich eine aktuelle Plattenaufnahme, nicht um eine Interpretation zu kopieren, sondern wegen der Tempi und des Orchesterklanges. Bei Rossini empfinde ich heute die Tendenz, dass das Tempo immer schneller und schneller wird und Koloraturen abgespult klingen wie aus einem Automat. Da war man in alten Einspielungen oft freier, und in dieser Weise möchte ich Rossinis Musik singen, vor allem mit vielen Farben und Nuancen."
Die umjubelten Salzburger Auftritte als Tancredi markierten nicht nur den endgültigen internationalen Durchbruch der Mezzosopranistin, sondern stellten sie auch als einen neuen Stern am Rossini-Himmel heraus. Neben der inzwischen oft gesungenen Rosina, mit der sie 1997 an der New Yorker Met debütieren wird, ist die Isabella in der „Italiana" gleichfalls eine häufig interpretierte Partie. In dieser Rolle gab sie nach Auftritten in Wien und Zürich - bedingt durch die Absage der vorgesehenen Sängerin - im Februar 1995 ihr überraschendes Debüt an der Deutschen Oper Berlin. Das Publikum war entzückt von ihrem hinreissenden komödiantischen Talent, der kapriziösen Leichtigkeit und dem souveränen stimmlichen Aplomb. Schon im Auftritt des „Cruda sorte" liess sie mit resonant-üppiger Tiefe und einer stupenden Agilität in den schnellen Passagen aufhorchen, demonstrierte im „Per lui che adoro" ihre hohe Gesangskultur und das noble Timbre, um im Rondo „Pensa alla patria" mit müheloser Virtuosität und raffinierten Verzierungen den Triumph perfekt zu machen. Auch die Opernbesucher in Wien, Amsterdam und Florenz erlebten diese bezaubernde und sehr persönliche Interpretation. Den heroischen Tancredi auf der Bühne zu gestalten, will sich die Sängerin allerdings noch etwas Zeit lassen. Dass sie die Partie soeben für BMG eingespielt hat, widerspricht nicht ihrem Grundsatz, dass sie momentan nur Rollen aufnehmen möchte, die sie auch auf der Bühne singen kann. Der Salzburger Erfolg hat es ja bewiesen ...
Zu Plattenproduktionen hat Vesselina Kasarova überhaupt ein ambivalentes Verhältnis. „Oft sind das durch die Technik manipulierte Produkte. Die Live-Aufnahmen sind hinsichtlich der Emotion sicher besser. Bei einer Einspielung im Studio verliert man durch die vielen Wiederholungen manchmal das Gefühl für eine spontane emotionale Situation, weil man nur auf die Perfektion achtet. Und ich glaube, dass das Publikum einen Künstler nicht nur auf der Platte hören, sondern auch auf der Bühne erleben möchte." Einige weitere Projekte bei BMG, die mit der Sängerin einen Exklusivvertrag für Recitals abschliessen möchte und soeben ihre Debütplatte mit französischen Liederzyklen vorgelegt hat, stehen gleichwohl an: die Fatima in einem neuen „Oberon" (die sie in der Neuproduktion der Salzburger Festspiele 1996 geben wird), der Romeo in Bellinis „I Capuleti e i Montecchi" unter Evelino Pidò, den sie unter diesem Dirigenten 1996 an der Pariser Opéra Bastille und unter Riccardo Muti im Mai 1997 an der Mailänder Scala singen wird, sowie in der Planung die Titelpartie in „La belle Hélène" unter Lorin Maazel. Die Offenbach-Rolle war einer ihrer grossen Erfolge am Opernhaus Zürich („eine herrliche Partie und sehr bequem geschrieben, obwohl man im 2. Akt ständig auf der Bühne ist") und wird auch in der Wiederaufnahme im Oktober 1995 sowie in einer Produktion des ZDF unter Nikolaus Harnoncourt von ihr gegeben werden.
Neben den Aufgaben im Belcanto-Fach, zu denen noch die Adalgisa in Zürich und demnächst die Giovanna in der „Anna Bolena" an der Bayerischen Staatsoper München kommen, nimmt die Pflege des Mozart-Gesanges einen breiten Raum in der Karriere Vesselina Kasarovas ein. Als Bulgarin ist sie da eher die Ausnahme, aber ganz energisch formuliert sie: „Mozart ist nicht eine Frage der Stimme und des Volumens, sondern der Technik, des Stils und des Geschmackes." Ihre Zusammenarbeit mit den Herrmanns am „Tito" in Salzburg war für sie (nach jener mit Harnoncourt in Zürich) das prägende Mozart-Erlebnis - auch hinsichtlich der Regie. „Die Inszenierung war nicht nur geschmackvoll, sondern auch logisch in jeder Geste. Ich gehe immer mit einer Idee auf die Bühne, aber nicht mit einer fertigen. Ich möchte keine Routine, will nicht den Spass an der Arbeit verlieren und auch nicht dauernd dieselbe Rolle singen. Der Idamante interessiert mich sehr, und ich freue mich auf die Einstudierung mit Semyon Bychkov beim Maggio Musicale Fiorentino 1996 und auf die Neuproduktion in Chicago mit Domingo ein Jahr später." Nach dem Annio ist natürlich auch der Sesto im „Tito" ein Wunschtraum der Sängerin, der sich möglicherweise schon erfüllen könnte, wenn die Salzburger Festspiele 1998 das Werk wieder herausbringen. Immerhin hat sie 1994 im Mozart-Pasticcio „Ombra felice" mitgewirkt, in diesem Jahr bei der Wiederaufnahme der Chéreau-Inszenierung des „Don Giovanni" die Zerlina gesungen und wird 1997 im „Mitridate" unter Roger Norrington den Farnace geben - jene virtuose Kastratenpartie, die einen Prüfstein für die Bravour und das stilistische Können eines Interpreten darstellt.
Überhaupt, die Hosenrollen ... In ihren enormen darstellerischen Anforderungen sind sie eine Spezialität der Sängerin und werden von ihr derzeit sogar favorisiert. „Ich liebe sie wegen der schauspielerischen Möglichkeiten, die sie bieten. Bei den weiblichen Partien besteht die Gefahr, sich mehr oder minder doch immer selbst zu spielen. Hosenrollen lassen das nicht zu und helfen einem, solche Angewohnheiten wieder abzulegen. Bei einer Hosenrolle kontrolliere ich mich viel mehr, bin präziser." So gehört der Octavian zu den Aufgaben der näheren Zukunft, vorher allerdings noch die Charlotte im „Werther" in der Premiere in Zürich im Juni 1996, während sie mit der „Traumrolle" aller Mezzosopranistinnen, der Carmen, noch zwei, drei Jahre warten möchte. „Die Partie interessiert mich eher darstellerisch als musikalisch, und vor allem möchte ich sie lyrisch und sehr dezent singen. Dafür braucht man einen guten Dirigenten und ausreichend Zeit."
Nach dem Liederabend an der Mailänder Scala im April 1992 mit einem reinen Prokofjeff-Programm (ein Wagnis, aber von Erfolg gekrönt) möchte Vesselina Kasarova dieses Genre in nächster Zeit ausgiebiger pflegen. Ihre Gesangslehrerin in Sofia war selbst eine Liedsängerin gewesen, und nach ihrem Vorbild befragt, nennt Vesselina Kasarova spontan Christa Ludwig - zwei günstige Voraussetzungen für diese Kunst wie auch die Musikalität, Intonationssicherheit und das Stilempfinden der Sängerin. Nach soeben eingespielten Lieder-Duetten mit Edita Gruberova für Nightingale ist für März 1997 eine Liederabendtournee mit den Stationen Zürich, Dresden, Wien, München und Brüssel bereits fixiert.
Vesselina Kasarova, eine Sängerin, in der sich ein sehr persönlicher Charme, wache Intelligenz und eine individuelle Stimme zu einer selten glücklichen Synthese vereinen, ist klug genug, sich für all diese Vorhaben Zeit zu lassen, die Stimme natürlich und behutsam reifen zu lassen. „Alle Sänger haben in ihrer Laufbahn Experimente und auch negative Erfahrungen gemacht. Aber Fehler darf man nicht wiederholen ...
„Wir konnten alle Partitur lesen"
Vesselina Kasarova hat am Montag als Giovanna Seymour in „Anna Bolena" ihr München-Debut
Sicher, die Gruberova ist der Star, am Montag in der Donizetti-Premiere „Anna Bolena" im Nationaltheater. Aber sie steht nicht allein. Als Enrico VIII ist Roberto Scandiuzzi zu hören, der schon als Fiesco in „Simon Boccanegra" mit seinem machtvollen Bass Furore machte. Und die Giovanna Seymour, zerrissen zwischen schlechtem Gewissen gegen Anna und unbezwingbarer Liebe zum König singt die junge bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova: „Die schwerste Partie, die ich je gesungen habe, trotz ,Norma' und ,Beatrice di Tenda'".
Seit sechs Jahren ist die heute Dreissigjährige auf der Bühne, umworben seit 1989, nach ihrem Wettbewerbspreis in Gütersloh, von allen grossen Häusern und Agenten. „Es war hart, ohne ein Wort Deutsch von zu Hause wegzuziehen nach Zürich, wo ich engagiert war. Ich wohnte allein, konnte nicht reden, nur mit meinen Eltern telefonieren, und die haben mir den Mut zum Durchhalten gegeben."
Es hat sich gelohnt. Ihre Stimme betört das Publikum in den schönsten Häusern und an den besten Plätzen (Salzburg), und gegen die Einsamkeit gibt es seit drei Jahren einen jungen Schweizer Ehemann, der seine Zeit zwischen einem Volkswirtschaftsstudium und dem Management für seine Frau teilt (Bulgarisch kann er auch schon).
Frisch wie ein Apfel sitzt einem die Kasarova gegenüber. Keine Spur Schminke, kein Schmuck, aber erlesene Kleider. Dass sie so sicher zwischen Nötigem und Unnötigem zu unterscheiden weiss, nichts, aber auch gar nichts tut, um irgendetwas anderes zu scheinen, als was sie ist, hat wohl mit ihrer Herkunft zu tun, ihrer aufmunternden Familie, ihrer gründlichen musikalischen Ausbildung: Mit vier kam ich schon in eine Musik-Vorschule. Immerzu Wettbewerbe. Sechzig Kinder wollten, zehn konnten rein. Im Musikgymnasium haben wir mit 12, 13 schon komponiert. Wir konnten alle Partitur lesen. Das hilft mir heute."
Und deswegen hat sie auch nicht mehr als vier Monate gebraucht, die Partie der Seymour zu lernen. Die ausgebildete Pianistin holt sich erst Hilfe, wenn sie praktisch „fertig" ist. Sie sucht das je spezifische Timbre für Mozart, Rossini oder eben Donizetti, geht als Musikerin, nicht nur als Stimmbesitzerin ans Werk und arbeitet gern mit „ruhigen" Regisseuren: „Ich will verstehen, was sie wollen. Hektik bringt gar nichts. Und ich habe die Erfahrung gemacht: Die, die am besten reden können über ihr Konzept, sind nicht immer die, die's auch am besten umsetzen. Manchmal sind die nicht so Blendenden bei der Arbeit die Besseren. Sie sind ehrlich, lassen Dich, wie Du bist - und modellieren doch."
Hosenrollen sind ihr Traum
Grosses Festspielhaus: Vesselina Kasarova als Zerlina in „Don Giovanni"
Im Herkulessaal eroberte sie als Retterin eines Liederabends vor drei Jahren das Münchner Publikum im Sturm, ein paar Monate später sprang sie bei den Salzburger Festspielen für Marilyn Horne ein - und wurde mit der Titelpartie von Rossinis „Tancredi" zum umjubelten Koloratur-Star: Vesselina Kasarova. In Patrice Chéreaus „Don Giovanni" übernimmt die gerade 30jährige Bulgarin nun im Jahr nach der Premiere die Rolle der Zerlina von Cecilia Bartoli, der mediengepflegten Römerin (ab 14. August im Grossen Festspielhaus Salzburg).
Gleich nach dem Studium ging Vesselina Kasarova nach Zürich ins Ensemble (1989), wechselte zwei Jahre später an die Wiener Staatsoper - mit mehr Freiheiten zum Gastieren zwar, aber auch nur als eine von vielen guten Mezzosopranistinnen am Haus. „Das Niveau der Wiener Staatsoper ist etwas ganz besonderes; es ist schon ein Phänomen, wie viele Talente da mit mir im Ensemble waren. Für die Intendanten ist so was ja ganz normal, sie merken erst später, was sie verloren haben. Das ist im Theater wie im Leben."
Wie sehr die Salzburger Erfolge als Tancredi und auch als Annius im „Titus" (Mozart) ihre Sängerkarriere in die Höhe gepuscht haben, mag die scheue Kasarova nicht recht sagen. Sie wiegelt ab, erinnert sich mehr an die Schattenseiten als Aschenputtel im Ensemble. „Ich habe sehr um mein Image als Koloratur-Mezzo kämpfen müssen. Wenn man wie ich aus Bulgarien kommt, meinen Dirigenten und Intendanten, dass man geradezu prädestiniert sei für die slawische Oper, fürs dramatische Fach. Genau das aber will ich noch lange nicht singen. Mozart und Belcanto ist vorerst mein Repertoire."
Und da verbindet Vesselina Kasarova mit der virtuosen Edita Gruberova nicht nur der gemeinsame Wohnsitz Zürich, sondern vor allem die Arbeit. Auf der Platte singen sie Duette, auf der Bühne treffen sie sich in der kommenden Saison auch in der Bayerischen Staatsoper in Donizettis „Anna Bolena". Rasende Frauen mag die Kasarova, noch lieber aber sind ihr die Hosenrollen der Opernliteratur, der Octavian („Rosenkavalier") ihr Wunschtraum.
Kasarova: „Bei Frauenrollen habe ich immer das Gefühl, ich spiele nur mich selber. Da muss ich sehr aufpassen, dass ich nicht immer in gleicher Weise lache, gehe. In einer Hosenrolle dagegen muss man sich viel mehr aufs Spiel, auf die Bewegungen seines Körpers konzentrieren, um sich in eine Rolle zu versetzen. Und gerade wie man spielt, ist für mich sehr wichtig. Es hilft mir auch beim Singen."
Ich hatte Angst vor all dem Neuen
Ein Gespräch mit der Mezzosopranistin Vesselina Kasarova
Bulgarien ist ein Land, das immer wieder grosse Sänger hervorgebracht hat, z.B. Boris Christoff, Nicolai Ghiaurov, Ljuba Welitsch oder Anna Tomowa-Sintow. Dennoch ist ihre Heimat auch heute noch ziemlich abgeschieden vom westlichen Opernbetrieb. Wie haben Sie als ganz junge Sängerin den Sprung in diese andere Welt geschafft?
Es war zuerst wie ein Schock, ich konnte kein Wort deutsch, nur russisch - was mir nicht geholfen hat, ich kannte niemanden und hatte Angst vor all dem Neuen. Doch alle im Zürcher Opernhaus haben mir geholfen, und es wurde eine sehr wichtige und gute Zeit für mich. Ich sang anfangs nur ganz kleine Rollen, aber ich hatte das Glück, mit Künstlern zusammenzarbeiten, von denen ich enorm viel lernen konnte, z.B. mit Nikolaus Harnoncourt, Ann Murray und vor allem mit Edita Gruberova. Ich bekam damals schon Angebote für Hauptrollen an anderen Bühnen und war natürlich sehr enttäuscht, dass ich keinen Urlaub erhielt. Doch im nachhinein bin ich Direktor Groszer sehr dankbar dafür. Ich brauchte diesen langsamen Reifeprozess, nur so konnte ich auf der Bühne die nötige Sicherheit gewinnen, und das war vor allem in Wien wichtig, weil ich dort ja fast alle Partien ohne Bühnenproben übernehmen musste.
War es denn auch musikalisch eine andere Welt?
Wie gross der Unterschied ist, habe ich eben jetzt wieder erfahren bei einem Besuch in meiner Heimat. Schon das Repertoire ist ganz anders: Es wird in Bulgarien vor allem Verdi und Puccini gespielt, Rossini selten, Mozart fast gar nicht. Das ist sehr gefährlich für die jungen Sänger, die alle sofort in das dramatische Fach drängen. Dabei gibt es nur wenige echt dramatische Stimmen.
Sie haben sich sehr früh für eine freie Gastspieltätigkeit entschieden, allerdings mit Abendverträgen in Zürich und in Wien. Das hat zur Folge, dass Sie neue Rollen im Alleingang einstudieren müssen. Wie lernen Sie?
Zuerst höre ich eine möglichst gute und aktuelle Plattenaufnahme, um einen Gesamteindruck des Werkes zu bekommen. Dann lerne ich aus dem Klavierauszug, das ist für mich kein Problem, denn ich bin ja auch als Pianistin ausgebildet und habe das Singen eigentlich entdeckt, als ich Sänger begleitete. Es steht für mich alles in den Noten, und ich lerne schnell. Aber wenn ich eine Partie in einer mir fremden Sprache erlerne, wie z.B. Offenbachs „Belle Hélène", nehme ich mir viel mehr Zeit, um den Text wirklich gründlich zu erarbeiten. Wichtig ist für mich, dass ich die Rollen szenisch mit einem guten Regisseur im Rahmen einer Neuinszenierung einstudieren kann. Wenn ich zu den Proben komme, habe ich ein bestimmtes Bild von meiner Rolle, aber ich bin auch offen für die Ideen der Regisseure und Dirigenten. Meistens ergibt sich dann eine Kombination der Auffassungen. Ein Regisseur kann ja nur mit Worten sagen, was er will. Spielen, die Farben der Nuancen einbringen, muss ich selber. Wenn man nur genau das ausführt, was der Regisseur will, fehlt die spezielle Atmosphäre, die Emotion, wirkt alles irgendwie gemacht. Ich möchte auch nicht in jeder Inszenierung eines Stückes immer gleich sein. Ich finde es wichtig, dass man sich mit dem Regisseur und dem Dirigenten versteht. Man kann die Stimme und die Gefühle nicht in die Hand nehmen und modellieren, sondern muss behutsam damit umgehen. Es belastet mich, wenn bei Proben eine gespannte Atmosphäre herrscht.
Die Intonationsreinheit, die rhythmische und dynamische Sensibilität Ihres Singens lassen unschwer erkennen, dass Sie nicht nur Besitzerin einer aussergewöhnlichen Stimme, sondern Musikerin in einem umfassenden Sinn sind. Welche Bedeutung hat die szenische Darstellung für Sie?
Sie ist für mich von ganz entscheidender Bedeutung. Singen und Spielen gehören zusammen, oft ist das Spiel sogar das Wichtigste, es hilft auch beim Singen. Ob man eine Partie wirklich beherrscht, merkt man eigentlich erst, wenn man die Rolle auf der Bühne spielt.
Privat wirken Sie sehr bescheiden, fast scheu, doch auf der Bühne offenbaren Sie ein sprühendes Temperament. Ist das Ihre zweite Natur?
Ich habe früher selbst nicht gewusst, dass ich dieses Talent habe, es ist einfach so gekommen, und ich spiele tragische Rollen genauso gern wie komische. Natürlich bin ich auch durch die Arbeit mit bedeutenden Regisseuren gefördert worden. Ein Schlüsselerlebnis war z.B. „Tito" mit Karl-Ernst und Ursel Herrmann 1992 in Salzburg. Aber ich muss gestehen, dass ich mir früher das Singen auf der Opernbühne nicht so schwierig vorgestellt hatte: Es braucht eine ungeheure Konzentration, Reaktions- und sogar Improvisationsfähigkeit, und es braucht eine gewisse Intelligenz. Es wäre mir viel zu anstrengend, auch im Privatleben so zu sein, da möchte ich möglichst natürlich und entspannt sein, nicht immer im Mittelpunkt stehen.
Obwohl Ihre Stimme mit ihrer mühelosen Höhe, ihrer kraftvollen Tiefe, ihrer Koloraturbehendigkeit Ihnen ein vielfältiges Repertoire erschliesst, treten Sie zurzeit vorwiegend in Werken des Belcanto-Faches - Rossini, Donizetti, Bellini - und in Mozart-Opern auf. Entspricht das den Angeboten, die Sie bekommen, oder haben Sie sich bewusst für dieses Fach entschieden?
Ich habe tatsächlich schon Angebote für Eboli und Amneris bekommen, aber ich habe abgelehnt. Ich möchte solange wie möglich Mozart und Rossini singen. Später würde ich allerdings gerne auch das dramatische Repertoire singen, zumindest Teile davon. Aber ich lasse mir Zeit dafür, meine Stimme wird mir sagen, wann der Moment gekommen ist.
Es fällt mir auf, dass in Ihrem Repertoire der „Rosenkavalier" noch fehlt.
Die Rolle interessiert mich sehr, Hosenrollen überhaupt. Man muss da noch viel präziser spielen, jede Bewegung muss kontrolliert sein. Ich habe von Männerrollen eigentlich mehr gelernt als von Frauenrollen. Bei diesen kann man sich manchmal etwas gehen lassen, mit seiner eigenen Gestik spielen. Das geht bei Hosenrollen nicht.
Welches sind, neben dem Rosenkavalier, Ihre Wunschrollen für die nähere Zukunft?
Eine davon steht schon in meinem Terminkalender, Charlotte in „Werther" 1996 in Zürich, dann sicher auch Cenerentola und Sesto in „Tito", und in zwei, drei Jahren möchte ich auch Carmen machen. Allerdings wird es sehr darauf ankommen, mit welchem Dirigenten und mit welchem Regisseur. Denn ich möchte eine lyrische, dezente Carmen machen. Für diese Rolle würde ich sehr viel Zeit investieren - die Zeit ist nur dann verloren, wenn man bei einer Aufgabe nichts lernt.
Vesselina Kasarova ist eine der grossen Sängerentdeckungen der letzten Jahre. Geboren in Stara Zagora, Bulgarien, erhielt sie schon ab dem 4. Lebensjahr Musikunterricht. Studium am Musikgymnasium. Danach Konservatorium Sofia und erste Tätigkeit an der Staatsoper der bulgarischen Hauptstadt. 1989 gewinnt sie den 1. Preis beim Wettbewerb „Neue Stimmen" in Gütersloh. Danach Engagement am Opernhaus in Zürich, 1991 Engagement an der Wiener Staatsoper. Gastspiele in Salzburg, Bregenz, Covent Garden, Paris, München, Mailand, Berlin und Rom. Die Sängerin mit festem Wohnsitz in der Nähe von Zürich produziert heuer eine Platte mit Liedern und Duetten mit Edita Gruberova und die Gesamteinspielung von „Tancredi".
„Singen ist eine Frage der Kultur"
Die Bulgarische Mezzosopranistin Vesselina Kasarova bei den Münchner Opernfestspielen
Im Belcanto fallen Musik und Ausdruck gänzlich ineinander, er ist aus den Möglichkeiten der menschlichen Stimme heraus gedacht und braucht nicht mit aussermusikalischen Affekten angereichert zu werden. Darin liegt sein hoher Anspruch. Der bulgarische Mezzosopran Vesselina Kasarova gehört zu den wenigen Sängerinnen, die sich heute noch auf diese Kunst verstehen. Während der Opernfestspiele gestaltet sie die Partie der Giovanna Seymour in Donizettis „Anna Bolena" (7. und 11. Juli).
Frau Kasarova, Sie stammen aus Bulgarien - können Sie uns etwas über Ihre Jugend erzählen? Wie kamen Sie zur Musik?
Ich kann sagen, dass ich wirklich eine glückliche Kindheit hatte. Meine Eltern sind keine professionellen Musiker, aber sie erkannten sehr früh meine Musikalität und förderten mich, ohne mich zu etwas zu zwingen. So durfte ich schon im Alter von vier Jahren mit dem Klavierunterricht beginnen.
Sie haben zunächst zwölf Jahre Klavier studiert. Auf eine Konzerttätigkeit hin?
In Bulgarien werden Talente schon sehr früh vom Staat gefördert. Als ich mit sechs Jahren in die Grundschule eintrat, wurde ich in eine Klasse mit Schwerpunkt Klavier aufgenommen. So kam ich in den Genuss einer profunden musikalischen Ausbildung, denn die Hälfte (!) des Stundenplanes war für das Klavierstudium reserviert. Auch später auf dem Gymnasium, das ich mit dem Konzertdiplom abschloss.
Anschliessend machten Sie eine fünfjährige Gesangsausbildung an der Musikakademie in Sofia - bei Ressa Koleva.
Ich wollte ja eigentlich Pianistin werden. Wenn ich nebenbei gesungen habe, dann ein bisschen Jazz - nur zum Spass! Aber ich liebte die Oper und besuchte viele Vorstellungen oder begleitete Sänger als Korrepetitorin. Es waren dann auch meine Kollegen, die mir sagten, ich hätte Stimme. Es blieb aber nur wenig Zeit bis zu den nächsten - strengen - Aufnahmeprüfungen: Jedes Jahr wurden nur zwanzig Sänger an der Akademie in Sofia aufgenommen! Zu meiner eigenen Überraschung hatte ich gleich bei meinem ersten Versuch Erfolg. Sicher halfen mir dabei auch die theoretischen Kenntnisse, welche ich als Pianistin erworben hatte.
Nach welcher Methode lernten Sie?
Die eigentliche Ausbildung war nicht nur sehr intensiv, sondern auch gewissenhaft. Neben dem Gesang - ich hatte jeden Tag eine Stunde Unterricht bei meiner Professorin! - wurde auch grosses Gewicht auf Schauspiel und die theoretischen Fächer gelegt. Ich denke, dass wir ideale Bedingungen vortrafen und optimal auf die Zukunft vorbereitet wurden. Zudem bekamen wir schon früh die Möglichkeit, öffentlich aufzutreten.
Gibt es Dinge im Leben, auf die Sie verzichten müssen - um Ihrer Stimme willen?
Singen ist Hochleistungssport! Ohne eine gewisse Disziplin geht es nicht. Man muss sich schonen und darauf achten, in guter Form zu sein. Deshalb steht man unbewusst immer etwas unter Druck, nicht zu erkranken. Wir sind ja auch stärker als andere Menschen vielen Risiken ausgesetzt: Wir reisen viel und treffen immer wieder neue Kollegen. Es kommt praktisch immer vor, dass jemand krank ist und alle anderen ansteckt. Ich habe dennoch nicht das Gefühl, auf etwas verzichten zu müssen, denn man erhält ja auch vom Publikum unheimlich viel zurück.
Mozart, Rossini, Donizetti, nun auch Bellini - spezialisieren Sie sich auf das 18. und 19. Jahrhundert? Oder kennen Sie diesbezüglich keine Grenzen?
Ich konzentriere mich auf Mozart und Rossini, als Erweiterung kommt nun der Belcanto hinzu. Ich bin sehr vorsichtig, und es wäre noch zu früh, allzu dramatische Partien zu singen. Ich achte auch darauf, immer wieder zu Mozart und Rossini zurückzukehren, um die Leichtigkeit der Stimme zu bewahren. Festlegen möchte ich mich aber nicht. Nur drei oder vier Partien darzustellen, würde mich nicht befriedigen. Meine Stimme sagt mir, wann ich eine neue Herausforderung annehmen soll.
Wie bereiten Sie sich auf eine neue Partie vor? Setzen Sie sich mit alten Aufnahmen auseinander? Sprechen Sie mit Kollegen?
Es steht alles in der Partitur! Ich denke, dass jeder Sänger auch in der Lage sein sollte, Partitur zu lesen. Zuerst arbeite ich alleine an einer neuen Partie, begleite mich auch selber. Später höre ich mir Aufnahmen an, um den Orchesterklang kennenzulernen - ich versuche aber zu vermeiden, von anderen Interpretationen beeinflusst zu werden. Ich bilde mir dann eine eigene Anschauung der Partie, bin aber bei den Proben offen für die Zusammenarbeit mit dem Regisseur. Auch nicht zu unterschätzen ist die Arbeit mit den Korrepetitoren und den Dirigenten.
Gibt es für Sie ein Kriterium, wann Sie etwas gut gesungen haben?
Ich höre auf meine Stimme, vertraue mir selber, denn Singen stützt sich auf eine innerliche Intuition. Es kann vorkommen, dass man mit einem Abend nicht recht zufrieden ist, das Publikum aber super reagiert. Ich finde, eine Aufführung ist nur dann gelungen, wenn wirklich alles stimmt.
Viele grosse Sänger haben betont, dass Singen mehr ist, als bloss Text und Noten zu reproduzieren.
Singen ist eine Frage der Kultur. Töne produzieren, ein ‚forte' singen, dass kann jeder. Ich versuche immer zu musizieren und suche den schwierigen Weg. Mich reizt es, zu differenzieren - eben das ‚piano' reizt mich. Ich denke, dass es dabei ein immenser Vorteil für einen Sänger ist, wenn er auch ein Instrument beherrscht.
Sie arbeiten ja auch mit Regisseuren zusammen: Ist Ihnen das eine Hilfe? Oder sind die Regisseure das notwendige Übel für eine Opernaufführung?
Die Arbeit mit Regisseuren ist mir sehr wichtig, ich möchte ja lernen und mich weiterentwickeln. Ich setze mich unbedingt für Musiktheater ein! Es ist aber eher selten der Fall, dass man Regisseure trifft, die wirklich etwas von Oper verstehen. Ich hasse es, wenn sie etwa unlogische Bewegungen verlangen, die gegen die Musik gerichtet sind. Wie soll ich über die Bühne rennen und gleichzeitig eine zarte Phrase singen?
Wie würden Sie das Wesen des Belcanto umschreiben?
Wenn man das Wesen des Belcanto überhaupt beschreiben kann, dann vielleicht damit, dass es durch seine in der Tonsprache wiedergegebene Wärme und Menschlichkeit unsere Herzen direkt anspricht. An den Sänger stellt der Belcanto natürlich seine eigenen technischen Anforderungen. Hier findet Ausdruck eine ideale Plattform. Es gilt aber, die Balance zu wahren, nicht der Versuchung zu erliegen, einen Charakter zu überzeichnen.
Was möchten Sie in der nächsten Zeit singen?
Mein Terminkalender ist schon weitgehend bestimmt. Es kommen interessante Rollendebüts wie etwa der Farnace in „Mitridate, rè di Ponto" oder der Sesto in „La clemenza di Tito" hinzu. Ich freue mich besonders auf die Liederabende mit Friedrich Haider als Begleiter. Wir haben ein anspruchvolles Programm mit Liedern von Schubert und Brahms zusammengestellt, das wir auch für RCA einspielen werden.
Kultur des Musizierens
Die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova im Gespräch
Die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova steht an der Schwelle zu weltweitem Opernruhm. Die Presse hat ihre künstlerischen Leistungen gebührend beachtet; über ihre Person konnte man indes eher wenig erfahren. Um so interessanter war es, der liebenswürdigen Sängerin in einem Foyergespräch des Zürcher Opernhauses zu begegnen. Befragt wurde sie von Gerhard Persché, Kulturkorrespondent verschiedener deutscher Zeitungen. Der Werdegang Vesselina Kasarovas bildete einen thematischen Schwerpunkt. Bereits als Kind begann sie, das Klavierspiel zu erlernen; mit 18 Jahren kam der Gesang hinzu. Die Aufzeichnung eines Konzerts an der Musikhochschule von Stara Zagora gelangte in die Hände Herbert von Karajans. Der Dirigent lud sie 1989 zu einem Vorsingen ein, desgleichen die Wiener Staatsoper, an die sie ein Engagement ab 1991/92 erhielt. Den Vertrag in der Tasche kehrte Vesselina Kasarova von ihrer ersten Reise in den Westen nach Bulgarien zurück.
Der Zufall vermittelte eine weitere Verpflichtung: in Stara Zagora hörte sie der damalige Opernhausdirektor Christoph Groszer und holte sie für zwei Jahre nach Zürich. Im September 1989 trat sie hier erstmals als zweite Norn in der «Götterdämmerung» auf, es folgten als mittlere Partien der Annio in «La clemenza di Tito» und - mit überwältigendem Erfolg - der Stéphano in «Roméo et Juliette». In den Hauptrollen ist sie seit letzter Spielzeit wieder am Opernhaus zu erleben. Sie erarbeitete sich hier die Principessa in «Adriana Lecouvreur» und die Belle Hélène. Das Début als Adalgisa («Norma»), deren hohe Tessitura die Sängerin herausfordert, steht kurz bevor. Besonders dürfte man Rosina und Isabella («L'Italiana in Algeri») mit Vesselina Kasarova assoziieren. Gegen eine Festlegung allerdings wehrt sie sich: sie brauche die Vielfalt, um sich die Freude an ihrem Beruf zu bewahren. Angebote für dramatische Partien lägen vor, doch sie habe diese in Kenntnis ihrer gegenwärtigen Möglichkeiten ablehnen müssen. Sie wolle sich nicht verleiten lassen zu forcieren. Sorge bereite es Vesselina Kasarova, wenn Dirigenten auf wuchtigen Orchesterklang setzen. Was zähle, sei einzig die Kultur des Musizierens - es verwundert nicht, dass die Sängerin als ihr Vorbild Christa Ludwig bezeichnet. Vesselina Kasarova hört sich gerne die Aufnahmen von Kollegen an; sie könne viel dabei lernen. Was sind ihre Zukunftspläne? Mehrere Hosenrollen sind vorgesehen - diese erforderten, sagte Vesselina Kasarova, besondere darstellerische Selbstkontrolle und hälfen ihr so, klischeehafte Gesten zu vermeiden. Für den «Rosenkavalier» bestehe leider kein Projekt. Dafür wird sie die «Traumpartie» der Charlotte in Massenets «Werther» singen (Zürich, Juni 1996). Zahlreiche Einspielungen sind in Aussicht gestellt.
Sanfte Scheue mit Stimme
Vesselina Kasarova, Mezzosopranistin aus Bulgarien, ist eine der grossen Entdeckungen in der Opernwelt der letzten Jahre. Die Swissair Gazette hat sich mit der jungen Sängerin und Liebling des Zürcher Opernhauspublikums unterhalten.
Das Mysterium der bulgarischen Stimme: Ist es bloss die trade mark eines Gesangsensembles? Oder nicht doch ein Phänomen, das zurückreicht bis in die Mythologie?
Orpheus, der Bäume und Steine mit seinem Gesang erweichen konnte, war Thraker; und Bulgarien darf sich geographisch, zumindest partiell, als Erbe Thrakiens fühlen. Auf jeden Fall scheint dort ein besonders fruchtbarer Boden für Sängerinnen und Sänger zu sein, denn kein anderes Land des Balkans, mit Ausnahme Rumäniens vielleicht, hat so viele davon hervorgebracht: Boris Christoff, Ljuba Welitsch (eigentlich Welitschkova), Nicolai Ghiaurov, Ghena Dimitrova, Raina Kabaivanska, Anna Tomova-Sintov, um nur einige grosse Namen zu nennen. Vesselina Kasarova, zurzeit in Zürich engagiert, ist auf dem besten Weg, diese grosse Tradition fortzusetzen.
Ein herrischer Wink der Dame, und der Bedienstete entfernt sich mit dem tödlichen Geschenk, das sie der Rivalin zugedacht hat: mit einem vergifteten Veilchenstrauss. Welch bitterböse Opernfigur, diese Pincipessa di Bouillon aus Cileas «Adriana Lecouvreur», aggressiv, unkontrolliert und wild in ihrem Gefühl. Bedarf sie einer Interpretin mit ebensolchem Charakter? Muss man einen Pakt mit dem Teufel schliessen, um den Mephisto spielen zu können?
«Nein», nickt Vesselina Kasarova am Morgen nach der Premiere in einem Café hinter der Oper. Nickt? Ach so - in Bulgarien verneint man auf diese Weise und schüttelt bejahend den Kopf. «Nein, nein!» lacht sie. Kunst der Verwandlung, ein wahres Jekill-and-Hyde-Phänomen: Das kalte Feuer aggressiver Leidenschaft der Principessa am Vorabend hat einer etwas scheuen Herzlichkeit Platz gemacht, die strahlende, agile Höhe, die füllige Tiefe und das sinnliche Timbre ihrer Singstimme einer sanft mädchenhaften Sprechweise. Vesselina Kasarova ist alles andere als eine Diva. Keine Schminke, keine falschen Wimpern. Die Federboa bleibt im Schrank.
«Wer im Leben ständig posiert, tut es auch auf der Bühne», sagt sie. «Posen verhindern die ehrliche Gestaltung, man spielt sich selbst. Das will ich nicht.» Sofort wird klar: Sie ist keine jener Selbstdarstellerinnen, die sich vor dem Publikum mental quasi prostituieren. Aber auch ohne den Leuten die intimsten Gefühle aufzudrängen, bringt man in die Gestaltung einer Bühnenfigur nolens volens viel Privates ein. Selbst bei einer Giftmörderin ...
Vesselina Kasarova lächelt: «Jeder Mensch hat auch eine Mörderseele in sich, sagt man doch.» Den Pakt mit dem Teufel hätte man unbewusst schon geschlossen, bevor man den Mephisto spielt. «Natürlich kann ich so eine Figur nur mit meinen eigenen Gefühlen ausstatten. Deshalb ist die Principessa für mich nicht bloss eine der typischen Opernhexen: Sie ist eine leidenschaftlich Liebende, die erst so mörderisch reagiert, als der Geliebte sie wegen einer anderen Frau zurückstösst.»
Die Bouillon, dieses schwarze Gebräu aus Leidenschaft, Rachsucht und Gift: Mich hat überrascht, dass jemand, der in Kollegenkreisen als so ausgesprochen harmoniesüchtig gilt, dies so überzeugend verkörpern kann.
«Streit auf Proben macht mich unglücklich. Ich brauche eine harmonische Atmosphäre, um mich voll entfalten zu können.»
Vom Eindruck her, den sie privat macht, müsste die Kasarova eigentlich stets die Lieben, die Sanften spielen. Aber der Teufel hat meist nicht nur die bessere Musik, sondern auch die interessanteren Charaktere, und gerade die faszinieren die Sängerin. Sie aber in allen Facetten zu formen, braucht Zeit und Mühe. Also viele Proben. Vesselina Kasarova ist ein «Rehearsaholic», sie probiert ausgesprochen gerne.
«Ich liebe die Arbeit mit Regisseuren, die mir die Zeit geben, mich zu entwickeln, und gleichzeitig gestatten, dass ich meine persönlichen Farben einbringe. Wie etwa Ursel und Karl-Ernst Herrmann, mit denen ich in Salzburg arbeiten durfte, bei der Festspielproduktion von Mozarts ‹Titus›.»
Ob sie sich vorstellen könne, auch einmal mit einem Bob Woilson oder einer Ruth Berghaus, extremen Repräsentanten des sogenannten «Regietheaters», zu arbeiten? Sie überlegt lange. «Ich habe die Berghaus-Inszenierung von ‹Otello› in Zürich gesehen. Sehr, sehr interessant. Aber auch ein für die Darsteller sehr striktes, überindividuelles, starres Konzept, irgendwie ein Korsett.»
Man müsste sehen, sagt sie diplomatisch. Ich habe das Gefühl, dass ihr die Herrmanns lieber sind.
Beim Schlussapplaus am Premierenabend von «Adriana Lecouvreur» war der Regisseur nicht vor dem Vorhang erschienen. Er hatte sich, dem Vernehmen nach, geärgert, weil einige Darsteller sich nicht an die Probenvereinbarungen gehalten, sondern ihre eigene Show abgezogen hatten. Ein nicht ungewöhnlicher Vorgang im Opernbetrieb, wenn auch wenig professionell: Manche Stars reisen erst wenige Tage vor einer Premiere an und können sich naturgemäss nicht in eine wochenlang erarbeitete Inszenierung integrieren. Ist dies denn nicht auch unkollegial den anderen Sängern gegenüber?
«Ich kann nur für mich sprechen» - zu Vesselina Kasarovas Wesen gehört, dass sie negative Aussagen über andere Sänger verweigert. «Auf die Bühne gehen, vor allem Töne abliefern und darstellerisch auf Dinge zurückgreifen, die ich mir schon anderswo zurechtgelegt habe, das liegt mir nicht. Für mich ist das Spiel genauso wichtig wie das Singen. Die Rollengestaltung beeinflusst den Gesang; da probiere ich immer etwas aus. So bekommt jede Partie andere Farben, auch vom Timbre her; die Rosina im ‹Barbier von Sevilla› etwa klingt ganz anders als die Bouillon.»
Rosina spielte übrigens eine Schlüsselrolle in der sängerischen Entwicklung von Vesselina Kasarova. Noch vor ihrer Abschlussprüfung an der Akademie holte die Sofioter Oper sie für diese Partie, mit ihr debütierte sie u.a. auch an der Wiener Staatsoper, am Covent Garden, London, in Florenz und Genf. Doch damit etikettiert zu werden, mit einer zentralen Partie Karriere zu machen wie einige ihrer Kollegen, möchte sie nicht. «Das wäre so, als würde man immer wieder das gleiche Buch lesen. Nach einiger Zeit kennt man wahrscheinlich alle Nuancen, nichts mehr ist neu.»
Aber eine Traumpartie hat sie doch? Sie lacht: «Die Tosca; die werde ich wahrscheinlich nie singen - ich bin ja kein Sopran, sondern ein echter Mezzo.» Nahziele in ihrem Fach seien der Octavian, die Charlotte in Massenets «Werther»; später wohl die Azucena im «Troubadour» oder die Amneris. Auch die Santuzza in «Cavalleria rusticana». Und die Carmen? «Singen könnte ich sie wahrscheinlich schon jetzt. Aber ich muss die Rolle fühlen, im Kopf und im Körper, was ich noch nicht tue. Eine Wunschpartie für die nahe Zukunft hätte ich jedoch beinahe vergessen: Glucks Orpheus!»
Natürlich - den Thraker. Mit Ausgrabungen thrakischer Kult- und Wohnstätten unterstreicht das heutige Bulgarien seine in mythische Vorzeiten reichende Geschichte. Ob diese auch eine Erklärung für den Reichtum des Landes an potenten Stimmen bietet? Könnte es damit zu tun haben, dass die Musik während der langen Türkenherrschaft für eine innere Emigration sorgte? Eine «Résistance» gegen die Eroberer, wobei die Folklore, das brauchtümliche Lied der Ahnen, zum nationalen Kult erhoben wurde?
Vesselina Kasarova schüttelt, in Gedanken, zunächst ihren Kopf, besinnt sich und wechselt zum eifrigen mitteleuropäischen Nicken: «Ja, natürlich. Wir haben eine ganz eigene, einzigartige Volksmusik. Ich liebe sie sehr.»
In der Tat sind der bulgarischen Volksmusik so ziemlich alle Topoi der abendländischen Musik fremd: Harmonik. Chromatik, Formgestaltung, Dur-Tonart. Typisch sind asymmetrische Taktarten, aus deren Wechselspannung sich auch die Melodie ergibt: Musik von hohem Reiz, wuchtig und energiegeladen. Gespielt von Gaida (Dudelsack), Kawal (einer Längsflöte ohne Mundstück), Gadulka oder Gussla (einer zweisaitigen Fiedel) und Trommeln, vor allem aber gesungen. Das Geheimnis der bulgarischen Stimmen: Es kommt auch aus der altertümlichen, auf Tetra- und Pentachorden beruhenden Klang-Aura dieser Musik. Dies ist der Urgrund bulgarischer Musikalität. «Unsere soziale Kommunikation fand immer auch über die Folklore statt; sie war so etwas wie unser nationales Evangelium.»
Schon im zarten Alter von vier Jahren hatte Vesselina Kasarova ihren ersten öffentlichen Auftritt. Wollte sie schon immer Sängerin werden?
«Nein, ich habe zwölf Jahre lang Klavier studiert. In diesem Zusammenhang musste ich auch Sänger begleiten, und man sagte mir: ‹Vessi, du hast Stimme, versuch's doch mal.› Meine Eltern waren anfangs gar nicht so glücklich darüber, nach all den Jahren Klavierstudium. Aber alles ging gut. Auch mit meinen Engagements: schon während des Studiums an die Oper von Sofia, dann - noch vor der Wiener Staatsoper - Zürich, wo ich vieles ausprobieren und mir ein Repertoire erarbeiten konnte. Und wo ich, das Wichtigste, meinen Mann Roger kennengelernt habe.» Er begleitet sie so oft wie möglich. Denn nichts ist schlimmer, als nach einer Vorstellung in ein leeres Hotelzimmer zurückkehren zu müssen, einen Erfolg nicht teilen zu können. Vesselina Kasarova hat beides. «Ich bin ein glücklicher Mensch!» Vesselina heisst auf Bulgarisch ja «Die Glückliche» ...
Vesselina Kasarova wurde im bulgarischen Stara Zagora geboren. Sie studierte bei Ressa Koleva in Sofia. 1989 wurde sie nach Zürich verpflichtet, wo sie zum Publikumsliebling avancierte. Zwei Jahre später ging sie an die Wiener Staatsoper. Inzwischen hat sie an den meisten grossen Opernhäusern Europas gesungen.
Gerhard Persché ist Musikkritiker, Mitarbeiter internationaler Opernzeitschriften. Er lebt in Zürich.
Die Glückliche
Die Rosina im «Barbiere» zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Karriere: 1991 Debüt in Wien, dann Grosserfolge in Genf, London und Florenz. Diese Saison ist Vesselina Kasarova in ihrer Glanzpartie in Zürich und Wien zu bewundern, und 1997 will sie mit «Una voce poco fa» die «Met» erobern.
Auf Rossini festlegen lässt sich Vesselina Kasarova jedoch nicht. Auch wenn sie die Isabella in «L'Italiana in Algeri» in Wien, Zürich, Amsterdam und Florenz singt, auch wenn ihr «Tancredi», Sensation der Salzburger Festspiele 1992, bald eingespielt wird und sich in ihrem Repertoire noch weitere Rossini-Partien finden. Sie selbst bezeichnet ihre Stimme als eher hell, nicht gerade als typischen Mezzosopran. Neben Koloraturpartien kann sie sowohl lyrische wie auch dramatische Rollen singen.
Innert fünf Wochen im vergangenen Jahr hat Vesselina Kasarova dem Zürcher Publikum ihre Vielseitigkeit mit zwei Rollendebüts bewiesen. Einerseits mit ihrer leidenschaftlich liebenden Principessa di Bouillon, die ihrer Rivalin Adriana Lecouvreur einen vergifteten Veilchenstrauss schickt. Da war die Kasarova auf dem Weg zur grossen Tragödin, allerdings mit gazellenartiger Geschmeidigkeit und differenziertester psychologischer und stimmlicher Darstellung. Andererseits in Offenbachs «Belle Hélène», wo sie mit Witz und Eleganz nicht nur Griechenlands Männerwelt betörte.
Zürich war auch der Ausgangspunkt von Kasarovas steiler Karriere. 1989 hörte sie der damalige Opernhausdirektor Christoph Groszer in einem Konzert in Sofia und engagierte sie sofort. Im gleichen Jahr gewann die junge Bulgarin beim Gesangswettbewerb «Neue Stimmen» in Gütersloh den ersten Preis. Trotzdem war der Anfang nicht leicht, da die Mezzosopranistin ausgesprochen schüchtern war und damals kaum ein Wort Deutsch sprach. Auch war ihr die westliche Welt sehr fremd.
Die in Stara Zagora (Bulgarien) geborene Künstlerin liess sich zwölf Jahre als Pianistin ausbilden, bevor sie zum Gesang wechselte. Immer noch besucht sie ihre Lehrerin Ressa Koleva so oft wie möglich, da sich bei den vielen neuen Rollen stimmliche Probleme ergeben könnten. In nächster Zukunft sind für Zürich Adalgisa («Norma») und Charlotte («Werther») geplant sowie die zwei Donizetti-Partien Elisabeth («Maria Stuarda») in Wien und Giovanna Seymour («Anna Bolena») in München.
Grosse Dirigenten haben in Vesselina Kasarova eine ideale Mozart-Interpretin gefunden. Ihr Debüt an den Salzburger Festspielen erfolgte 1991 als Annio unter Sir Colin Davis, Cherubino sang sie an der Wiener Staatsoper mit Peter Schneider, und ihre Dorabella unter der Stabführung von Riccardo Muti im Theater an der Wien entzückte Publikum und Presse gleichermassen. «Zwischentöne und Nuancen sind die Domäne von Vesselina Kasarova, deren subtile Phrasierungs- und Modelierungskunst im Verein mit ihrer intensiven darstellerischen Präsenz und ihrem exquisiten Timbre ein Dorabella-Porträt ohne jede Leerstelle erstehen lässt» (NZZ).
An den nächsten Salzburger Festspielen wird sie Daniel Barenboims Zerlina sein und am Maggio Musicale Fiorentino unter Semyon Bychkov erstmals den Idamante singen. Ein rein französisches Programm (Berlioz, Ravel und Chausson) hat die Bulgarin kürzlich für BMG in Wien eingespielt; weitere Schallplattenpläne umfassen ihre Mitwirkung in Mahlers achter Sinfonie, bei Liedern und Duetten mit Edita Gruberova sowie die Gesamteinspielungen von «Roméo et Juliette» und «Oberon».
Viel Erfolg in kurzer Zeit? Ja, schon - aber hart erarbeitet. Sie sei eben ein ausgeprochenes Glückskind, ihr Name Vesselina bedeute auf bulgarisch schliesslich «Die Glückliche».
Wie beginnt eine Sängerkarriere?
Vesselina Kasarova wurde 1965 in Stara Zagora, Bulgarien, geboren. Schon früh entschied sie sich für eine Laufbahn als Musikerin. Zwölf Jahre lang liess sie sich als Pianistin ausbilden, dann wechselte sie zum Gesang. Am Konservatorium von Sofia absolvierte sie eine fünfjährige Ausbildung. Noch vor Abschluss der Studienzeit übernahm sie an der Oper von Sofia grössere Mezzosopran-Partien. 1989 hörte sie der damalige Direktor des Zürcher Opernhauses, Christoph Groszer, in einem Konzert in Sofia und engagierte sie sofort nach Zürich. Im selben Jahr gewann sie den ersten Preis beim Gesangswettbewerb «Neue Stimmen» in Gütersloh. 1991 wechselte Vesselina Kasarova an die Wiener Staatsoper. In dieser Zeit begannen die internationalen Engagements. Konzertverpflichtungen führten sie auch nach Paris, München, Mailand und Berlin. Bei den Bregenzer Festspielen hat sie als Fenena in der aufsehenerregenden Produktion von Verdis «Nabucco» auf der Seebühne mitgewirkt. Nun kehrt sie mit einem grösseren Abendvertrag an das Zürcher Opernhaus zurück, wo sie im September als Rosina im «Barbier von Sevilla» zu hören ist.
Das Interview mit Vesselina Kasarova führte Marianne Zelger-Vogt, Feuilletonredaktorin der NZZ, am 20. Juli in Bregenz.
Frau Kasarova, Sie haben 1989/90 als 24jährige Anfängerin am Zürcher Opernhaus begonnen, zwei Jahre später sind sie als Publikumsliebling von Zürich weggezogen an die Wiener Staatsoper, jetzt kehren Sie als Sängerin mit internationaler Erfahrung, nach Erfolgen bei den Salzburger Festspielen, an der Scala, in Covent Garden nach Zürich zurück. Was bedeutet diese Rückkehr für Sie?
Zürich war für meine Karriere als Ausgangspunkt sehr wichtig, ich habe hier viel gelernt, mit wichtigen Dirigenten wie Harnoncourt zusammengearbeitet. Der Anfang war sehr schwer, ich konnte kein Wort Deutsch, hatte grosse Angst. Ich begann mit der zweiten Norn und Wellgunde in der «Götterdämmerung», zwei kleinen Partien, aber in einem grossen Apparat. Alle haben mir sehr geholfen, der Dirigent Ralf Weikert, die Kollegen, das Betriebsbüro, alle.
Das vergesse ich nie. So fühlte ich mich hier bald sehr wohl, und ich habe mir immer gewünscht zurückzukehren.
Dennoch sind Sie nach zwei Jahren an die Wiener Staatsoper gegangen.
Eigentlich wäre ich gerne in Zürich geblieben, aber ich habe gewusst, dass die Wiener Staatsoper die grössere Chance war. Das Haus ist riesig, es war auch gefährlich ...
... Sie haben sich aber durchgesetzt, auch Hauptpartien gesungen: Rosina, Preziosilla, Meg Page in «Falstaff», Cherubino in «Le Nozze di Figaro». Weshalb haben Sie sich jetzt wieder für Zürich entschieden?
Es hat unter anderem private Gründe, mein Mann ist Zürcher, wir wohnen jetzt hier. Wichtig war aber auch, dass ich hier meine Rollen besser erarbeiten kann. Mein Repertoire ist ja noch nicht sehr gross. Es ist besonders für junge Sänger wichtig, die Partien von Grund auf und in allen Details erarbeiten zu können. In Wien bin ich ja nur in bestehenden Inszenierungen aufgetreten, es gab nur wenige Proben. Das hat mir gefehlt, obwohl Wien wichtig war für mich und meinen Wert in Zürich verbessert hat. In Zürich hatten wir stets genügend Zeit, die Premieren vorzubereiten. Auch berühmte, erfahrene Sänger schätzen das, nur so entsteht Qualität. Für mich war es auch lehrreich, in den Proben mit grossen Kollegen zusammenarbeiten zu können. Die Partie der Alisa in «Lucia di Lammermoor» zum Beispiel ist zwar klein, aber ich habe damals Edita Gruberova kennengelernt und von ihr lernen können.
Sie sind von Anfang an nicht nur durch Ihre Stimme aufgefallen, sondern auch durch Ihre darstellerische Begabung. Wo haben Sie das gelernt, in der Arbeit mit Regisseuren?
Ich hatte am Konservatorium in Sofia auch gründlichen dramatischen Unterricht. Selbstverständlich ist es wichtig, mit welchen Regisseuren man arbeitet. Die Proben mit Karl-Ernst und Ursel Herrmann für «La clemenza di Tito» bei den Salzburger Festspielen etwa waren für mich eine ganz entscheidende Erfahrung. Aber es macht mir auch Freude zu spielen, es ist eine Frage des Talents, der Persönlichkeit. Man hat es oder hat es nicht. Es gibt grosse Sängerpersönlichkeiten, die sich aus Nervosität auf der Bühne nicht entfalten können.
Bleiben wir bei diesem Thema. Empfinden Sie es nicht als Belastung, als junge Sängerin in Häusern wie der Mailänder Scala oder der Covent Garden Opera aufzutreten, bei den Salzburger Festspielen für den Star Marilyn Horne in zwei konzertanten Aufführungen von Rossinis «Tancredi» einzuspringen? Da standen Sie doch unter einem enormen Erwartungsdruck.
«Tancredi» war wirklich eine Extremsituation, ich musste die Partie in zwanzig Tagen lernen, parallel zu den «Tito»-Aufführungen. Natürlich habe ich vor solchen Auftritten Lampenfieber, aber ich bin eigentlich von Natur aus ruhig und habe gute Nerven. Ich liebe meine Arbeit, trete gerne auf. Schon als Kind hat es mir nichts ausgemacht, vor Publikum aufzutreten. Ich begann ja schon mit vier Jahren Klavier zu spielen, mein Vater, der Chauffeur ist, aber die Musik sehr liebt und gerne musiziert, hatte das Instrument in der DDR gekauft und auf komplizierten Wegen nach Bulgarien gebracht. Ich liebe es auch, dem Publikum möglichst nah zu sein, das ist mit ein Grund dafür, dass ich gerne Lieder- und Arienabende gebe.
Auch jetzt in Bregenz, bei Verdis «Nabucco», arbeiten Sie unter sehr besonderen Bedingungen.
Die Seebühne ist riesig gross, wir laufen sehr viel. Meine Rolle, Fenena, ist nicht so gross, aber für die Abigaille sind diese langen Wege schwierig. Wir singen ja mit dem Körper, dazu braucht es Ruhe. Wir haben auch keinen direkten Kontakt zum Dirigenten, sehen ihn nur auf Monitoren. Das schwierigste sind die Mikrophone der Verstärkeranlage. Das Mikrophon lässt keine Raumakustik entstehen, man trägt es am Kopf, hört sich selber, die Kollegen und das Orchester ganz anders, der Ton kommt verzögert. Aber man gewöhnt sich daran, und es war eine sehr gute Arbeit.
Die Entwicklung Ihrer Karriere ist in verschiedener Hinsicht ungewöhnlich verlaufen. Sie sind, als sie 1989 nach Zürich kamen, nicht einfach von einem Opernhaus an ein anderes gekommen, sondern in eine andere Welt. Wie haben Sie diese Situation erlebt?
Es war eine Art Schock. Das grösste Problem war die Sprache. Ich konnte kein Deutsch, nur ein bisschen Italienisch - in Sofia wurden die italienischen Opern meist italienisch gesungen, die anderen bulgarisch -, und natürlich konnte ich Russisch, aber das hat mir nicht viel geholfen. Es war unvorstellbar schwierig. Andererseits war mir die Welt der Oper vertraut, ich habe zu Hause während meiner Ausbildung sehr viele Platten gekauft, so die Werke kennengelernt und all die grossen Sänger gehört. Dank meiner Ausbildung als Pianistin kann ich die Partien auch allein einstudieren und mich selber begleiten, ich kann sie teilweise auch stumm erlernen, anhand des Klavierauszugs, ohne zu singen. Wenigstens in dieser Hinsicht war ich also ziemlich selbständig.
Hatten Sie in jener Zeit schon einen Agenten, der Sie betreut hat?
Eine deutsche Agentin hat mich in Bulgarien entdeckt. Sie hat dann alles für mich organisiert, das Vorsingen an den Theatern und vor Dirigenten, auch bei Karajan. Es kamen dann viele Angebote und Anfragen, und ich musste mich entscheiden.
Üblicherweise beginnen junge Sänger auch heute noch im Ensemble eines kleineren Hauses, wechseln dann an ein grösseres, und die erfolgreichsten schliessen meist sehr bald nur noch Abend- und Gastverträge ab. Sie haben jetzt einen Mittelweg gewählt: das Zürcher Opernhaus wird Ihr Stammhaus sein, Sie haben hier einen Vertrag für zwanzig Abende, auch in Wien werden Sie weiterhin regelmässig auftreten, daneben werden Sie an verschiedenen Häusern gastieren. Weshalb haben Sie sich für diese Lösung entschlossen?
Ich war jetzt vier Jahre lang festes Ensemblemitglied, hatte wenig Möglichkeit, zu reisen und Gastspiele zu geben, musste viele Angebote ausschlagen und oft kleine Rollen singen. Ich wollte bewusst eine langsame Entwicklung, keine Risiken eingehen. Ich möchte weiter gründlich arbeiten, aber ich fühle mich jetzt reif, etwas weiter auszugreifen, mehr Angebote anzunehmen.
In welche Fachrichtung, glauben Sie, wird sich Ihre Stimme weiterentwickeln? Sie haben bis jetzt sehr viel Rossini gesungen. Die Rosina im «Barbiere» und - kurz nach dem Rollendébut in Wien - die Isabella in der «Italiana in Algeri» werden Sie nun auch in Zürich verkörpern, daneben haben Sie die Mezzopartien von Mozart in Ihrem Repertoire. Als Fenena erreichen Sie aber auch Sopranregionen, und dasselbe wird für Offenbachs «Schöne Helena» gelten, die Sie am Opernhaus unter Nikolaus Harnoncourt einstudieren.
Rossini ist Balsam für die Stimme, die Rosina liegt mir im Moment wohl am besten, ich fühle mich sehr wohl in dieser Rolle, werde sie nächstes Jahr auch in Florenz singen. Aber ich möchte nicht immer nur dasselbe Fach, dieselben Rollen singen. Dann verliert man den Spass auf der Bühne. Meine Stimme ist nicht dunkel, eher hell, kein typischer Mezzosopran. Ich kann wohl dramatische wie lyrische und Koloraturpartien singen, aber ich möchte mich noch nicht festlegen. Offenbachs Helena wird eine neue Erfahrung sein, ich muss sehen, wie das geht. Ich möchte keine Experimente machen, keine Risiken eingehen. Mein engster künstlerischer Berater ist der Pianist Giancarlo Andretta, der schon bei verschiedenen grossen Dirigenten Assistent war, mit ihm arbeite ich zusammen. Es ist sehr schwierig, einen guten Musiker zu finden, auf den man vertrauen kann. Für die Stimmbildung besuche ich immer noch so oft wie möglich meine Lehrerin in Sofia, Ressa Koleva. Wenn man eine Partie noch nicht kennt, entdeckt man erst allmählich, wo die Schwierigkeiten liegen, was möglich ist und was nicht. Letztlich muss ich selber entscheiden, was für meine Stimme gut ist, diese Verantwortung kann ich nicht delegieren, denn die Stimme ist ein sehr delikates Instrument.